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Für das gute Erbe werben

58 Organisationen vereint bei Vergissmeinnicht.at
58 Organisationen vereint bei Vergissmeinnicht.at

Der 13. September 2014 ist der Internationale Tag des Testaments. Gemeinsame Initiativen von Non-Profit-Organisationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz versuchen seit einigen Jahren das Thema Testament zugunsten gemeinnütziger Zwecke in ihren Ländern zu befördern.

Von Matthias Daberstiel

Die älteste dieser Erbschaftsinitiativen kommt aus Deutschland. Die katholischen Hilfswerke adveniat, Caritas international, Sternensinger, missio und Renovabis gründeten schon Ende 2006 auf Initiative der Bischofskonferenz eine gemeinsame Erbschaftsinitiative „Vermächtnis für die eine Welt“, um ihre Spender für den gemeinnützigen Nachlass zu gewinnen. „Wir setzen dabei auf neutrale Veranstaltungen, auf denen Anwälte ehrenamtlich zum Thema Erbe und Testament sprechen, und laden dazu unsere Spender im Umkreis gezielt ein“, berichtet Lea Janzelowski, Koordinatorin der Initiative. Die beteiligten Hilfswerke vermeiden dafür große Werbeaktivitäten, können sich aber über eine zu geringe Nachfrage trotzdem nicht beklagen. „Viele unserer Spender vertrauen unseren Hilfswerken schon lange und sind in einem Alter, wo solch sachliche Informationen gern gesehen sind“, bestätigt Janzelowski.

Die Schweizer Initiative myhappyend startete 2011 mit einem Werbespot. In der kleinen Schweiz werden pro Jahr rund 30 Milliarden Franken vererbt. Davon gehen nur etwa anderthalb Prozent an gemeinnützige Organisationen. Die heute 20 Mitgliedsorganisationen des Vereins hegen den Wunsch, diesen Anteil deutlich zu erhöhen. Die Rückmeldungen der Organisationen sind durchaus positiv. Thilo Mangold stellt aber auch kritisch fest, dass auf dem Gebiet der Sensibilisierung und des Nachlassmarketings, das sehr langfristig angegangen werden muss, trotz allem ein grosser Ergebnisdruck besteht. „Wir wissen aber bereits von Organisationen, die trotz schwerer Messbarkeit Legate erhalten haben, die auf MyHappyEnd zurückzuführen sind.“

Gerade billig ist die Beteiligung an solchen gemeinsamen Kampagnen nämlich auch nicht. Bis zu mittlere fünfstellige Beträge investieren zum Beispiel die deutschen Organisationen bereits in ihre Kampagne „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“. Aktuell beteiligen sich 14 Organisationen und verbuchen erste Erfolge. So konnte das Thema „Gemeinnützig vererben“ in vielen Zeitungen, Zeitschriften und Online-Portalen, wie bild.de und t-online.de erfolgreich platziert werden. „Unsere Reichweite liegt bis jetzt bei 310 Millionen“, quantifiziert Susanne Anger, Sprecherin der deutschen Initiative die Anzahl der Kontakte. „Auch die 2013 durchgeführte repräsentative Umfrage wird immer wieder zitiert und unser Ratgeber-Paket vielfach aufgenommen. Der gemeinsame Informationsstand, den wir bisher vor allem auf Seniorenmessen eingesetzt haben, zieht nicht nur viele Interessierte an, sondern findet regen Zuspruch und geradezu begeisterte Kommentare“, freut sich Anger.

In ihren aktuellen Bemühungen, das Thema noch stärker in der Öffentlichkeit zu etablieren setzen die Initiativen zunehmend auf dialogorientierte Angebote, wie Ausstellungen. So weiht Myhappyend zum Iinternationalen Tag des Testaments am 13. September 2014 das Siegerprojekt seines Kunstwettbewerbs „Sichtbar in Erinnerung“ in der Markthalle Basel ein. Die deutschen Kollegen planen für den 6. November in Berlin ebenfalls eine Ausstellung mit prominenten Gesichtern unter dem Motto „Was bleibt?“. In der „KPM Königlichen Porzellan Manufaktur Berlin“ wird sie sechs Wochen zu sehen sein, bevor sie 2015 durch sechs weitere Städte tourt. An diesem Beispiel sieht man die Stärke einer solchen Kooperation, denn, wie Susanne Anger betont, hätte keine der beteiligten Organisationen und Stiftungen allein ein solches Projekt mit diesen Persönlichkeiten realisieren können. „Das ist nur in der Stärke und Breite der Gemeinschaft möglich.“

Was bleibt. Weitergeben. Schenken. Stiften. Vererben.

