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Anonymität gegen Spende - Parteienfinanzierung in Deutschland

Deutschland wählt

Die heiße Phase des Wahlkampfs hat begonnen. Auf allen Kanälen werden die Parteien in den nächsten Wochen versuchen, die Wähler zu mobilisieren. Neben professionellem Kampagnenmanagement arbeiten einige Kandidaten und Kandidatinnen im Internet doch eher zweifelhaft an ihrer Online-Reputation. Da wird gesungen und Marmelade in der Farbe der Partei eingekocht. Auch Plakate im Siebdruck sind zu beobachten. Doch im Fundraising ist wenig Innovatives zu entdecken.

Kein Wunder führt man sich nochmal die Ergebnisse der Studie zu politischem Online-Fundraising von altruja von Anfang des Jahres vor Augen. Dort gaben zum Beispiel gerade mal zehn Prozent der befragten Politiker an, im Bundestagswahlkampf Online-Fundraising einzusetzen. Zwar werden soziale Medien in voller Klaviatur bespielt, aber Spendenwirkung ist damit bei den Wählern nicht zu erzielen, glaubt auch Andreas Jungherr, Politologe an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gegenüber drehscheibe.org. „Es wird hauptsächlich als Medium genutzt, um die eigenen Unterstützer zu motivieren und um ein, zwei schöne Ereignisse zu inszenieren, die dann den Sprung in die traditionellen Medien schaffen.“, denkt er.

Generell wirken die Fundraisingaktivitäten nicht wie aus einem Guß. So haben die Bayerischen Piraten die Seite piratestarter.de begründet. Die Bundespartei wirbt aber mit einem schnöden Lastschriftformular. Ein Video zeigt, warum man Piratstarter sein sollte. Doch mit einer Länge von über sieben Minuten ist es wohl etwas zu lang geraten und wirkt teilweise auch sehr gekünstelt und nicht sehr authentisch. Außerdem wird mit einer Million Euro ein geradezu utopisches Ziel vorgegeben. Das Wahlkampfbudget aller deutschen Piraten liegt bisher bei 500.000 Euro. Anders bei den Grünen, die sehr einheitlich auftreten und denen von Werbeexperten der modernste Auftritt in diesem Bundestagswahlkampf bescheinigt wird. Auch von Obama hat man gelernt. Die Grünen und die SPD haben Plattformen gestartet um Freiwillige für Door-to-Door Kampagnen zu gewinnen. Bei der SPD sollen nach Angaben der federführenden Agentur „D64 Media“ demnächst deutschlandweit 10.000 Freiwillige auf die Klingeknöpfe drücken. Die bayerischen Grünen schicken in den nächsten drei Wochen 250 geschulte Freiwilligen an die Haustür. Nicht um Spenden zu erhalten, sondern um zu mobilisieren. Obamas Truppe war allerdings mit einer App unterwegs, die ihnen Informationen über alle Personen lieferte, die noch unentschlossen waren und für den Kandidaten noch gewonnen werden konnten. In Deutschland schon aus Datenschutzgründen undenkbar.

Krösus im Bundestagswahlkampf ist die SPD mit einem Budget von 23 Millionen Euro vor der CDU mit 20 Millionen Euro. Ein besseres Wahlergebnis als 2009 würde nämlich auch die Einnahmeseite der SPD aufpolieren, denn jede Stimme vergrößert den Anteil am staatlich finanzierten Wahlkampfkuchen. Die Masse der Parteieinnahmen muss sich aber aus nichtstaatlichen Einnahmen speisen. Denn nach dem Gesetz dürfen Parteien nicht mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen aus staatlichen Mitteln generieren. Die großen Parteien haben damit keine Schwierigkeiten. Die kleineren schon, denn die Kosten sind dieselben, aber die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen bei weitem nicht groß genug,um in den Genuss aller staatlichen Mittel zu gelangen.

