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Von einer Gratwanderung zu echtem Fundraising

von links nach rechts: Bürgermeister Patrick Kunkel und der Stadtverordnetenvorsteher Ingo Schon aus Eltville und Martin Blach, Vorstand der Stiftung Kloster Eberbach
von links nach rechts: Bürgermeister Patrick Kunkel und der Stadtverordneten­vorsteher Ingo Schon aus Eltville und Martin Blach, Vorstand der Stiftung Kloster Eberbach

Kloster Eberbach im Rheingau. Für Weinkenner, Filmliebhaber und Musikfestival-Besucher eine beliebte Adresse. Seit Neuestem steht diese Adresse aber auch mit den Zuschauern von „Deutschland sucht den Superstar (DSDS)“ oder „Game of Thrones in Verbindung. Das Kulturdenkmal wird von einer Stiftung vermarktet, und die startet jetzt auch ins Fundraising.

von Matthias Daberstiel

Ob Hans Eichel, damals Ministerpräsident des Landes Hessen, sich bei der Gründung der Stiftung Kloster Eberbach 1998 wohl hat träumen lassen, dass mal Dieter Bohlen das Kulturdenkmal für seine Casting-TV-Show nutzt? Wohl kaum. Dabei war das ehemalige Kloster, das nach dem Krieg in den Besitz des Landes Hessen überging, zumindest Filmfans schon lange vertraut. Der Klassiker „Der Name der Rose“ mit Sean Connery als William von Baskerville spielte 1984 in den alten Klostermauern. Allein dieser Filmdreh elektrisierte damals schon die ganze Region, war aber nichts im Vergleich zu dem Rummel um die RTL-Show DSDS. Da gab es schon auch einige, welche die Nase rümpften und sich fragten, ob das einem Kloster angemessen sei.

DSDS als Zuschauermagnet

Martin Blach, Vorstand der Stiftung, ging mit diesem Thema sehr offen um: „Die Entscheidung, die Castingshow DSDS in den Mauern unserer Basilika aufzunehmen, wurde nicht leichtfertig getroffen, sondern erst nach reichlicher Überlegung und Abwägung der positiven und negativen Aspekte einer solchen Veranstaltung.“ Auf der Habenseite standen aus der Sicht der Stiftung besonders die sehr große Reichweite der TV-Show – immerhin 3,64 Millionen Zuschauer – sowie die große Aufmerksamkeit, die ein solches Format mit sich bringt. „Wer die Sendung und damit unser Kloster und die Basilika gesehen hat, erkennt sofort, was für ein besonderer Ort Kloster Eberbach ist. Sein Charakter, seine Faszination sind durch die Aufnahmen – mit Licht- und Lasereffekten – perfekt herübergekommen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass durch die Vorberichterstattung und die Sendung viele Menschen Lust bekommen haben, das Kloster im Rheingau selbst zu besichtigen – egal ob jung oder alt, ob aus der Rhein-Main-Region, aus Hamburg oder aus München“, war sich Blach schon im April 2016 sicher.

Bekanntheit beflügelt Fundraising

Wissen sollte man dazu, dass Kloster Eberbach auch schon seit über 200 Jahren nicht mehr religiös genutzt wird. Den meisten war der Ort wohl auch als das Weinkloster Deutschlands bekannt. Davor war es schon Militärhospital, Irrenanstalt und nach dem Zweiten Weltkrieg sogar Flüchtlingsheim. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass man als Stiftung auch einen Ruf zu verlieren hat. Doch die Stiftung muss sich seit ihrer Gründung selbst tragen und wirtschaften. Die Einnahmen aus Drehgenehmigungen und eigenen Veranstaltungen kommen dem Erhalt der 900 Jahre alten Klosteranlage zugute. Die Vermietung der Räumlichkeiten erwirtschaftet nach Angaben der Stiftung dabei einen großen Teil der Einnahmen. Doch das reicht noch nicht. Auf der Welle der Bekanntheit startete Vorstand Martin Blach deshalb nun die erste echte Spendenaktion des Klosters. „Unsere aktuelle Kampagne‚ [denk mal] Ewigkeit – Setze Deinen Stein!“ hat sich in den ersten fünf Monaten rasant entwickelt, was nicht zuletzt mit der großen Strahlkraft besagter Veranstaltungen zusammenhängt“, resümiert er. Innerhalb von nur fünf Monaten wurden bereits 83.000 Euro von Förderern gespendet. Somit konnten über 50 Prozent des angestrebten Ziels von 150.000 Euro für die Sanierung des Kreuzgangs, des historischen Zentrums des Klosters, realisiert werden.

