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Nur nicht zu politisch - NGOs im Wahlkampf

Gerade erst entschied ein Gericht zu Gunsten des BUND Hamburg, der einen Bürgerentscheid unterstützt hatte. Doch der Rechtsstreit dauerte bereits sechs Jahre!
Gerade erst entschied ein Gericht zu Gunsten des BUND Hamburg, der einen Bürgerentscheid unterstützt hatte. Doch der Rechtsstreit dauerte bereits sechs Jahre!

Nicht nur die Parteien laufen sich gerade warm für die Bundestagswahl. Auch etliche gemeinnützige Organisationen nutzen die Aufmerksamkeit für politische Themen, um ihre Inhalte nach vorn zu bringen. Doch dabei ist Vorsicht geboten.

Wahlkampf ist immer eine Materialschlacht. Millionen werden für Werbung ausgegeben. Übrigens nicht immer sinnvoll, wie eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim ergab. Prof. Dr. Frank Brettschneider, Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, untersuchte die Wirkung von Wahlplakaten und kommt bei den Plakaten, die regionale Kandidaten zeigen, den sogenannten Kopfplakaten, zu dem Schluss: „Unsere Untersuchungen zeigen, dass diese Plakate kaum wirken. Sie machen die Kandidatinnen und Kandidaten zwar etwas bekannter, doch viele Menschen sind früher oder später von diesen Plakaten genervt.“ Effektiver seien Themenplakate mit Bildern insbesondere zu den Bereichen Wirtschaft, Umwelt und Soziales. „Parteien können damit die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kernthemen lenken. Dafür darf das Plakat aber nicht überfrachtet sein. Am besten eignet sich die Kombination aus einem Foto, das die Aufmerksamkeit auf sich zieht, und einem passenden Slogan. Reine Textplakate hingegen wirken gar nicht – oder sogar abstoßend“, so Brettschneider.

Caritas-Präsident Peter Neher: präsentiert die Aktion „Wählt Menschlichkeit“ anlässlich der Bundestagswahl 2017.
Caritas-Präsident Peter Neher: präsentiert die Aktion „Wählt Menschlichkeit“ anlässlich der Bundestagswahl 2017.

NGOs im Wahlkampf

Gemeinnützige Organisationen versuchen die Themen der Parteien zu nutzen und bieten den Medien gezielt dazu Bildmaterial und thematisch passende Ansprechpartner an, die dann natürlich ihren Standpunkt und ihre Forderung gegenüber den Parteien deutlich machen. Der Bundesverband Deutscher Tafeln zum Beispiel fordert sogar eine „sozial-ökologische Wende“, denn „im vergangenen Jahr ist die Zahl der Kunden bei den rund 930 Tafeln um 18 Prozent gestiegen“, wie der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Tafel e.V. Jochen Brühl beklagt. „Den Menschen, die zu den Tafeln kommen, fehlt es nicht nur an gesunder Nahrung, sondern an Aufstiegschancen, gesellschaftlicher Teilhabe und finanziellen Mitteln.“ Seine Forderung ist daher die Armutsbekämpfung zu verstärken und sich für eine „armutsfeste Mindestrente“ und „bedarfsorientierte HARTZ-IV-Sätze“ stark zu machen. Die Arbeiterwohlfahrt begleitet den Wahlkampf mit Video-Statements von Mitarbeitern, und die Caritas hat die Aktion „Wählt Menschlichkeit“ gestartet.


Unklare Rechtslage

Für die NGOs ist diese Form der Beteiligung am Wahlkampf eine Gratwanderung, denn wenn sie sich nur zu nah einer Partei nähern, könnte ihnen nach aktueller Rechtslage wegen politischer Betätigung die Gemeinnützigkeit entzogen werden. Darüber wird aber aktuell vor Gerichten gestritten. Der Bundesfinanzhof (BFH), das höchste deutsche Finanzgericht, interpretiert nämlich das Gemeinnützigkeitsrecht anders als das Bundesfinanzministerium. Während das Ministerium wiederholt behauptet, es gebe eine „steuerliche Trennlinie“ zwischen der Förderung gemeinnütziger Zwecke und politischer Betätigung, erklärt der BFH in einer aktuellen Entscheidung: „Äußerungen, die zwar in dem Sinne als ‚politisch‘ anzusehen sind, als sie das Gemeinwesen betreffen, die aber zugleich parteipolitisch neutral bleiben, stehen der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft nicht grundsätzlich entgegen“, solange sie dem gemeinnützigen Satzungszweck dienen. Parteipolitische Neutralität ist also das Gebot der Stunde. Denn sonst geht es den Organisationen wie ATTAC, die schon seit über zwei Jahren um ihre Gemeinnützigkeit kämpfen müssen und seitdem keine Zuwendungsbestätigungen ausstellen dürfen. Wahlempfehlungen für eine Partei sind also zu vermeiden.

Bundesregierung soll handeln

Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, in der sich mehr als 80 Vereine und Stiftungen zusammengeschlossen haben, fordert deshalb die Bundesregierung auf, „diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung endlich als verbindliche Interpretation des Gesetzes anzuerkennen und seinen Anwendungserlass entsprechend zu ändern. Wenn das Finanzministerium dem nicht folgt, muss der Bundestag seine Kontrollfunktion wahrnehmen und das Gesetz klarer fassen.“ Doch die aktuelle Bundesregierung will das Thema lieber von Gerichten als politisch klären lassen. „Unsere Demokratie braucht auch Engagement außerhalb von Parteien – die Abgabenordnung lässt das als gemeinnützig zu“, erklärt deshalb Diefenbach-Trommer. „Nur das Bundesfinanzministerium sieht das anders und weigert sich anzuerkennen, dass gemeinnützige Zwecke wie der Umweltschutz oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau selbstverständlich politisch sind“, moniert er und fordert den Finanzminister Wolfgang Schäuble auf „zu einer offenen Demokratie beizutragen statt sie zu behindern!“ Als Fazit bleibt, dass das politische Parkett für NGOs momentan immer noch sehr glatt ist und man es auch im Wahlkampf besser gut vorbereitet und parteipolitisch unabhängig betritt.

(Bilder: BUND Hamburg, Caritas/Foto: DCV)

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Kommentar von Ulrich Wilk |

... das kann ich aus Sicht des VCD Verkehrsclub Deutschland nur unterstreichen, sehr hilfreicher Artikel.