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Ein Plädoyer für professionelle Kommunikation im Fundraising von Patrick Tapp

„Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinsten Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.“ Das Märchen vom Sterntaler erinnert ein wenig an die der Spenderöffentlichkeit so gern kommunizierte Art und Weise sogenannten Fundraisings.

Es ist eine unglückliche Entwicklung, die im Zeitalter der Kommunikation vergisst, sich auch der Herausforderung zu stellen, den Wert des Fundraisings als Bestandteil der durch die Spende beabsichtigten guten Tat gleichsam bedeutend und wichtig mit zu präsentieren.

Im diffusen Licht zwischen Gott sei Dank gelebter, tagtäglich praktizierter und professioneller Fundraising-Arbeit und dem leider oftmals vermittelten Eindruck allzu großen Altruismus bei der Mittelbeschaffung, gedeihen somit selbsternannte Sittenwächter. Diese, oft im trügerischen Gewand des unabhängigen Journalismus daherkommenden Zeigefinger, sind faktisch ohne weitere Legitimation und bedienen eine latent verunsicherte Öffentlichkeit mit vermeintlichen Informationen über angeblichen Spendenbetrug bzw. angeblich unseriöse Fundraisingmethoden. Ihre mediale Wahrnehmung, getragen durch Unkenntnis und Nichtinformation der Öffentlichkeit, gibt ihnen eine ungerechtfertigte Meinungshoheit, kann der Leser ob solcher Berichte, sich doch keine eigene Meinung bilden und ist genötigt, sich der vermeintlichen Autorität anzuschließen.

Fakt ist, dass der Dritte Sektor Milliarden Euro an Spenden einwirbt, besser gesagt, einwerben muss, da andernfalls viele, von den Bürgern als selbstverständlich erachtete Aufgaben, z.B. auch im sozialen Bereich, nicht mehr geleistet werden können. Fakt ist, dass eine professionelle Organisation des Ehrenamts jährlich 4,6 Milliarden Stunden organisieren muss, damit der Bürger ein Angebot erfährt, dass er selbstverständlich z.B. in Vereinen konsumieren kann.

Es gibt wohl kaum einen vergleichbaren Bereich in der Wirtschaft, in dem Verantwortlichen der Mittelbeschaffung und –verwendung so viel Verantwortung abverlangt wird, wie im NGO Bereich. Dennoch ist ein merkwürdig verzerrtes Bild zu beobachten, wenn es um die Kommunikation dieser Verantwortung, Verpflichtung, Leistungserfüllung  und -umsetzung geht.

Auf Akademien und in Seminaren werden Strategien zum Thema Erbschaftsfundraising und CSR gelehrt, dort wird der richtige Umgang mit Stiftungen empfohlen. Datenbanken, Datenschutz, Adressbeschaffung und ROI werden auf Kongressen behandelt, aber sobald man den geschlossen Kreis der Fundraiser verlässt, wird aus all der hohen Professionalität ein verschämtes Verstecken. Die Kirche z.B. nannte ihre Spenden lieber Steuern, um die Diskussion einer Leistung und Gegenleistung, die Diskussion um das Bemühen zur Einwerbung dieser Gelder lieber gleich zu umgehen. Hilfswerke mit Multimillionen Euro Spendengelder meinen mit der Darstellung geringster Betriebskosten Eindruck machen zu können. Kein Verbraucher hätte Vertrauen in einen Lebensmittelkonzern, der damit wirbt, so gut wie keine Betriebskosten zu haben. Ein Aufschrei ginge durch das Land bei der Vorstellung, es könnte bei Kontrolle, sinnvoller Produktion, intelligenter Logistik, sorgsamem Produkteinkauf und geschultem Personal gespart worden sein. In allen Wirtschaftszweigen steht der Schutz des Verbrauchers im Fokus und daran orientieren sich die Kosten. Information ist ein hohes Gut, dass neben der Qualitätssicherung immer auch eine weitere Entscheidungshilfe für den Verbraucher darstellen muss.

