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Werbestopper basht Dialogmarketing

Mit seinem neuen Produkt Werbestopper.de bläst die Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen (GDVI) den Angriff auf das Dialog-Marketing. Partner ist der WWF, was für Unverständnis sorgt, versendet er doch viele Spendenbriefe.

Als große „Briefkastenbefreiung“ wird Werbestopper.de von seinen Machern, der Gesellschaft zur Durchsetzung von Verbraucherinteressen (GDVI) angepriesen. Sie wollen die selektive Abbestellung unerwünschter Werbepost per Mausklick ermöglichen. Um das so dramatisch wie möglich zu machen wird von einer „Belagerung der Briefkästen“, „Werbemüll“ und „Ressourcenverschwendung“ gesprochen. Sicher, Dialogmarketig ist nicht gerade ressourcenschonend: Briefe, Kataloge, Werbeblätter sind regelmäßig im Briefkasten zu finden. Verlangt oder unverlangt. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Papier in Deutschland liegt laut dem Umweltbundesamt bei satten 250 kg pro Kopf. Gleichzeitig wird in kaum einem Land mehr Altpapier gesammelt als Deutschland.

Im Namen des Verbrauchers

Die GDVI ermittelte in einer Umfrage, dass jährlich 56 Kilogramm Werbung im Briefkasten eines jeden deutschen Haushalts landen und das meiste davon unbesehen weggeworfen wird. Obwohl die Einspruchsmöglichkeit gegen unerwünschte Werbung durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gesetzlich geregelt ist, scheuten ihren Angaben nach Konsumenten den damit verbundenen Aufwand. Mit Werbestopper.de sollen nun Nutzer selbst bestimmen können, von welchen Unternehmen sie weiterhin Werbung erhalten möchten und von welchen nicht. Das Prinzip ist nicht neu, und wird bereits bei Online-Werbung durch Ad-Blocker angewandt. Unklar ist aber, wie sich ein solches Angebot refinanziert. Denn der Aufwand für einen solchen Werbestopp ist hoch. Schließlich müssen die Firmen ja über die Unerwünschtheit ihrer Werbung informiert werden. Eine Unternehmenssprecherin erläutert das Verfahren wie folgt: „Die Firmen werden von uns im Namen der Nutzer angeschrieben. Die Kosten dafür übernimmt die GDVI.“ Wenn die Unternehmen zustimmen, würde das per E-Mail passieren, sonst postalisch. Ein hoher Aufwand.

Doch gibt es das nicht schon? Auf der Robinson-Liste des Deutschen Dialog-Marketing Verbandes (DDV) stehen mittlerweile schon 800.000 Namen. Diese Personen bekommen keine adressierte Werbung mehr zugestellt. Patrick Tapp, Präsident des Verbandes gibt sich deshalb gelassen: „In der Vergangenheit gab es bereits ähnliche Produkte und Services wie die Robinsonliste, die sich jedoch nicht lange am Markt halten beziehungsweise durchsetzen konnten. Insofern muss auch werbestopper.de – und das ist völlig wertfrei zu verstehen – noch seine Tauglichkeit und Bedeutung für die Werbebranche und Verbraucher unter Beweis stellen.“ Tapp verweist auch auf die rechtliche Zwickmühle: „Erhält ein Unternehmen von derart aufgebauten Portalen ‚eingesammelte‘ Werbewidersprüche, so muss in jedem einzelnen Fall zweifelsfrei nachgewiesen sein, dass der Widerspruch auch tatsächlich von dem betreffenden Verbraucher stammt. Eine Verifizierungspflicht des Unternehmens besteht hier nicht.“ Auch den Briefkastenaufkleber führt Tapp an, um unadressierte Werbung zu vermeiden.