Das sieht auch die Evangelische Landeskirche in Baden so und hat gemeinsam mit der Diakonie in Baden bereits 2013 die Aktion „Was bleibt. Weitergeben. Schenken. Stiften. Vererben.“ gestartet. Auch hier geht es um Vernetzung und die Steuerung gemeinsamer Aktivitäten der Kirchgemeinden. Dafür wurde ein Grundkonzept, eine Broschüre, begleitende Studientage und ein Schulungskonzept entworfen. Eine begleitende Ausstellung kann ebenfalls ausgeliehen werden. „Vorteil ist, dass diese Aktionen vor Ort selbst kreativ weiterentwickelt werden können“, berichtet Pfarrer Dr. Torsten Sternberg, Landeskirchlicher Beauftragter für Fundraising: „In Dillweißenstein startet im September zum Beispiel eine siebenmonatige Predigtreihe zum Thema ‚Erben‘. In Überlingen gibt es Vorträge mit dem renommierten Heidelberger Gerontologen Prof. Andreas Kruse“, berichtet er. Diese und andere Anregungen und Materialien stehen dann im internen Netzwerk allen anderen Gemeinden kostenlos zur Verfügung.

Dass sowohl die Landeskirche Baden als auch die deutsche NGO-Initiative ihre aktuelle Kampagne unter dem Namen „Was bleibt“ führen, ist sicher nicht optimal, will aber von beiden Seiten nicht überdramatisiert werden. „Die Frage ‚Was bleibt?‘ ist im Rahmen von Nachlässen und Testamenten allgegenwärtig, sie ist ja genau der Ausgangspunkt jedes Nachdenkens, bevor man ein Testament erstellt. Keine Aktivität gemeinnütziger Organisationen und Stiftungen kommt ohne sie aus“, ist Susanne Anger überzeugt. Auch der Deutsche Fundraisingverband, der die Kampagne der deutschen Organisationen ideell begleitet, sieht darin kein Problem. „Unsere Kampagne ist für alle interessierten Teilnehmer offen und bevorzugt keinen Verein. Insofern fördert diese Kampagne das gesamte Erbschaftsverhalten und dient damit indirekt auch der Evangelischen Kirche Baden“, ist sich Arne Peper, Geschäftsführer des Verbandes, sicher.

Ein echtes Gemeinschaftsgefühl kommt da in Österreich auf. Unter dem Titel „Vergissmeinnicht.at – die Initiative für das gute Testament“ haben sich bereits 58 Organisationen in kürzester Zeit zusammengefunden, was wahrscheinlich auch den deutlich geringeren Beiträgen geschuldet ist, wie Eva Estermann, Projektmanagerin beim Fundraisingverband Austria, einschätzt. „Niedrigere Beitragssätze ermöglichen es uns, mehr und auch kleinere Institutionen anzusprechen“, betont sie den Vorteil. Deshalb sieht sich die österreichische Initiative auch nicht allein als Werbekampagne, sondern als wertvolle Wissens- und Austauschplattform für seine Mitglieder. „Wir bieten den Mitgliedern regelmäßig Arbeitstreffen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Vernetzung zu Themen wie Akquise, Verlassenschaftsverfahren und Rechtsaspekten an. Wichtig ist uns vor allem, dass sich alle zur Einhaltung ethischer Standards im Umgang mit Vermächtnissen und Erbschaften verpflichten.” Auch die Ergebnisse stimmen. „Nach mehr als zwei Jahren öffentlichen Auftretens ist die Dachmarke vergissmeinicht.at bei Medien, Multiplikatoren wie Notaren und Teilen der Bevölkerung bekannt. Unsere Info-Veranstaltungen werden verstärkt besucht, die Website während einer österreichweit sehr präsenten, mehrmonatigen Plakatkampagne ebenso. Unsere Broschüre wurde bereits in hoher Auflage verteilt, die Anrufe bei unserer Hotline sind steigend und die Beratungsgespräche werden zunehmend tiefergehend. Man sieht uns als neutralen Gesprächspartner“, resümiert Estermann.

2014 wird es in Österreich wieder die Woche des guten Testaments vom 7. bis 15. September geben. Neben Veranstaltungen der Mitgliedsorganisationen organisiert Vergissmeinnicht.at zwei Gemeinschaftsveranstaltungen, wie am Kunsthistorischen Museum Wien, um jeweils ein Dutzend Organisationen gemeinsam vorzustellen und um Rechtsberatung von Notaren anzubieten.

2015 planen die Österreicher auch eine neue Marktforschung, auch um die  Markenbekanntheit von vergissmeinicht.at zu testen. Außerdem sollen Kooperationen mit Banken, Seniorenverbänden, Rechtsexperten und Immobilien-Beratern ausgebaut werden. Die Schweizer denken sogar noch größer und können sich 2015 auch eine europäische Dachkampagne vorstellen. „Wir stehen bereits mit über 15 Ländern in losem Austausch“, bestätigt Thilo Mangold.

(Bilder: Ev. Kirche Baden, Fundraising Verband Austria)

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