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Problematisch: Affiliate-Marketing und Spenden-Siegel

Für die einen ist es ein zukunftsträchtiges Online-Fundraising-Instrument, anderen ist es ein Dorn im Auge. Die Rede ist vom sogenannten Affiliate-Marketing, einer im kommerziellen Sektor weitverbreiteten Form des Online-Marketings. Der Aufwand ist relativ gering: Banner, Videos oder Textlinks werden auf einer Website platziert, der Betreiber (Publisher oder Affilate) wird erfolgsbasiert vergütet. Für NGOs liegen die Vorteile auf der Hand: sie zahlen nur, wenn über den Klick eine Spende generiert wird. Doch Vorsicht! Provisionszahlungen im Charity-Bereich werden von der Öffentlichkeit kritisch gesehen und verstoßen gegen die derzeit geltenden DZI-Leitlinien, wenn sie nicht eindeutig offen gelegt werden.

Spenderwerbung per Mausklick

Das Prinzip des Affilate-Marketing ist recht einfach: die Werbemittel (sprich Banner etc.) werden in Form eines HTML-Codes, der die eindeutige Partner-ID beinhaltet, auf die Betreiber-Website geladen. Die NGO ihrerseits bindet einen Trackingpixel auf der Bestellbestätigungsseite ein. Damit kann jede erfolgte Transaktion eindeutig einem Publisher zugeordnet werden, der dann die vereinbarte Provision erhält. Prinzipiell kann jede NGO, die über entsprechendes Know-how verfügt, die Implementierung dieses Fundraising-Tools alleine stemmen. Wenn nicht, so nimmt sie die Hilfe eines sogenannte Affilate-Netzwerkes in Anspruch. Online-Dienstleister wie z.B. Zanox, Affili.net oder Commission Junction bieten nicht nur Trackingsysteme an und vermitteln geeignete Partner, sie sorgen auch für den reibungslosen Zahlungsverkehr. NGOs können natürlich auch selbst Webseitenbetreiber recherchieren und geeignete Kooperationspartner, die zum Profil der Organisation passen, kontaktieren und mit ihnen in den Dialog treten. Insbesondere bei umsatzstarken Publishern versteht sich die Beziehungspflege von selbst.

Transparent auch im Netz: Dialog zwischen DZI und „Onlinern“ verstärken

Seit vergangenem Jahr nutzen auch deutsche NGOs das Affiliate-Marketing zum Spendensammeln und lösten prompt beinahe den nächsten Spendenskandal aus. Laut einem Bericht des NDR führten deutsche Hilfsorganisationen, aufgrund fehlender Transparenz beim Online-Marketing, ihre Spender bewusst in die Irre. Der Hintergrund: Laut DZI-Leitlinien sind potenzielle Spender vor der Spendenentscheidung „schriftlich, eindeutig und in gut sichtbarer Form“ über mögliche Provisionen, die im Zusammenhang mit ihrer Spende anfallen, zu informieren. Unter der Überschrift „Teure Spenden über das Internet“ wurde Plan Deutschland vorgeworfen, dass bei Vermittlung einer Patenschaft 25 € Provision fällig würden, was in etwa einer Monatsrate für eine abgeschlossene Patenschaft entspricht. Das Problem: an keiner Stelle würde der Spender darauf hingewiesen. Plan Deutschland, Träger des DZI-Spendensiegels, zog sich augenblicklich aus dem Affiliate-Marketing zurück. Auch die Organisation Greenpeace bekam ihr Fett ab. Greenpeace-Fundraiser Gerhard Wallmeyer sieht hier allerdings überhaupt kein Transparenz-Problem. Schließlich würde der Spender auf Nachfrage und über das Mitgliedermagazin über Werbungs-und Verwaltungskosten informiert.

Der Online-Fundraising-Experte Thilo Reichenbach sieht hier dringenden Klärungsbedarf. Einen Auftritt auf dem DZI-Spendensiegel-Forum zum Thema Online-Marketing nutzte er als Gelegenheit, zwischen DZI und Onlinern zu vermitteln. Wie er auf Sozialmarketing bloggte, zeige die Affilate-Marketing-Pleite von Plan Deutschland die Brisanz des Themas. Von Hilfsorganisationen bezahlte Provisionen seien, nicht zuletzt durch den UNICEF-Skandal 2008, ohnehin verstärkt in den Fokus von Presse und Öffentlichkeit geraten. Reichenbach stellte allerdings eine interessante Rechnung auf: Stelle man die innerhalb von drei Jahren (das ist die Durchschnittsdauer für eine Patenschaft) getätigten Zahlungen in Höhe von 1008 € der Provision von 25 € gegenüber, so betrage der ROI über 40. „Durchaus vertretbar oder?“, so Reichenbach in seinem Beitrag.

Selbstverpflichtung oder Provisionswarnung

Es bleibt eine spannende und mit Sicherheit weiterhin heiß diskutierte Frage, ob die DZI-Regeln uneingeschränkt auch im Online-Marketing Anwendung finden sollen. Laut Reichenbach verstoßen NGOs, die Affiliate-Marketing betreiben, zwangsläufig gegen geltendes DZI-Recht. Zwar würde in der Neufassung der DZI-Leitlinien von 2010 leistungsbezogene Vergütung nicht mehr ganz so eng gesehen, aber die in Punkt 5b (3) der Leitlinien vorgeschriebene Informationspflicht über anfallende Provisionen gegenüber dem Spender, sei im Internet eben nicht so leicht zu realisieren. Zudem setzte eine Bannerschaltung auf einer Webseite einen Spender wohl kaum mehr unter Druck, nur weil sie erfolgsbedingt vergütet wird. Und dieser Druck, der beim Face-to-Face-Marketing auf den Spender ausgeübt werden könnte, um eine Provision zu kassieren, war schließlich die ursprüngliche Intention dieser Vorschrift. Reichenbach schlägt statt einer Provisionswarnung eine Selbstverpflichtung der NGOs vor, in der eine maximale Provisionshöhe und eine saubere Kommunikation festgelegt werden soll.

Auch Jörg Eisfeld Reschke äußert sich kritisch: „Den bislang im Raum stehenden Vorschlag einer Provisionswarnung halte ich für untragbar. Einige Online Fundraising-Instrumente würden damit deutlicher eingeschränkt und benachteiligt als es vergleichbare Face-to-Face-Instrumente sind.“

Die Organisation World Vision, ebenfalls Träger des DZI-Spendensiegels, betreibt schon seit 2005 Affiliate-Marketing und klärt ihre Paten über anfallende Provisionen auf, so Marketingleiter Wolfgang Eisert im Interview. Er sagt: „Wenn jemand diesen Weg geht, bekommt er ein anderes Formular, als jemand, der über unsere Homepage kommt. Das heißt, im Formular wird schon darauf aufmerksam gemacht, dass eine Zahlung, eine Provision fließt.“ Auf diese Weise könne sich der Spender noch einmal überlegen, ob er eine Patenschaft abschließen möchte oder nicht. Auf der sicheren Seite sind die Welthungerhilfe und die SOS Kinderdörfer, denn diese Organisationen zahlen gar keine Provision.

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