WWF profitiert von Werbestoppern

Die GDVI sieht aber gerade in der spezifischen Auswahl von Werbung seine Stärke. Ganz oder gar nicht gäbe es bei ihnen nicht, sondern der Verbraucher entscheidet selbst, was er genau bekommt. Die Vermeidung von Papierverbrauch war ein entscheidendes Argument für den WWF Werbestopper bei der Einführung in den deutschen Markt als NGO-Partner zu unterstützen. Und: Für jeden neuen Kunden von Werbestopper pflanzt das Unternehmen einen Baum in den WWF-Projektgebieten Virunga und Bolivien. Für den WWF sind ein Werbestopp und die eigenen Spendenbriefe dabei offenbar kein Widerspruch. „Wenn sich Menschen durch einen Spendenaufruf per Post belästigt fühlen, dann ärgern sie sich und spenden nicht. Es ist also nicht davon auszugehen, dass eine Spendenorganisation Einbußen erlebt, weil jemand von sich aus mithilfe eines technischen Angebots aktiv dafür sorgt, diesen Spendenaufruf erst gar nicht zu bekommen. Das Gros der Menschen wird einen Service wie Werbestopper.de zuvorderst nutzen, um sich zum Beispiel gegen in Plastikfolie eingeschweißten Sammelprospekte zu wehren“, meint Roland Gramling vom WWF Deutschland. Wie der GVDI bestätigte, kommen auch keine Spendenorganisationen auf die sogenannte Vorschlagsliste von Werbestopper.de. Wer da drauf steht, kann höchstwahrscheinlich auch mit Werbeverboten rechnen. Dennoch steht es Nutzern aber natürlich frei, auch Werbeverbote gegen Spendenbrief-Versender, also auch den WWF auszusprechen.

Mit der Unterstützung von Werbestopper.de läutet der WWF aber auch das Thema papierlose Spendenwerbung beim WWF ein, wie Fundraiserin Ricarda Raths bestätigt. „In Zukunft werden wir versuchen, noch genauer, sparsamer und elektronischer zu kommunizieren“, gibt sie das Ziel klar vor. „Wir gehen da im Fundraising auch ein Wagnis ein, dessen sind wir uns bewusst, finden das aber für eine Umweltorganisation nur konsequent.“ Bei der Zielgruppe des WWF, die wie für eine Umweltschutzorganisation üblich, deutlich jünger ist, ist die Chance auf elektronische Medien umzusatteln sicher auch höher als bei sozialen Organisationen mit der Zielgruppe 70 plus, die immer noch 50 Prozent des deutschen Spendenmarktes dominiert.

Geschäftsmodell unklar

Ist Werbestopper.de also ein sinnvolles Tool zur Regulierung des eigenen Werbebedarfs? Vollmundig verspricht GDVI: „Es wird nur noch die Werbung produziert und zugestellt, für die sich der Nutzer wirklich interessiert.“ Doch ist das wirklich so? Das würde bedeuten, dass sich wirklich eine Mehrheit der fast 30 Millionen Haushalte bei Werbestopper.de registriert. Das Modell des Unternehmens sieht dabei vor, dass Kunden, die sich registrieren, nicht nur auf Werbung verzichten, sondern gleichzeitig auch die Chance bekommen, ein Opt-in für elektronische Werbung zu vergeben. Das dürften sich interessierte Unternehmen einiges kosten lassen. Patrick Tapp hält dieser Idee, die Unternehmen von haptischer auf digitale Werbung umzupolen, entgegen: „Einer der großen Vorteile von Werbeangeboten per Brief oder Prospekt ist ja, dass hierzu kein Opt-In für das werbetreibende Unternehmen notwendig ist, soweit die Grenzen des Bundesdatenschutzgesetzesbeachtet sind.“

Abmahnwelle droht

Auf das reine Abmahnen von ausgesprochenen Werbeverboten und die damit verbundenen Gebühren könnte es aber auch hinauslaufen. Die GDVI ist nämlich auch auf anderen Feldern schon aktiv und bietet Verbrauchern an, sie bei Ansprüchen gegen Unternehmen, wie beispielsweise Fluggesellschaften gegen Erfolgsprovision zu vertreten. Wird hier also nur eine gewinnbringende Abmahnwelle losgetreten? Christian Geltenpoth, Geschäftsführer der GDVI wittert zumindest ein Massengeschäft: „Wir sehen für den Werbestopper auf Basis der Marktforschung ein Potenzial von rund 30 Prozent aller Haushalte.“ Geld scheint die Gesellschaft auch zu haben. Denn Testimonial Oliver Kahn, selbst nicht gerade für Werbefreiheit berühmt, soll Werbestopper laut „Werben und Verkaufen“ mit einem siebenstelligen Media-Etat bekannt machen und „den Kasten sauber halten“.

Sollte sich das Modell durchsetzen, sind Spendenorganisation gut beraten, auf einen Brief der GDVI schnell zu reagieren und die Kunden von Werbestopper aus der aktiven Werbung herauszunehmen, um Ärger zu vermeiden.

(Bild: werbestopper.de/GDVI)

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