AKTUELLE DEBATTE

Schlechte Zinsen und falsche Stiftungen

Bürgerstiftungen in Deutschland

Heute ist der europäische Tag der Stiftungen. Der Wunsch nach Stiftungserrichtungen scheint ungebrochen, auch wenn die Zahl der Gründungen seit 2007 stetig abnimmt. Zunehmend muss sich die Branche auch durch genaue Definitionen legitimieren, um sich von Pseudo-Stiftungen zu unterscheiden.

2007 sprachen viel Experten von einem zu erwartenden Stiftungsboom, denn das Steuerrecht wurde angepasst und die Errichtung von Stiftungen für Vermögende deutlich attraktiver. Die Zahlen sprangen auch deutlich in die Höhe über 1134 Stiftungen wurden im Reformjahr gegründet. „Pünktlich zum ersten europaweiten Tag der Stiftungen hat die Zahl der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland die Grenze von 20.000 durchbrochen. Einer Hochrechnung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zufolge, die auf der aktuellen Errichtungsdynamik basiert, wurde die 20.000er Marke Mitte letzter Woche erreicht.“ freut sich Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen über den Stiftungszuwachs. 2013 werden es aller Voraussicht damit 700 neue selbstständige Stiftungen sein. Das ist aber nur das Niveau des Jahres 2001.

Verantwortlich für die sinkende Bereitschaft Stiftungen zu errichten, ist vor allem die Aussicht auf schmale Erträge und damit fehlende Handlungsfähigkeit von Stiftungen. Denn Stiftungen leben nur von den Zinsen, die sie aus ihrem eingelegten Kapital gewinnt. Die jüngste Fortsetzung der Niedrigzinspolitik der US-Notenbank sorgte an den Aktienmärkten zwar für Jubel, bei den Stiftungen aber eher für Entsetzen. Seit mehr als fünf Jahren müssen sie nun schon diese Niedrigzinsphase überstehen. Bei vielen sind Reserven erschöpft.

Eine Strategie ist eine veränderte Vermögensanlage. So sagte Dr. Michael Hanssler als Mitglied des Vorstands des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gegenüber dem WDR: „Ich denke die Stiftungen müssen sich auf die veränderte Lage auf den globalen Finanzmärkten einstellen, müssen ihre Vermögensstruktur etwas verändern und etwas offensiver anlegen, indem sie beispielsweise den Aktienanteil in den Depots erhöhen.“ Da klingen vielen Stiftungen aber noch die Verluste in den Ohren, die einige durch die Pleite der Lehman-Bank und des damit verbundenen Aktienverfalls erlitten. Festverzinsliche Papiere und Tagesgeld bilden daher oft die Hauptbestandteile deutscher Stiftungsportfolios.

Eine Strategie sich finanziell besser aufzustellen ist das Pooling von Vermögen. Das heißt, dass Stiftungen ihr Vermögen zusammenführen, um bei Banken bessere Konditionen zu erhalten. So arbeitet die Bürgerstiftung Dresden seit Jahren in der Vermögensverwaltung mit der Körberstiftung zusammen und kann sich so auf attraktivere Zinsen und große Erfahrung bei der Vermögensverwaltung verlassen. Überhaupt wachsen die Vermögen der Bürgerstiftungen überdurchschnittlich. Das Stiftungsvermögen wuchs 2012 auf insgesamt 235 Millionen Euro. Mehr als 25,6 Millionen Euro vertrauten Stifterinnen und Stifter den Bürgerstiftungen im Jahr 2012 an Zustiftungen an, das ist ein Wachstum um 12,3 Prozent. Über 14 Millionen Euro haben sie 2012 in das lokale Gemeinwohl investiert. Das war auch nur möglich, weil mit 10,2 Millionen Euro soviel wie noch nie für Bürgerstiftungen gespendet wurde. Viele Bürger spenden dabei für konkrete Projekte in der Region und die Bürgerstiftungen profitieren vom Vertrauen, das Stiftungen entgegengebracht wird. Diese Zahlen, welche im aktuellen „Länderspiegel Bürgerstiftungen“ der Initiative Aktive Bürgerschaft vorlegt wurden, unterstreichen die Tendenz zu regionalem Fundraising auch im Stiftungsbereich.

Erfolg führt allerdings auch zu wenig willkommenen Nachahmern. Fast 700 Bürgerstiftungen gibt es in Deutschland. Darunter sind aber nur 348 die wirklich die „10 Merkmale einer Bürgerstiftung“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen erfüllen. Grund sind vor allem die Sparkassen. Sie bieten Bürgermeistern an, gemeinsam mit ihnen einen Stiftungsfond unter dem Dach einer Treuhandstiftung zu gründen und nennen das Bürgerstiftung. „Die schaffen sich da ein Vehikel in der Hoffnung, es gibt mal eine Erbschaft, oder sie können Bürger anziehen, die nicht wissen wohin mit dem Geld“, kommentiert das Dr. Stefan Nährlich, Geschäftsführer der „Aktiven Bürgerschaft“. Problematisch daran ist, dass diese Stiftung nicht politisch unabhängig agiert, nur zwei Stifter kennt - die Sparkasse und die Gemeinde - und auch nicht sehr auf Transparenz und Bürgerbeteiligung ausgerichtet ist. Kritiker sprechen sogar von Schattenhaushalten der Kommunen. „Wir haben die Befürchtung, dass das Image der Bürgerstiftung durch solche Gründungen leidet, weil nicht überall Bürgerstiftung drin ist, wo es drauf steht, beklagt Nährlich. Bisher zeigt die Entwicklung allerdings bei den richtigen Bürgerstiftungen steil nach oben. Sich nicht nur auf eine verbesserte oder risikoreichere Geldanlage zu verlassen, sondern auch auf Fundraising, Bürgerbeteiligung und lokale Spendenprojekte zu setzen, scheint sich auszuzahlen.

Auch im kirchlichen Bereich wächst die Anzahl der Stiftungen. Neben den 1500 rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, gibt es im kirchlichen Stiftungswesen eine Vielzahl weiterer Rechtsformen, zum Beispiel die Stiftungen öffentlichen Rechts. „Kirchliche Stiftungen haben viele Formen. Was sie eint, ist der Glauben an christliche Freiheit und Verantwortung.“, beschreibt Brigitte Andrae, Präsidentin des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) in Erfurt und Leiterin des Arbeitskreises Kirchen beim Bundesverband deutscher Stiftungen die Grundaussage solcher Institutionen. Um das noch deutlicher zu machen, wurden beim ökumenischen Stiftungskongresses im Kloster Loccum am 6. September auch kirchliche Stiftungen genauer definiert. „Mit den haben wir konfessionsübergreifend eine Orientierungshilfe gegeben“, erläutert Prof. Dr. iur. Michael Ling, Leitender Rechtsdirektor und Justitiar des Bistums Mainz und stellvertretender Leiter des Arbeitskreises Kirchen.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen schätzt, dass es insgesamt mehr als 30.000 Kirchenstiftungen aller Rechtsformen in Deutschland gibt. Damit sind die kirchlichen Stiftungen die größte Stiftungsgruppe hierzulande.

Wer sich einen Überblick über die deutsche Stiftungsszene verschaffen will, hat heute am Tag der Stiftungen eine sehr gute Gelegenheit. Mehr als 130 Veranstaltungen haben Stiftungen deutschlandweit heute geplant.

Matthias Daberstiel

 

(Bild: Aktive Bürgerschaft 2013)

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