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Zertifizierte Glaubwürdigkeit: „Ihre Spende kommt an“

Es gibt in Deutschland keine Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit, Zweck und Verwendung von Spendengeldern öffentlich zu machen. Nur vor dem Finanzamt und gegenüber ihren Mitgliedern sind NGOs verpflichtet, ihre Zahlen offen zu legen und über ihre Arbeit zu informieren. Wer Spenden sammeln möchte, tut jedoch gut daran, durch Transparenz Vertrauen zu schaffen. Zu viele schwarze Schafe und reißerische Medienberichte schüren die Vorbehalte unter den Spendern. Wenig hilfreich ist dabei, dass ausgerechnet Siegel und Zertifikate für Unübersichtlichkeit am Spendenmarkt sorgen.

Orientierungslosigkeit auf dem Spendenmarkt

Kaum jemand hat den Überblick über die angebotenen Prüf- und Zertifizierungsverfahren, die es auf dem Spendenmarkt gibt. Einer vielleicht. Günter Wiegand. Der Fundraising-Manager (FA) hat die Vielfalt der Prüfinstitutionen kurzerhand zum Thema seiner Abschlussarbeit gemacht, die im Fundraising-Echo der SAZ veröffentlicht wurde. „Vor einigen Jahren war der Markt für Spendensiegel und Zertifikate noch einigermaßen übersichtlich. Doch in den letzten Jahren haben verschiedene Initiativen und Organisationen mehrere neue Zertifikate und Prüfverfahren entwickelt.“ Das Ziel aller Prüf-Verfahren sei dasselbe: durch Transparenz Vertrauen schaffen. Welche Kriterien dabei allerdings zugrunde gelegt werden sollen, darin würden sich die Siegel und Zertifikate vergebenden Institutionen nicht einig, so Wiegand. Weder bei der Offenlegung von Zahlen noch bei der Berichterstattung über Qualitätsentwicklung und Projektarbeit sind die Prüf-Siegel miteinander vergleichbar. Es wird mit verschiedenerlei Maß gemessen. Das verunsichert die Spender und schürt die negative Berichterstattung in den Medien.

Zahnloser Tiger und trotzdem König im Dschungel

Eine NGO ist anscheinend gut damit beraten, sich mit dem DZI-Siegel zu schmücken. Jüngstes Beispiel: der „Beinahe-Spendenskandal“ bei „Innocence in Danger“. Eifrige Journalisten besuchten die Internetseite der Initiative und fanden dort keine detaillierten Angaben zur Verwendung von Spendengeldern, ihre diesbezügliche Anfrage wurde von der Organisation nicht schnell genug beantwortet. Und schon war die Rede von „Guttenbergscher Glitzerwelt“ und „Spendensumpf“. Die Äußerung von DZI-Geschäftsführer Wilke in einem Interview, mit der er eigentlich um die Organisation werben wollte, wurde kurzerhand für die negative Stimmungsmache missbraucht: „Eine gemeinnützige Organisation, die so in der Öffentlichkeit steht wie „Innocence in Danger" und erkennbar um finanzielle öffentliche Unterstützung bittet, sollte der Öffentlichkeit auch aussagekräftige Finanzberichte zur Verfügung stellen“. Da nutzte es zunächst wenig, dass Charity Watch der Organisation eine transparente Arbeitsweise bescheinigt hatte, und die FAZ die Geschichte aufdeckte – dem Image von „Innocence in Danger" hat es geschadet.

Als das DZI im Jahre 2008 UNICEF das Spendensiegel aberkannte, stieß dies nicht nur auf Verständnis. So kritisierte beispielsweise die deutsche Lebensbrücke, das DZI habe sich selbst zum Spenden-TÜV erhoben, was nach wirksamer Kontrolle klinge, sei tatsächlich nur Etikettenschwindel. Medien, Bürger und Institutionen würden es sich zu leicht machen, wenn sie ein Gütesiegel verlangten, das ihnen das Nachfragen ersparte. Tatsächlich könnten die Mitarbeiter des DZI die Bilanzen und Tätigkeitsberichte nur lesen, aber nicht prüfen, denn dafür fehlen das Personal und die rechtliche Handhabe.

