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Das Dilemma: Spenden durch rechte Hetze

Strichmännchenkette gegen Nazis - Erfolgreiche Spendenaktion von Tobias Vogel bei gofundme
Strichmännchenkette gegen Nazis - Erfolgreiche Spendenaktion von Tobias Vogel bei
gofundme

Mediale Aufmerksamkeit bringt Spenden. Diese schlichte Formel gilt im Katastrophenfall offenbar genauso wie im Fall von Flüchtlingen oder Demokratieprojekten, wie aktuelle Zahlen zeigen. Doch Demokratie-Initiativen tun sich mit dieser Logik schwer.

von Matthias Daberstiel

Chemnitz, Köthen, Kandel, die schlechten Nachrichten scheinen nicht aufzuhören. Insbesondere, weil sie von der identitären Bewegung, der NPD und auch der AfD immer wieder für Inszenierungen und Außendarstellung genutzt werden. Besonders geschmacklos war der Auftritt im Chemnitzer „Trauermarsch“ mit weißen Rosen, dem Sinnbild für antifaschistischen Widerstand durch Sophie Scholl. Doch diese Inszenierung hat auch eine andere Seite. Sie bringt auch Spenderinnen und Spender dazu, sich für demokratische Initiativen zu engagieren. Das zeigen mehrere Spendenaufrufe, die in den letzen Wochen für Furore sorgten.


Über 40.000 Euro in Chemnitz

So erbrachte das Konzert mit 65.000 Menschen in Chemnitz nicht nur den Slogan #wirsindmehr und viel Aufmerksamkeit, sondern auch 22.106,41 Euro an Spenden. 15 Teams von Ehrenamtlichen hatten das Geld an dem Abend von Konzertbesuchern erhalten. Die Spenden sollen zur Hälfte an die Familie des am 26. August 2018 in Chemnitz getöteten Daniel H. gehen, zur anderen Hälfte an das Bündnis „Chemnitz Nazifrei“ sowie an die Opferberatung „RAA Sachsen“, teilten die Konzertmacher mit. Chemnitzer Firmen hatten bereits im Vorfeld zusammengelegt und 20.000 Euro an die Familie des Opfers gespendet.


Strichmännchen gehen viral

Wie stark die mediale Aufmerksamkeit Spendenaktionen pusht, merkte auch Tobias Vogel, der unter dem Alias „Krieg und Freitag“ Strichmännchen-Karikaturen mit treffenden Texten twittert. Seine spontane Idee nach den Eindrücken der Fernsehbilder war, dass er für je fünf Euro ein Strichmännchen zeichnet, die zum Schluss eine Strichmännchen-Menschenkette bilden sollen. Schnell stellte er die Idee bei gofundme ein. Und das Thema ging viral. Fernsehen und Zeitungen berichteten, denn die Idee ist ziemlich simpel. Mittlerweile schwächelt das Handgelenk des Zeichners, denn der aktuelle Spendenstand sind 17.680 Euro, was 3536 Strichmännchen entspricht. Sein Ziel waren 10.000 Euro die bereits nach einer Woche erreicht waren. Offenbar hat er den Nerv der Demokratiebegeisterten getroffen. Die Spenden gehen übrigens an den Sächsischen Flüchtlingsrat, der sich zu dem Thema allerdings nicht äußern wollte. Die Aktion selbst kommentierte das Bündnis sächsischer Flüchtlingsinitiativen zwar mit einem Dankeschön über ihren eigenen Facebook-Kanal, aber eine echte Unterstützung, etwa ein Aufruf sich zu beteiligen, sieht anders aus.


Keine Nutznießer rechter Hetze sein

Diese Sprachlosigkeit hat ihre Wurzeln wohl in dem Gedanken, dass man von rechter Gewalt und Inszenierung nicht noch profitieren will. Auf dem letzten OpentransferCamp der Stiftung Bürgermut in Dresden wurde das ebenfalls diskutiert. Auch hier entstanden zwei Fronten. Die, welche die Aufmerksamkeit nutzen wollen, um Menschen für Demokratieprojekte zu begeistern und die, welche gerade dann nicht mit Spendenaufrufen auffallen wollen.

