AKTUELLE DEBATTE

Reiche sozialer als Arme

Spendenbereitschaft

Studien widerlegen schlechten Ruf

Über die Spendenbereitschaft von Reichen und Super-Reichen wird seit Jahren trefflich diskutiert. Zwei aktuelle wissenschaftliche Studien decken jetzt auf, dass der schlechte Ruf der Vermögenden nicht gerechtfertigt erscheint.
Psychologische Studien hatten in den letzten Jahren immer wieder einen Befund ergeben: Ärmere Menschen sind besorgter um ihre Mitmenschen als wohlhabendere. Eine neue Untersuchung von Leipziger und Mainzer Forschern widerlegt diese These offenbar anhand einer groß angelegten Studie unter 37.000 Menschen aus 30 Ländern.

Reiche sozialer als Arme

Martin Korndörfer, Stefan Schmukle und Boris Egloff konnten anhand dieser repräsentativen Studie mit insgesamt 37.000 Teilnehmern nachweisen, dass sich Reiche in der Mehrheit sogar sozialer verhalten als ärmere Menschen.
Die Forscher der Uni Leipzig und der Johannes Gutenberg Uni in Mainz untersuchten internationale Daten von Gutachten wie zum Beispiel des German Socio-Economic Panel (SOEP). Die dort teilnehmenden Menschen lieferten Informationen zu Einkommen, Bildung und Ansehen im Beruf und gaben darüber hinaus Auskunft über soziale Aktivitäten wie Spenden, ehrenamtliche Arbeit und Hilfestellung in alltäglichen Situationen, etwa jemanden in der Warteschlange vortreten zu lassen.

Keine Länder-Unterschiede

Die Analyse der Forscher zeigte, dass verglichen mit Menschen aus sozial niedrigeren Schichten die besser gestellten Menschen wohltätiger, hilfsbereiter, großzügiger waren. Letzteres wurde in einem Test eruiert. Reichere Probanden gaben in einem Spiel mit realem Geld Fremden deutlich mehr Geld als Probanden aus niederen sozialen Schichten. Das Resultat dieses Tests war auch unabhängig von den Herkunftsländern der Probanden.

Frühere Studien zu eindimensional

In Zeiten der Kritik an wachsender ökonomischer Ungleichheit sind diese Resultate überraschend. „Offenbar sind vermögendere Menschen mehr bereit soziale Verantwortung zu übernehmen, als aufgrund vorheriger psychologischer Studien hätte angenommen werden können“, sagt Martin Korndörfer der Leipziger Zeitung. Er führt diesen Unterschied auf den Umstand zurück, dass bei älteren Untersuchungen nur kleine Gruppen befragt wurden, die vorwiegend aus amerikanischen Studenten bestanden, die einfach keine Unterschiede in ihrer sozialen Herkunft aufwiesen.
Das Vorurteil, Angehörige der Oberschichts seien weniger sozial als Menschen niedrigerer sozialer Schichten, ist so nicht mehr haltbar. Die Wissenschaftler sehen hier aber noch Forschungsbedarf, um Umstände, welche die Unterschiede im prosozialen Verhalten bedingen, noch näher zu bestimmen. „Was wir jedoch sicher wissen ist, dass die Annahme vieler Psychologen, Menschen aus Oberschichten seien generell weniger hilfsbereit, wahrscheinlich nicht zutrifft“, fasst Korndörfer zusammen.

Millionäre im Test

Eine Studie holländischer und amerikanischer Forscher weist Ähnliches nach. Paul Smeets, Rob Bauer und Uri Gneezy baten Millionäre zu einem Test ins Labor, um ihre Bereitschaft zum Geben zu testen. Dem Test stellten sich 663 Studienteilnehmer, die im Durchschnitt jeder ein Vermögen von 4,7 Millionen Euro besaßen. Die Verhaltensforscher stellten fest, dass Reiche, die ihren Testpartner gegenüber für ärmer hielten, bereit waren, ihn großzügiger mit einer echten Spende zu unterstützen. Die Millionäre nahmen dazu an einem Ultimatum-Spiel oder an einem Diktator-Spiel teil. Beim Ultimatum galt es dem Partner gegenüber einen realen Geldbetrag anzubieten. Lehnte der den Betrag ab, gab es für beide nichts. Im Mittel boten die Geber 63 von 100 Euro Spieleinsatz an, wenn sie glaubten, der andere sei bedürftig, berichten die Forscher im Fachblatt PNAS. Glaubten die Geber einen Millionär vor sich zu haben, teilten sie etwa fifty-fifty.

Gegenleistungen sind out

Beim Diktator-Spiel lag es dagegen ganz im Ermessen des Gebers die Spendenentscheidung zu treffen. In früheren Studien zeigten sich Probanden bei dieser Variante wenig großzügig und spendeten im Schnitt nur 28 Prozent der Summe. Nicht so in der aktuellen Untersuchung. Hier war der gespendete Betrag von 71 Euro sogar höher als beim Ultimatum-Spiel. Fast jeder zweite Millionär spendete sogar die vollständige Summe. Im Glauben, einen Millionär vor sich zu haben, gaben die Reichen immer noch die Hälfte ab. Die Forscher vermuten, dass im Diktator-Spiel die gute Tat im Vordergrund stand, während es beim Ultimatumspiel eher um einen Handel geht. Paul Smeets empfiehlt deshalb Spendenorganisationen, mit Gegenleistungen im Großspendenfundraising sparsam umzugehen.

(Bild: tiero-Fotolia.com)

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