Warum erklären die Fundraiser in den Organisationen, die Fundraising-Dienstleister nicht transparent, was sie warum und mit welchen Mitteln machen? Es geht nicht um den veröffentlichten Jahresbericht, es geht darum, dass man erklären muss, dass z.B. die Investition in eine professionelle EDV-Struktur einer NGO natürlich auch durch Spendengelder mitfinanziert wird, weil die NGO andernfalls eine grundsätzlich professionelle Organisation und Arbeit nicht gewährleisten kann. Es ist, wenn sich eine neue NGO gründet, eben nicht wie in dem Märchen vom Sterntaler. Die Taler fallen nicht wie von selbst in das linnene Hemdchen. Es muss erklärt werden, dass es Anschubfinanzierungen gibt und wie sie funktionieren. Nur eine informierte Öffentlichkeit hat die Kompetenz der Entscheidung, der Wertung und damit auch die Freiheit, guten Gewissens die Spende nach Beurteilungen der Professionalität zu verteilen.

Allein in der Öffentlichkeit Transparenz zu fordern reicht nicht, was und wie sind die Maßstäbe, die es durch die Transparenz zur Kenntnis gebracht, zu bewerten gilt. Aktuell ist das Koordinatensystem schief, es ist emotionalisiert und die einzelnen Punkte einer möglichen Bewertung sind verschoben. Es muss klare Orientierungen geben, keine Empfehlungen oder Kodizes. Prozentuale Maßeinheiten eignen sich nur bedingt zur Bewertung einer maßvollen Mittelverwendung. Die Qualität und der Erfolg einer Maßnahme oder eines Mitarbeiters bestimmt die Angemessenheit eines Preises und der Entlohnung. Sicherheiten und Abwicklungstransparenz bestimmen die Vorfinanzierung eines Mailings und nicht ein emotionales Gefühl. Investition und ROI sind die Koordinaten für ein Projekt.

Ja, all das ist schon heute bei den Profis gelebte Praxis, nur wird es nicht kommuniziert. Die Öffentlichkeit kann daher Profis und Unprofessionelle nicht unterscheiden.

„Es ist ein Missverständnis, wenn ich dir auf deine Frage meine Antwort gebe, und nicht deine“, sagt eine alte Weisheit. Die Fundraising Szene gibt leider ihre eigenen Antworten und negiert die Antwort der Fragenden. „Ja, wir geben auch Spendengeld aus, damit wir Spendengeld vermehren,“ das wäre die wahre Antwort, die gegeben werden müsste und dann lässt sich transparent das „Wie“ und „Wo“ und „Warum“ darstellen und beantworten.

Als Professionalität wird die von den Angehörigen eines Berufsstandes erwartete Fertigkeit, Kompetenz oder Verhaltensnorm bezeichnet. Kommunikation, communicare bedeutet „teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen.“ Warum also lässt der Fundraiser den Spender nicht an der Umfänglichkeit seiner Kompetenz wirklich teilhaben?

Mittelverwendung und Mittelbeschaffung sind in einer Endlosschleife miteinander verbunden. Egal, welchen Punkt der Spender wählt - die Schleifenbahn wird sein Auge mit sanftem Schwung an den Ausgangspunkt seiner Motivation des Spendens zurückführen, wenn sich beides transparent und professionell offenbart, damit der Spender auch in Bezug auf die Professionalität der Mittelbeschaffung entscheiden kann, wem er seine Spende als Investition in ein gutes Projekt anvertrauen will. Warum wird die Erfahrung in der Kommunikation der Mittelverwendung nicht analog in der Kommunikation der Mitteleinwerbung um- und eingesetzt ?

„Wenn man die Menschen lehrt, wie sie denken sollen, und nicht, was sie denken sollen, so wird auch dem Missverständnis vorgebeugt“, dem unvermeintlichen Missverständnis, wie dem gezielten Missverständnis, das allzu oft nur als Mittel zum Zweck ganz anderer Absichten gestreut und eingesetzt wird.

Wenn wir Fundraiser in Politik und Gesellschaft Rahmenbedingungen bestimmen wollen und müssen, die am Ende der Finanzierung der Gemeinnützigen Arbeit dienen sollen, müssen wir lernen, besser zu kommunizieren.

Patrick Tapp ist seit 1993 Geschäftsführer der auf Fundraising Dienstleistung spezialisierten Agentur DIALOG FRANKFURT, Mitbegründer der Fundraising Akademie und Stiftungsrat der Stiftung Fundraising.

Der Artikel ist einem Beitrag für Fundraising Echo entnommen.

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