Transparenz schaffen durch behördliche Kontrolle oder Selbstverpflichtung

In Rheinland Pfalz sind Spenden-Sammlungen genehmigungspflichtig. Auf Verdacht (oder Anzeige) prüft die behördliche Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Spendeneinnahmen, Mittel-Verwendung und Verwaltungskosten der NGO. Die ADD kann gegebenenfalls ein Sammelverbot erlassen, welches allerdings nur für Rheinland-Pfalz gilt. Über erlassene Verbote informiert die ADD auf ihrer Homepage.

Greenpeace setzt auf eine eigene Fundraising-Ethik und niemand hat wohl Zweifel an deren Glaubwürdigkeit. Gerhard Wallmeyer, Leiter des Fundraising-Bereichs bei Greenpeace, sagte dazu in einem Interview: „Keine der größeren Natur- und Umweltorganisationen hat das DZI-Siegel. Das Siegel war ursprünglich für die karitativen Organisationen geschaffen worden. Das wurde zwar geändert, aber für kampagnenorientierte und rein spendenbasierte Organisationen wie Greenpeace passen die Kriterien nach wie vor nicht.“

Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V. (DKHW) hat ab Januar 2011 das DZI nicht mehr beantragt und hat stattdessen die Transparenzverpflichtung des Deutschen Spendenrates unterzeichnet, dem Dachverband spendensammelnder Organisationen und Instrument freiwilliger Selbstkontrolle im Dritten Sektor. Außerdem stellt sich DKHW mit seinem Jahresbericht der Prüfung von PricewaterhouseCoopers, im Rahmen des Transparenzpreises.

Ein Siegel allein schafft noch kein Vertrauen

Vertrauen hat mit Tradition und Marke zu tun. Wenn ein Spender einer Organisation vertraut, dann ist er sicher, dass die Organisation sein Geld Sinn bringend verwendet. So ein Verhältnis entsteht nicht von heute auf morgen, sondern ist das Ergebnis langjähriger Fundraising-Arbeit. Heutzutage trägt fast jede Verkaufspackung irgendein Siegel oder eine Plakette, die das Vertrauen in das Produkt fördern soll. Wen wundert es da, dass gerade in einem so sensiblen Bereich, wie dem Spendenmarkt, die Rufe nach dem Vertrauens-TÜV immer lauter werden? „Hier kommt dein Geld richtig an“, das möchte der Spender von einer unabhängigen Institution hören. Jo Kleinens, Leiter Fundraising in der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe, sagt dazu: „Das (DZI)-Spenden-Siegel müsste von einer unabhängigen, staatlichen Kontrolleinrichtung mit bundesweiter Gültigkeit vergeben werden.“ Wäre dieses Kriterium erfüllt und würde die Anwendung der Vergabekriterien noch dynamischer an die Organisationslandschaft angepasst werden, dann würde das Siegel von der Mehrzahl der Organisationen getragen werden.

Wer das Vertrauen hat, braucht kein DZI-Siegel

Das Spendensiegel ist freiwillig und kostet Geld. Vor allem kleinere Organisationen sparen sich lieber den finanziellen und bürokratischen Aufwand lieber. Doch muss eine NGO für ihre öffentliche Glaubwürdigkeit bezahlen? „Es geht um das Vertrauen der Menschen und Institutionen, die uns ihre Mittel anvertrauen, damit wir sie in ihrem Sinne einsetzen. Um Vertrauen aufzubauen, kann natürlich auch ein Siegel nützen“, so Dr. Martin Dodenhoeft vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Seiner Meinung nach träfe das aber eher auf in Deutschland wenig bekannte Organisationen zu, die mit einem sichtbaren Nachweis ihre Seriosität zeigen müssen. Der Volksbund selbst erfülle die in den neuen DZI-Leitlinien genannten Anforderungen, beantrage aber das DZI-Siegel nicht. Die hohen Ausgaben würden in keinem angemessenen Verhältnis zum Nutzen stehen. Das DZI-Siegel würde den Volksbund 14.000 € pro Jahr kosten und sei darüber hinaus mit einem nicht zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand verbunden.

Spendensiegel- und Zertifikate für NGOs (nach Wiegand):

Siegel
DZI-Spendensiegel
Europäisches Spendensiegel

Zertifikate
Prüfzertifikate der Evangelischen Allianz
TÜV-Zertifikat

Selbstverpflichtungen
Grundsätze des Deutschen Spendenrats e.V.
Initiative Transparente Zivilgesellschaft
Grundregeln für eine ethische Fundraisingpraxis
VENRO-Verhaltenskodex

Sonstiges
Transparenzpreis (PWC)
Phineo-Analyse Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier

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