AKTUELLE DEBATTE

Niederen Instinkten mit Compliance begegnen

Eine staatsanwaltliche Ermittlung wegen Untreue bei der Arbeiterwohlfahrt in Waren (Müritz) in Mecklenburg-Vorpommern zeigt wieder einmal, wie wichtig Compliance-Regeln für Non-Profit-Organisationen sind. Auch kleine Organisationen können solchen Risiken vorbeugen.

Mitten im Landtagswahlkampf Mecklenburg Vorpommerns wurde bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Müritz ein Skandal bekannt. Nach einem Mitte August vorgelegten Prüfbericht hatte der ehemalige Geschäftsführer Peter Olijnyk seit 2012 für seine Tätigkeit ein Jahresgehalt von 150.000 Euro brutto bezogen, dazu im Durchschnitt 30.000 Euro Tantiemen im Jahr. Außerdem bildete die AWO Rücklagen für dessen monatliche Betriebsrente von 2.000 Euro. Diese Verträge unterzeichnete lediglich der AWO Kreisverbandsvorstand Götz-Peter Lohmann. Dieser hatte anfangs noch jede Kenntnis bestritten. Kein Wunder, untersagen die Reglungen der AWO doch solche Vergütungen. Lohmann, der auch ehemaliger Bundestagsabgeordnete der SPD war, bezog seinerseits aufgrund eines Beratervertrags monatlich 5.100 Euro von der AWO, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen, wie der Bericht aussagt. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg gegen Olijnyk und Lohmann wegen des Verdachts der Untreue.

Entsetzen im Bundesvorstand

Der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler spricht jetzt Tacheles: „Der AWO Bundesverband unterstützt im vollen Umfang die Bemühungen des AWO Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, die Vorkommnisse in seinem Kreisverband Müritz rückhaltlos, intensiv und gründlich aufzuklären. Über die bekannt gewordenen Vorfälle sind wir entsetzt. Sie verstoßen gegen Regeln der Arbeiterwohlfahrt und gegen Prinzipien der Arbeit von Wohlfahrtsverbänden.“ Dass gerade der Landesvorsitzende Rudolf Borchert alle Vorwürfe von sich weist, ist wenig glaubwürdig. Auch, weil sein ehemaliger Wahlkreis ausgerechnet in Müritz liegt. Hilfreich ist das für einen Neuanfang sicher nicht, was wieder zeigt, wie schnell Politik und NGOs in negative Abhängigkeit geraten können.

Verquickung von Führung und Aufsicht

Wohl auch deshalb kritisiert der Bundesvorstand der AWO die Verflechtung von Aufsicht und Unternehmensführung scharf: „Es ist nicht zulässig, dass man als ehrenamtlicher Vorsitzender beim Kreisverband oder einer seiner Gesellschaften beschäftigt ist. Zudem wurden dem ehemaligen Kreisgeschäftsführer und dem Kreisvorsitzenden Gehälter gezahlt, die in keinem Verhältnis zur Tätigkeit und zur Größenordnung und Bedeutung des Unternehmens und erst recht nicht zur Bezahlung der Beschäftigten des Kreisverbandes standen.“ Auch die praktizierte Form der Gewinnbeteiligung und die Zusage von Betriebsrenten durch Tantiemen prangerte der Bundesvorstand als „nicht tragbar“ an. Weiterhin widersprach er Lohmann, der seine Unterschrift gegenüber der Presse als ein Geschmäckle, aber im Rahmen der Statuten der AWO bezeichnet hatte. „Die Intransparenz der Vertragsabwicklung widerspricht ebenso klar dem AWO-Kodex“, machte der AWO-Bundesvorsitzender Stadler deutlich. Der AWO Bundesverband hat in seinem zuletzt 2014 geänderten Statut ein umfangreiches Regelwerk aufgestellt, in dem solche Vorfälle eigentlich ausgeschlossen werden. Von Seiten der AWO wird deshalb auch geprüft, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können. Aber nicht nur der Geschäftsführer und Vorstandsboss geraten ins Zwielicht. Nach Informationen des Uckermark Kurier hat Apothekerin Heike Daut, ebenfalls Vorstandsmitglied, über Jahre sämtliche AWO-Einrichtungen an der Müritz mit Medikamenten versorgt. Diese Verquickung von Mandat und geschäftlichem Interesse ist nicht nur schädlich für die Einrichtungen des Kreisverbandes Müritz mit über 700 Mitarbeitern, sondern wirft auch ein schlechtes Licht auf den gemeinnützigen Sektor als Ganzes. Dabei dachte man, aus der Maserati-Affäre bei der Treberhilfe Berlin gelernt zu haben.

Vier-Augen-Prinzip nicht aushöhlen

Aber auch kleinere Vereine sind sich nicht im Klaren, dass zum Beispiel familiäre Verflechtungen und Vorstandsämter schnell zu einem Interessenkonflikt führen können, weil demokratische Entscheidungsregeln und Kontrollmechanismen wie das Vier-Augen-Prinzip dadurch ausgehebelt werden. Schlussendlich können solche Strukturen zu Korruption und, wie im aktuellen Fall der AWO, auch zu einem Millionenschaden und Imageverlust führen. Initiativen wie VENRO oder Siegelorganisationen wie das DZI haben deshalb entweder Leitlinien zur Organisationskultur erlassen oder in ihren Leitlinien Anti-Korruptionsvorschriften. Eine gute erste Orientierung bieten die zehn Grundsätze der „Initiative Transparente Zivilgesellschaft“, die jeder Verein unterzeichnen und beherzigen sollte.

Compliance-Regeln auch kontrollieren

In diesem Zusammenhang wird immer wieder auch über Corporate Compliance für Non-Profit-Organisationen diskutiert. Ziel dieses Chancen- und Risikomanagements ist die Vorbeugung von Schadensfällen und die Schadensbegrenzung durch frühzeitige Erkennung von Rechtsverstößen. Entscheidend dafür ist die Trennung von Aufsicht und Geschäftsführung und eine funktionierende interne Revision. Experten wie Rechtsanwalt Thomas von Holt empfehlen sogar aller ein bis zwei Jahre eine Evaluation der Leitung einer Non-Profit-Organisation. Gerade durch die Haftungsregeln von Vorständen in Vereinen scheint es geboten dem alten Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Beispielgebend ist die Diakonie, die sich mit ihrem 2005 erlassenen Diakonischen Corporate Governance Kodex verbindliche Regeln gegeben hat. Auch die Regeln für die gute Stiftungspraxis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen oder die Ethikregeln des Deutschen Fundraising Verbandes zählen zu solchen Compliance Regeln und können auf das Handeln von Leitungen in NGOs sofort angewandt werden. Für Mitglieder des Fundraisingverbandes sind sie verbindlich: „Jedes Mitglied muss sich im Klaren sein, dass es mit Unterzeichnung seines Mitgliedschaftsantrags deren Einhaltung verbindlich zusagt“, so DFRV‐Geschäftsführer Arne Peper bei der Veröffentlichung der Kommentare zu den Ethikregeln des Verbandes. Ohne Kontrolle wird die Einhaltung von Regeln aber schwer gelingen. Beides ist Bestandteil funktionierender Compliance.

(Bild: tiero - Fotolia.com)

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