Für die großen Parteien ist es auf den ersten Blick viel schmerzhafter, dass die Großspenden immer geringer werden. So schrumpften die Spendensummen an die FDP von mehr als 700.000 in 2009 auf rund 130.000 Euro in diesem Jahr. Auch die CDU erhielt bis Ende Juli 2009 mehr als anderthalb Millionen Euro an Großspenden, diesmal ist es gerade eine halbe Million. Die Skandale um Hotelspenden und Sponsoring-Dinner waren wohl dafür verantwortlich. So stellt Grünen-Schatzmeister Benedikt Mayer gegenüber Deutschlandradio eine Verunsicherung der Firmen durch diese Kritik fest: „Dem will sich die Wirtschaft auch nicht aussetzen, weil sie sagt, wir sehen das anders. Wir wollen nicht Einfluss nehmen, sondern das System stützen. Aber wenn dieser Prozess durch Anschuldigungen oder durch Verdachtsmomente in Gefahr gerät, dann ziehen wir uns daraus zurück. Diesen Trend spüren wir auch.“ Offensichtlich gibt es aber auch einen anderen Trend, nämlich Spenden zu stückeln oder einfach unter den gesetzlichen Veröffentlichungsgrenzen zu bleiben. So verzeichnen SPD und CDU, einen Anstieg der Spenden unter 50.000 Euro, wie die taz ermittelte. Diese Spenden tauchen, wenn sie höher als 10.000 Euro sind, erst zwei Jahre nach Überweisung in einer Drucksache der Bundestagsverwaltung auf. Und sie sind offenbar erheblich. Lobby Control stellte in einer Analyse fest, dass sie fast zwei Drittel der Spendeneinnahmen von juristischen Personen ausmachen. Bei Privatpersonen ist der Anteil noch höher. „Das Spendenverhalten hat sich strukturell verändert – von den Großspenden zu kleineren Zuwendungen“, stellt denn auch Michael Koß, der Experte von Transparency International fest. Lobby Control, Transparency International und abgeordnetenwatch fordern seit Jahren eine Absenkung der Veröffentlichungsgrenzen. Für die Parteien ein No-Go, denn wie die Finanzchefin der SPD Barbara Hendricks gegenüber Lobbycontrol äußerte, „würde eine Herabsetzung der Obergrenzen die Spendenbereitschaft senken“. Damit ist klar, Parteispenden sind ein eher verschwiegenes Geschäft. Anonymität für die Spender enorm wichtig. Die Veröffentlichungsgrenzen werden dabei von den Spendern wie ein Sicherheitsnetz für ihre Anonymität wahrgenommen und deshalb wohl auch nicht abgesenkt werden. Nur die Linke fordert den generellen Verzicht auf Unternehmensspenden, was wenig glaubwürdig ist, denn die Partei erhält nie solche Spenden. Trotzdem wird Sie das Wahlvolk demnächst mit 300.000 Kugelschreibern, 150.000 Feuerzeugen, 100.000 Kondomen und 175.000 roten Brillenputztüchern beglücken. Immerhin kann sie dank ihrer Wahlergebnisse im Osten sechs Millionen Euro in den Wahlkampf pumpen und liegt damit noch vor den Grünen mit 5,5 Millionen und den Liberalen mit vier Millionen Euro. Die CSU – eigentlich ja nur regional unterwegs - kommt dank ihrer Anerkennung als Bundespartei wohl auch wieder auf über 9 Millionen Euro. Davon können die anderen bayerischen Parteien nicht mal träumen.

Wer so auf anonyme Spenden aus ist, fährt auch keine öffentlichkeitswirksamen Spendenkampagnen. Und das, obwohl jede Partei für jeden Beitrags- und Spendeneuro, der von Privatpersonen eingeht, 38 Cent zusätzlich vom Staat bekommt. Dieser selbstbewilligte Matching-Fund ist zwar gedeckelt aber 2012 wurden immerhin 151 Millionen Euro ausgeschüttet. In den Topf gehen alle Spenden natürlicher Personen bis 3300 Euro ein. Parteispenden sind auch für die Bürger interessant, denn statt 20 Prozent lassen sich 50 Prozent davon steuerlich als Sonderausgaben anrechnen. Bei all diesen günstigen Voraussetzungen und der Berücksichtigung des Wunsches der Spender nach Anonymität müsste Fundraising einfacher sein. Doch die Wähler haben wenig Vertrauen in die Politik. Kein Wunder, dass die öffentlichen Spendenbemühungen der Parteien fast lustlos wirken. SMS-Spenden-Kontonummern tauchen kaum auf Plakaten oder Werbematerial auf. Online-Spendenmodule verstecken sich auf Webseiten. Konkrete Spendenprojekte – Fehlanzeige. Selbst die Plakatspendenaktion, die mittlerweile alle Parteien haben, hängen doch sehr hinterher. Zwischen 80 und 300 Euro kostet ein Plakatplatz, aber wenn die Nutzer das Plakat selbst auswählen wollen, stellt das die Kampagnenmacher vor organisatorische Probleme. Gelockt wird lediglich mit einem Fundraising-Dinner mit der Kanzlerin oder anderem Politikpersonal sowie B und C-Promis bei der FDP. Bei der CDU kann man sogar noch einen Spenden-Scheck einreichen. Dr. Christoph Müllerleile, langjähriger Vorsitzender des Fundraisingverbandes und selbst jahrelang politisch aktiv, beklagt auch die fehlende Professionalität im Interview mit dem Fundraiser-Magazin: „Also wenn man mal einen Spendenbrief von einem Parteivorsitzenden sieht, da setzt man sich glatt auf den Hintern. Das Wort „Geld“ kommt da nicht vor – „Wir brauchen Geld“ schon gar nicht, sondern „Wir haben eine tolle Politik gemacht, unterstützt uns weiter. Auf Wiedersehen!“ Außerdem nimmt auch er politisches Fundraising als wenig zentral gesteuert war. „Politisches Fundraising wird ziemlich dilettantisch geführt und ist hochkompetitiv: also Bundesverband gegen Landesverband gegen Kreisverband gegen Ortsverband – immer bei der gleichen Klientel. Keiner wagt sich doch ins professionelle Fundraising richtig hinein. Da findet vieles im Verborgenen statt, weil jeder voreinander verstecken will, von wem er Geld bekommt.“

Insgesamt hinterlässt das politische Fundraising im Wahlkampf ein eher durchwachsenes Bild. Ohne staatliche Parteienfinanzierung und nur mit Mitgliederwerbung und Spenden, wären die meisten Parteien nicht wahlkampffähig.

(Foto: JiSIGN-Fotolia.com)

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