AKTUELLE DEBATTE

Streit ums Klima

Viel Widerstand gegen die Energiewende - auch von NGOs
Viel Widerstand gegen die Energiewende - auch von NGOs

Es ist schon beeindruckend zu sehen, wie eine Jugendbewegung wie „Fridays for Future“ ein Land bewegt. Nur bewegt das die Klimaaktivitäten der Bundesregierung offenbar weniger. Das aktive Klimapaket steht als mutlos in der Kritik. Doch auch unter gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen finden sich Klimaskeptiker und Gegner einer Energiewende.

Von Matthias Daberstiel

Als die Bundesregierung geradezu mit Demutsgeste ihr Klimapaket 2030 vorstellte, herrschte bei den anwesenden Journalisten noch Überraschung vor. Soviel Respekt gegenüber „Fridays for Future“ und dem „Versammeln hinter der Wissenschaft“, wie es die Kanzlerin formulierte, hatte wohl keiner erwartet. Bei näherem Hinschauen aber entpuppte sich die CO2-Bepreisung als halbherzig, die Klima-Maßnahmen als unabgestimmt, vage und auch in der Kontrolle der Zieleinhaltung und dem angekündigt Nachschärfen von Maßnahmen als nicht eindeutig. Der Protest ließ nicht lange auf sich warten.

„Die Bundesregierung zeigt mit dem Eckpunktepapier zum Klimaschutzgesetz, dass sie die Dringlichkeit zum Handeln noch nicht verstanden hat. Statt einen wirklichen gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, bleibt es bei Steuergeschenken und neuen Subventionen. Innovationen und Technik sind wichtig für eine lebenswerte Zukunft. Aber ordnungspolitische Maßnahmen oder Steuererhöhung für Klimasünder ebenfalls. Die Summe der Maßnahmen wird nicht ausreichen, um das selbstgesteckte Klimaschutzziel bis 2030 zu erreichen“, so NABU Präsident Olaf Tschimpke. Besonders Wissenschaftler zeigten sich tief enttäuscht und zeigten das auch offen. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, der die Bundesregierung zum Klimagesetz beraten hatte, konfrontierte Wirtschaftsminister Peter Altmeier bei Anne Will mit der Mutlosigkeit der Politik: „So können Sie die Klimaziele 2030 nicht erreichen.“ Er hatte eine CO2-Bepreisung sofort und nicht erst 2021 und einen Einstiegspreis von 50 Euro pro Tonne empfohlen. „Sonst entfaltet das keine Lenkungswirkung.“

Politik bremst

Altmeier unterstützte diesen lähmenden Eindruck, den die Politik hier hinterließ noch mit dem Hinweis auf den „sozialen Frieden“ der gewahrt werden müsse und führte als Beispiel die Gelbwestenproteste in Frankreich an, die sich an höheren Spritpreisen wegen der Energiewende entzündet hatten. Er unterschlug dabei aber, dass auch dort der Preis nur um drei Cent für Benzin und sieben Cent für Diesel angehoben werden sollte und dass französisches Benzin laut ADAC nur fünf Cent mehr als in Deutschland kostet, der Dieselpreis aber mit 1,45 Euro deutlich teurer ist als an deutschen Tankstellen. Das Beispiel hinkt also gewaltig. Nach Altmeiers Logik dürfte selbst eine 25-Cent-Erhöhung auf Diesel in Deutschland nicht zu massiven Proteste und Ausschreitungen führen, wie in Frankreich, weil dann erst der französische Dieselpreis erreicht wäre. Dann würde die Tonne CO2 übrigens etwa 80 Euro kosten müssen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Bremser eines Umsteuerns nicht unbedingt im Lager der Klimaskeptiker zu suchen sind, sondern in der etablierten Politik, die bei ihrer Klientel harte Schnitte vermeiden möchte. Jetzt rächt sich, dass im Wahlkampf das Thema von Seiten der großen Koalition kaum eine Rolle spielte, um sich für einen klaren Kurs eine Legitimation zu holen.

Wildtierstiftung im Zwielicht

Aber auch bei den NGOs gibt es Spannungen. Schon seit einigen Jahren führt beispielsweise die Deutsche Wildtierstiftung im Namen der Natur einen Kleinkrieg gegen die Energiewende und insbesondere erneuerbare Energien. Immer wieder werden Studien präsentiert, die teilweise falsch oder aus dem Zusammenhang gerissen interpretiert werden, um Front gegen die Energiewende zu machen. Zuletzt erreichte am 12. September 2019 die Politiker im Bundestag eine Meldung von Stiftungsvorstand Fritz Varenholt, der darin behauptete, die CO2-Reduktion durch Pflanzen sei laut einer Studie höher als die vom Weltklimarat IPCC berechnet und alles wäre nur „halb so wild“. Der Autor der Studie, Professor Eric Brovkin vom Hamburger Max Planck-Institut, widersprach dieser Auslegung vehement gegenüber dem Portal Klimalounge.de. „Es geht um eine geringfügige Korrektur an den Klimamodellen – auf keinen Fall um einen game changer“, so der Professor.

Auch Klimaskeptiker sind gemeinnützig

Varenholt, der erstmals mit dem Buch „Die kalte Sonne“ auffiel und darin massiv den Klimawandel relativierte, hat gerade erst mit dem CDU-Politiker Philipp Lengsfeld das re:look climate-Institut gGmbH gegründet, um „transparent, unabhängig und streng nach wissenschaftlichen Standards finanziert durch Spenden und Projektaufträge“ die Klimaforschung zu analysieren. Diese Strategie ist nicht neu. Auch in den USA versuchen Lobbyverbände den Klimawandel durch bestellte Studien zu relativieren. Allerdings kann Auftragsforschung nicht durch Spenden finanziert werden. Das ist in Deutschland immer noch wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Der Geschäftsführer des Instituts Philipp Lengsfeld ist ebenfalls ein Gegner des „exzessiven Ausbaus von erneuerbaren Energien“, und bezeichnete in seinem Grußwort auf einem Kongress des AfD-nahen Vereins Europäisches Institut für Klima und Energie e. V., der den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel abstreitet, den Konsens in der Klimapolitik als „autokratisches System“.

Zuspruch für Umweltverbände wächst

Die öffentliche Diskussion um den Klimawandel hat aber auch einen positiven Nebeneffekt. Allein der NABU Niedersachen verzeichnete laut Süddeutscher Zeitung 2018 und in der ersten Hälfte 2019 15.000 neue Mitglieder. Das stärkt natürlich auch die Möglichkeiten vor Ort für eine Klimawende zu demonstrieren. Auch der BUND verzeichnete 2018 einen Zuwachs von 28.000 Mitgliedern. Allein die BUNDJugend verzeichnete 5.000 Neueintritte. Es gibt also auch positive Nachrichten in Sachen Klimawandel.

(Bild: Gerd Altmann, Pixabay)

Zurück

Einen Kommentar schreiben