Emotionen für Steine

Dabei hat das Kloster noch nicht mal einen professionellen Fundraiser. Den Job übernahm Martin Blach als Vorstandsvorsitzender erst mal selbst, unterstützt von zwei Mitarbeitern in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit und von einer externen Fundraising-Beraterin. Die Stärke der Kampagne liegt dabei in der Idee, sich wirklich mit dem Kloster Eberbach als Ort zu verbinden. „Das Gelingen der Kampagne liegt sicherlich auch darin begründet, dass jeder Spender ein Teil der Ewigkeit wird. Es ist uns gelungen Emotionen für Steine zu schaffen“, erläutert Blach. Dies wird auch in den Widmungen der Spender auf den gespendeten Steinen für den Kreuzgang deutlich: „Wenn wir uns mit der Vergangenheit nicht beschäftigen, können wir die Zukunft nicht gestalten“, heißt es da. „Egal, ob eine große oder kleine Spende, mit Initialen im Stein oder einem guten Wunsch in einer Zeitkapsel, die Spender schreiben Klostergeschichte. Und das erleben sie hier direkt“, freut sich Blach über den Erfolg.

Online-Fundraising und Werbung

Die Basis der Kampagne ist die interaktive Internetseite, auf der die „Steine“ gespendet werden können, die dann bei der Sanierung des Kreuzgangs tatsächlich gesetzt werden. Dieses „digitale Herzstück“ wurde gezielt eingesetzt, um die Kampagnenidee über Grenzen hinweg sichtbar, greifbar und emotional involvierend zu machen. Geworben wurde daher auch vor allem im Internet per Google Adwords und auf Social-Media-Kanälen wie Twitter und Facebook. Dazu kamen noch Plakate auf dem Gelände des Klosters sowie Roll-Ups und natürlich Flyer, die im Kassenbereich ausliegen. „Darüber hinaus nutzen wir unser großes, über Jahre entstandenes Netzwerk an Freunden, Förderern und Unternehmen, mit denen wir in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben. An diesen Stamm von Kontakten versenden wir regelmäßig Mailings, in denen wir unsere Projekte vorstellen und um Mithilfe bitten“, berichtet Martin Blach.

Neue Wege brauchen Organisation

Für die Stiftung ist das aber nur der Anfang. Denn Fundraising, und das merken die Verantwortlichen jetzt auch, ist zunehmend eine Frage der Organisationsentwicklung. Mit den Spenden kommen neue Herausforderungen auf die Stiftung zu, die sich wohl auch nicht ohne Personal bewerkstelligen lassen können. „Wir stehen noch am Anfang des Fundraisings, das wir seit nunmehr 18 Monaten aufbauen. Dabei generieren wir wichtige Erkenntnisse über unsere Zielgruppen, die Spenderprofile, gezielte Ansprache, den wirkungsvollen Dialog und die erfolgversprechende Spenderbindung“, so Blach. Für die aktuelle Aktion konzentrierte sich die Stiftung dabei auf Kulturinteressierte und mit dem Kloster verbundene Zielgruppen, die einerseits mit ihrer Spende das Kloster erhalten wollen und sich andererseits selbst oder andere Menschen, die ihnen nahestehen, verewigen möchten. Die Spenden-Zielgruppe ist aber zweifelsohne noch größer. So lebt das Kloster von seiner Tradition, ohne die Moderne zu vernachlässigen. Aus der anfänglichen Gratwanderung scheint jetzt nach den ersten Erfolgen ein breiter Weg mit noch mehr Fundraising zu werden.

(Bild: Stiftung Kloster Eberbach)

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