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Verdienen Großspender eine bessere Behandlung?

Gerade hat Fußballprofi und Weltmeister Mats Hummels angekündigt ein Prozent seines Gehalts an die Initiative „Common Goal“ zu spenden. Ob das angesichts von kolportierten 10 Millionen Euro Jahresgehalt beim FC Bayern München genug ist, daran scheiden sich die Geister. Spenden ist eben relativ.

Es ist doch sehr seltsam mit unserem Fachgebiet, dem Fundraising: Es geht angeblich nicht um Geld. Es geht um mehr. Es geht um eine freundschaftliche Beziehung zwischen dem Geber und dem Nehmer, daher müsste es doch eher Friendraising heißen. Es geht darum, dem Spender die Freude am Spenden zu vermitteln. Mit der Inbrunst der Überzeugung behaupten Organisationen, dass ihnen der Spender wichtiger sei als die Spende. Aber ist das tatsächlich so?


Höhe der Spende entscheidet über Umgang

Aus meiner Sicht ist das alles richtig und gleichzeitig falsch. Das liegt daran, dass wir die Spender nicht gleich behandeln. Es ist in der Praxis eben nicht egal, um welchen Spendenbetrag es geht. Die Spendenhöhe spielt eine zentrale Rolle in der Spenderansprache. Großspender werden anders behandelt als Normalspender. Warum also behandelt das Fundraising Großspender schlechter als Normalspender?

Wenn wir aus dem Fundraising einen Blick auf den Spender werfen, dann schauen wir immer auch auf sein Spendenvolumen. Der Großspender spendet dabei mehr als der Normalspender und dieser mehr als ein Kleinspender. Mit dieser Einteilung werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Es wird zum einen definiert, wie die Ansprache der Geber erfolgt, und zum anderen auch, mit welchen Impulsen die Spender versorgt werden.

Die Großspenderansprache erfolgt über persönliche Gespräche und Telefonate, es gibt spezielle Großspendermailings. Auch wird die Ansprache-Häufigkeit abgewogen: zu oft könnte den Spender verschrecken; idealerweise lässt man ihn nach einer großen Spende (z.B. 10000 Euro) erst einmal in Ruhe. Der Normalspender erhält hingegen sechs oder mehr Briefe pro Jahr. Doch ist es wirklich richtig, die Höhe einer Geldspende als Maßstab zu nehmen, wie wir mit einem Spender umgehen? Welche Rolle spielt der Spendenbetrag wirklich?


Jede Spende ist relativ

Ob eine Spende hoch oder niedrig ist, lässt sich nie eindeutig beantworten. Natürlich sind 50 Euro weniger als 50 000 Euro. Doch ob jemand seine Spende als hoch oder niedrig einschätzt, das hängt nur bedingt vom absoluten Betrag ab. Viel stärker als der Betrag sind zwei entscheidende Faktoren: nämlich das Gefühl des Spenders und sein wirtschaftliches Vermögen. Dieser Dreiklang kann in einer einfachen Formel veranschaulicht werden:

E > € = Ek

E (Emotion) größer € (Euro) ist die Grundvoraussetzung für das Fundraising. Ein Betrag wird nur dann gespendet, wenn die Emotion für die Spende größer ist als die Emotion für den Betrag. Jedoch haben die Menschen recht unterschiedliche emotionale Beziehungen zu Geld. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, über wie viel Geld ein Geber verfügt.

€ (Euro) = Ek (Einkommen)

Wenn ein Milliardär 100 Millionen Euro spendet und ein Vermögen von 16 Milliarden Euro hat, dann beträgt die Spende 0,625 Prozent dieses Vermögens. Wenn eine Kassiererin mit einem Jahresnettoeinkommen von 11400 Euro vier Mal im Jahr 35 Euro spendet, dann hat sie 1,23 Prozent ihres Einkommens gespendet.

In diesem Beispiel hat die Kassiererin doppelt so viel gespendet wie der Milliardär. Oder positiver formuliert: Der Milliardär hat noch Spendenpotenzial. Wenn dieser nämlich 200 Millionen spendet, dann liegt er mit den 140 Euro der Kassiererin gleichauf. In diesem Fall sind also 140 Euro emotional so viel wert wie 200 Millionen Euro.


Das Glück steigt mit jeder Spende

Die Relativitätstheorie im Fundraising hat spannende Ansatzpunkte für uns Fundraiser. Wir können aus der Formel ableiten: Nicht die absolute Höhe einer Spende ist relevant, sondern die Höhe in Relation zum finanziellen Vermögen. Wir können auch folgende These aus der Formel ableiten: Je höher ein Spendenbetrag (in Relation zum Vermögen), desto höher ist auch die emotionale Beziehung zur Spende. Das bedeutet, dass wir die Spender dann glücklich machen, wenn diese die Möglichkeit haben, einen für sie relevanten Betrag zu spenden.

Unsere Kassiererin wird mit den vier Spenden á 35 Euro wahrscheinlich ein besseres Gefühl haben als der Milliardär mit den 100 Millionen Euro. Doch was bedeutet das für unseren Fundraisingalltag? Wir betrachten nicht das finanzielle Vermögen (also was jemand leisten kann), sondern nur die absolute Zahl. Daher werden die Großspender hofiert, umgarnt und mit Samthandschuhen angefasst. Ja, wir neigen sogar dazu, dem Großspender ihr Glück des guten Gefühls nicht zu gönnen. Denn das Glück steigt mit jeder Spende. Und nicht durch die Samthandschuhe. Der Großspender möchte mehrfach im Jahr spenden und glücklich sein. Dazu müssen wir ihn einladen. Doch das tun wir nicht. Da hat es die Kassiererin einfacher: Sie wird sechs Mal im Jahr angesprochen und kann daher vier Mal spenden, vier Mal glücklich sein. So ungerecht kann Fundraising sein.

Andreas Schiemenz, Volkswirt und Fundraiser aus Leidenschaft, verfügt über 40 Jahre Erfahrungen in NPOs, Stiftungen und Unternehmen mit gesellschaftlichem Engagement. Im Herbst 2015 hat er das Vertriebshandbuch für Fundraiser „Das persönliche Gespräch: Fundraising durch Überzeugung“ bei SpringerGabler veröffentlicht. Er ist seit diesem Jahr Geschäftsführer bei der Schomerus – Beratung für gesellschaftliches Engagement GmbH. Vorher war er bei der HSH Nordbank AG für den Bereich Philanthropie & Stiftungen verantwortlich.
www.schomerus-npo.de

(Bilder: Franz Pfluegl/fotolia, Marco Grundt)

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Kommentar von Martin Dodenhoeft |

Lieber Andreas,

Du sagst es: Großspende ist relativ. Eigentlich sollten alle unsere Spender Großspender sein. Bei uns bekommen sie immerhin MEHR Mailings als der Durchschnitt.

Das zu vertiefen, aber vor allem um über strategische Optionen und konkret über ein Konzept zur Ansprache von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen zu sprechen möchte ich Dich gern gewinnen - vorausgesetzt, wir können uns das leisten ...

Ruf mich bitte an, bin den Rest dieser Woche weitestgehend an den Bürohocker in Kassel gefesselt.

Beste Grüße,
Martin