AKTUELLE DEBATTE

Weltkonzerne als Gegner

Protestaktion von Attac auf dem Berliner Wochenmarkt
Protestaktion von Attac auf dem Berliner Wochenmarkt

Kreative Buchführung, Steueroasen, Datenlecks. Internationale Unternehmen agieren scheinbar wie es ihnen passt. Jahrelang galten diese Firmen als unantastbar. Doch der Widerstand wächst, wie zwei aktuelle Beispiele zeigen.

von Matthias Daberstiel

Kann man gegen Amazon, Google und Co. überhaupt etwas ausrichten? Das ist scheinbar nicht die Frage für die globalisierungskritische NGO Attac, die sich schon seit Jahren für eine Finanztransaktionssteuer und faire Finanzbeziehungen einsetzt. Mittlerweile haben sie Hilfe bekommen. Gemeinsam mit der Otto Brenner Stiftung protestierten sie gegen die Auszeichnung von Jeff Bezos, Gründer von Amazon und einer der reichsten Menschen der Welt mit dem „Axel-Springer-Award“ 2018 für „visionäres Unternehmertum“ Ende April in Berlin.


Preis für Bezos eine Provokation

Attac setzt sich für einen Systemwechsel bei der Besteuerung von Unternehmen insbesondere der Digitalökonomie ein. „Das Geschäftsmodell von Amazon und anderen Digitalunternehmen basiert auf zwei kombinierten Effekten: dem systematischen Sammeln und Verwerten kostenloser Nutzerdaten – sprich: Big Data – und der systematischen Steuervermeidung“, sagt Attac-Steuerexperte Karl-Martin Hentschel. Die Folgen seien eine weltweite Monopolbildung in der Digitalökonomie sowie massive Einnahmeverluste der öffentlichen Hand: Fünf der zehn größten Unternehmen der Welt gehören bereits zur Digitalökonomie. Karl-Martin Hentschel: „Diese extreme Monopolisierung der Geschäftswelt ist eine Gefahr für die Demokratie. Die Preisvergabe an Jeff Bezos ist daher eine Provokation.“


Steuerdickicht lichten

Die Otto Brenner Stiftung begleitete den Protest mit einer aktuellen Untersuchung „Unternehmensteuer in Deutschland: Rechtliche Grauzonen und zivilgesellschaftliche Alternativen“. Sie stellt fest, dass die gesetzlichen Regelungen in Deutschland große, multinationale Unternehmen gegenüber kleineren begünstigen. Zudem mangelt es an Transparenz: „Eine Kombination aus komplizierten Unternehmensstrukturen und lückenhaften Publizitätsvorschriften erschwert es einer interessierten Öffentlichkeit, faire Unternehmenssteuern einzufordern“, konstatiert Studienleiter Christoph Trautvetter. Nur in 75 Prozent der untersuchten Fälle konnten die Unternehmenseigentümer vollständig ermittelt werden, die Steuerquoten waren lediglich für ein Viertel der Unternehmen nachvollziehbar.


„Steuer-Siegel“ für faire Unternehmen

Die Studie weist aber auch große Unterschiede zwischen den 40 untersuchten Unternehmen nach: Einige Konzerne wie Hugendubel, Lidl, Rewe, Aldi und Amazon unterhalten Tochtergesellschaften in Steueroasen, denen keine wirtschaftlichen Aktivitäten zugeordnet werden konnten. Andere Unternehmen verzichten darauf, Steueroasen zu nutzen, legen ihre Zahlungen offen und weisen deutlich höhere Steuerquoten auf.

Die Forscher schlagen daher die Einführung eines „Steuer-Siegels“ für faire Unternehmen vor, die ihre Steuern zahlen und um gegebenenfalls zivilgesellschaftlichen Druck aufzubauen. Das wäre auch für Vereine und Stiftungen, die ja ebenfalls steuerpflichtig sind, ein wichtiges Signal.


Großer Auftritt: Hauptversammlung

Schon seit einigen Jahren treten Vertreter von gemeinnützigen Organisationen auf Hauptversammlungen als Redner auf und kritisieren dort öffentlich und vor den Aktionären Missstände in den Unternehmen. In diese Reihe hat sich nun auch die Bank für Kirche und Caritas eG (BKC) eingereiht. Auf der Hauptversammlung von Rheinmetall, einem der größten Rüstungskonzerne der Republik, vertrat die Bank das Netzwerk institutioneller Investoren „Shareholders for Change“ (SfC). Gemeinsam mit der italienischen Stiftung und dem SfC-Mitglied Fondazione Finanza Etica sowie der italienischen Nichtregierungsorganisation Rete Italiana per il Disarmo, die sich für Abrüstung einsetzt, kritisiert die BKC dort den Export von Bomben an Saudi Arabien über das italienische Tochterunternehmen RWM Italia SpA. Doch was bringt solch eine Strategie?


Symbolpolitik oder Wirkung?