Ein Beispiel für die Nutzung von Aufmerksamkeit war die Aktion „Ein Cent gegen Nazis“ des Verein für Demokratische Kultur in Berlin e.V. Sie forderten online auf, für jene Mittläufer bei einer rechten Demo in Berlin-Spandau Mitte August einen Cent zu spenden. Am Ende kamen so über 15.000 Euro für die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch heraus.

Das Thema Seenotrettung im Mittelmeer zeigt auch, wie positiv sich die mediale Präsenz auf die Spendenbereitschaft auswirkt. So schlossen verschiedene Organisationen, die Menschen auf dem Mittelmeer retten wollen eine Kooperation und nutzten die Tatsache, dass Italiens Innenminister Salvini keine Flüchtlinge an Land ließ, für die Gegenbewegung „Seebrücke“. Ziel war hier allerdings eine Mobilisierung auf der Straße. Onlinespendenaufrufe und Aktionen mit prominenter Unterstützung wurden ebenfalls mit Erfolg gestartet.


Spenden einfacher als demonstrieren

Die einfache Sommer-Videobotschaft von Jan Böhmermann mit dem launigen Spruch: „Jeder spendet was er kann, nur nicht seinen Nebenmann” brachte fast ein Viertelmillion Euro für die Rechtsanwaltskosten der Dresdner Organisation Mission Lifeline, die damit ihren Kapitän erst mal aus dem Gefängnis holten. Berlins Nachttalker Klaas Heufer-Umlauf wollte dem nicht nachstehen und gleich ein neues Schiff für Seenotrettung kaufen. Auch er kam mit seiner Aktion über 200.000 Euro. Die Bereitschaft sich zu beteiligen, stellt auch Björn Lampe von betterplace.org fest, wo viele dieser Organisationen mit Spendenaufrufen präsent sind. „Wir merken, dass viele Leute etwas bewegen wollen und nicht genau wissen wie. Vielleicht kann nicht jeder an einem Montagnachmittag nach Chemnitz fahren, um friedlich zu demonstrieren, möchte aber dennoch ein Zeichen setzen. Daher machen wir begleitend darauf aufmerksam, doch beispielsweise einfach den sächsischen Flüchtlingsrat oder Bildungsprojekte gegen Rechts zu unterstützen und auf diesem Wege demokratiefördernd einzutreten. Wir sehen an den vielen Spenderkommentaren und der Spendenbereitschaft, wie wichtig dieses Angebot empfunden wird. Als wir beispielsweise einen gezielten Newsletter für die Seenotrettung verschickt haben, wurden daraufhin über 40.000 € gespendet.“


Spendenbereitschaft durch Medien verfünffacht

Schon im Jahr 2015 war die erhöhte Spendenbereitschaft für das Thema Geflüchtete durch die mediale Präsenz des Themas zu spüren. Damals wurde dieses Thema bei betterplace die am meisten bespendete Kategorie. Aktuell stellt Lampe ähnliches fest. „Wir haben gerade beim Thema Seenotrettung eine klare Korrelation zwischen Berichterstattung und populistischen Diskussionen einerseits und der Spendenbereitschaft andererseits festgestellt. Seit zum Beispiel die Mission Lifeline Ende Juni in Malta festgesetzt wurde und Rechte gezielt gegen die Arbeit der Seenotretter hetzen, sind die Spenden für solche Rettungsmissionen auf betterplace.org um satte 506 Prozent gestiegen. Die Spendenbereitschaft für die verschiedenen Seenotrettungsmissionen hat sich also mehr als verfünffacht.“

Zurückhaltung mit Spendenaufrufen ist also eigentlich fehl am Platz. Viel wichtiger scheint eine Strategie zu sein, die so gewonnene Spender wirklich an sich zu binden. Das ist wahrscheinlich genauso schwierig wie im Katastrophenfall. Das Thema Demokratie, Toleranz und Antidiskriminierung ist aber sicher noch ein Thema in den kommen Monaten mit vielen Wahlen und entsprechender medialer Präsenz. Höchste Zeit das Thema Fundraising als Beziehungsaufbau und -Management zur Zielgruppe #wirsindmehr auf die Agenda zu setzen.

(Bild: Tobias Vogel/gofundme)

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