In der Wirtschaftspresse hieß es unlängst zur BAYER-Hauptversammlung, das sich „Ökoinitiativen traditionell zum Thema Umweltschutz äußerten“. Also nur Symbolpolitik oder ein geduldetes Ritual? Tommy Piemonte, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der Bank für Kirche und Caritas, ist da anderer Meinung, hat aber auch eine andere Ausgangsposition. „Es erhöht die Aufmerksamkeit der Konzernlenker deutlich, wenn diese Fragen von einem institutionellen Investorennetzwerk mit etwa 22 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen gestellt werden“, betont er die Wirksamkeit der Strategie seines Netzwerkes. Da die ethisch-nachhaltige Anlagestrategie der BKC keine Investitionen in Rüstungskonzerne erlaubt, erwarb das Shareholders for Change Netzwerk eine einzelne Aktie von Rheinmetall, um ein Stimm- und Rederecht an der Hauptversammlung zu haben und für Veränderungen beim Unternehmen zu streiten.


Unangenehme Fragen

Nach Recherchen von Rete Disarmo werden Bomben von Rheinmetall im Jemenkrieg eingesetzt, wo sie bereits unzählige zivile Opfer gefordert haben und die humanitäre Katastrophe unter der Bevölkerung verschlimmern. „An der Hauptversammlung haben wir deshalb Rheinmetall mit einem Dutzend Fragen unter anderem zur Produktion der Bomben in Italien, den weiteren Plänen zu diesen Produktionsanlagen und dem Umgang als Unterauftragnehmer von in den USA ansässigen Rüstungskonzernen konfrontiert“, verdeutlicht Piemonte.

Wie dick das Brett ist, das hier gebohrt werden muss, zeigt der Fall der Deutschen Bank. Deren Investments liegen ja nicht nur in Deutschland und bleiben deswegen meist verborgen. Die Hauptversammlung ist dann die Chance, das im Heimatmarkt zu thematisieren, so wie Facing Finance, urgewald und MISEREOR es auf der aktuellen Hauptversammlung der Bank Ende Mai 2018 getan haben.


Betroffene prangern Missstände an

Auf der Hauptversammlung meldeten sich auch Betroffene des Dammbruchs in einem Bergwerk der brasilianischen Stadt Mariana zu Wort. Im November 2015 war dort der Damm eines Rückhaltebeckens für giftige, schwermetallhaltige Minenschlämme gebrochen. Diese ergossen sich in ein Tal und verseuchten den Fluss Rio Doce auf einer Länge von über 600 Kilometern. 19 Menschen wurden getötet, mehr als 300 Familien wurden obdachlos, und tausende Fischer verloren ihre Einkommensgrundlage. Dabei war die Gefahr eines Dammbruchs bereits mehrere Monate vor der Katastrophe bekannt. Die verantwortliche Firma Samarco gehört den Konzernen Vale und BHP Billiton. Beide werden von der Deutschen Bank mitfinanziert, wie der Bericht „Dirty Profits 6: Mining“ von Facing Finance jüngst darlegte.

Joceli Andrioli von der brasilianische Bewegung der Staudammbetroffenen – MAB, die von MISEREOR unterstützt wird, erklärt: „Für uns ist es unfassbar verantwortungslos, dass die Deutsche Bank zwei Jahre nach dem Dammbruch von Mariana noch neue Kredite ohne Entschädigungsauflagen an den Mitbetreiber Vale vergeben hat.“ MISEREOR-Bergbauexpertin Susanne Friess kritisiert die nicht eingehaltenen Versprechen der Bank: „Von dem angekündigten Kulturwandel der Deutschen Bank ist noch nichts zu spüren.“

Man darf weiter gespannt sein, ob sich Weltkonzerne von solchen Aktionen zum Umdenken bewegen lassen. Sofort handeln können aber zweifelsohne Verbraucher, zu denen auch Vereine zählen. Ein Konto bei der Deutschen Bank, ein Einkauf bei Amazon oder die Partnerschaft mit Amazon Smile machen unter dem Aspekt der Fairness und Steuergerechtigkeit wenig Sinn und stehen streng genommen sogar im Widerspruch zum eigenen gemeinnützigen Anliegen.

(Bild: Attac)

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Kommentar von Egon Maier |

Danke für den Bericht! Aber Attac ist ja gar nicht gemeinnützig. Sagt zumindest das Finanzamt in Frankfurt. Das zeigt die Schräge gleich nochmal: Wenn Amazon Werbung macht, können die die Kosten dafür von der Steuer absetzen. Aber meine Spende für Attac kann ich nicht von der Steuer absetzen.

Mehr dazu:
https://www.zivilgesellschaft-ist-gemeinnuetzig.de/attac/

Antwort von Matthias Daberstiel

Nun, wie wollen doch aber hoffen, das Attac bald wieder gemeinnützig ist. Dafür viel Erfolg!