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Effektiv oder doch Altruistisch?

Darf man Spenden nach der Effektivität vergleichen?
Darf man Spenden nach der Effektivität vergleichen?

Seit einiger Zeit schon diskutieren Organisationen über den effektiven Altruismus. Doch kann das Spenden mit Hirn statt Herz funktionieren, und wen spricht diese Philosophie eigentlich an?

von Matthias Daberstiel


Der effektive Altruismus ist eine Philosophie, aus der sich eine soziale Bewegung entwickelt hat. Einer der Vorreiter ist der Schotte William MacAskill, der in Oxford Philosophie lehrt. „Finde heraus, wie du am meisten Gutes tun kannst, und dann tue es“, schreibt der knapp 30-Jährige in seinem Buch „Gutes besser tun“, das zur Bibel der effektiven Altruisten geworden ist. Die Basis des Handelns soll dabei nicht die Not, sondern die Wirkung der Hilfe sein. Und dafür nutzen effektive Altruisten Kosten-Nutzen-Rechnungen.

Hirn statt Herz

Die These dieser jungen Bewegung besteht darin, dass Hilfe notwendig ist, aber auch eine wissenschaftlich-rationale Entscheidung verlangt. „Hirn statt Herz“ titelten der Spiegel und das enorm-Magazin kürzlich passend. Es gehe heute darum die Welt so kosteneffektiv wie möglich für alle lebenswerter zu gestalten. Effektive Altruisten versuchen folglich, die beschränkten Ressourcen Zeit und Geld optimal einzusetzen, um die größte positive Wirkung für Mensch und Tier zu generieren.

Aus ihrer Sicht ist es also nicht nur entscheidend, dass man spendet, sondern auch wie klug man das tut. So wäre die Entscheidung, ob man sich für ein Wiederaufforstungsprojekt in Deutschland oder in Brasilien entscheidet einfach. Im südamerikanischen Urwald wachsen Bäume deutlich schneller und sorgen so effektiver für eine saubere Umwelt. Deutsche Bäume würden leer ausgehen. Bei der Entscheidung helfen sollen wissenschaftliche Analysen. Das moralische Dilemma bleibt beim Spender.

Zu wenig Wirkung

In den vergangenen Jahren untersuchten Ökonomen, Mathematiker und Soziologen Hilfsorganisationen wissenschaftlich und kamen zum Schluss, dass für die Wirksamkeit vieler Hilfsmaßnahmen überhaupt keine Evidenz existiert und dass einige Hilfswerke um mehrere Größenordnungen effektiver sind als andere. Dass es dabei auch thematische Unterschiede sind, die eine Wirksamkeit behindern, ist auch klar. Etwa, wenn es um wissenschaftliche Krebs- oder Aids-Forschung geht. Die kann mit der schnellen lebensrettenden Wirkung eines 5 Dollar-Moskitonetzes und seiner Verteilung in Malaria-Gebieten nicht mithalten.

Gerade dieser Vergleich von Spendenprojekten ist auch ein Kritikpunkt von Georg von Schnurbein, dem Leiter des Center for Philanthropy Studies der Universität Basel. „Spenden ist nicht nur rational. Spenden ist emotional. Das darf nicht unterschätzt werden. Ich erachte es als schwierig, wenn man verschiedene wohltätige Zwecke gegeneinander ausspielt“, sagte er der Neuen Zürcher Zeitung. Für ihn würde mit dem Faktor Effektivität auch das Prinzip der Freiwilligkeit und Selbstlosigkeit des Altruismus verloren gehen, weil die Spende in eine bestimmte Richtung gezwungen wird. Mit dieser Erkenntnis verbindet sich die Frage, wer denn eigentlich zur Bewegung des Effektiven Altruismus – kurz EA – gehört? Wen spricht es an, eher rationale als emotional zu entscheiden?

Der zehnte Teil für die Gemeinschaft

Vornehmlich sind es jüngere Menschen unter 40 Jahren, die sich dieser Idee verschreiben. In Deutschland schießen gerade Aktionsgruppen wie Pilze aus dem Boden. Etwa 30 soll es schon geben. vornehmlich an Universitäten. Ein Zentrum in Europa ist die Schweiz, aber es gibt mittlerweile auch eine EA-Stiftung in Deutschland. Mit seiner gemeinnützigen Organisation Giving What We Can hat Professor MacAskill bereits mehr als 2.100 Menschen dazu motiviert, mindestens 10 Prozent ihres Einkommens zu spenden. MacAskill selbst hat seinen Lebensstandard auf 20.000 Pfund eingefroren. Alles was er mehr verdient, gibt er an gemeinnützige Zwecke. Die Parallelen zum alten Konzept des „Zehnten“ in Deutschland sind faszinierend. Doch MacAskill will, dass die Spender selbst über die Wirkung ihrer Spende entscheiden, nicht eine Institution, wie damals die Kirche. Noch ist es zu früh, von einer neuen Spendergeneration zu sprechen, aber sie vereint das Streben nach Erfolg mit dem Einsatz für eine bessere Welt.

Effektivität als gemeinsames Ziel

EAs sehen wohl auch deshalb gerade in der Emotionalität das Problem beim Spenden, denn es behindert eine rationale Entscheidung. Das würde gerade Menschen wie sie abschrecken, die sich einem Problem lieber rational nähern. Insofern haben die EAs auch eher eine Vergrößerung des Spendenpotenzials als Ziel als eine Umverteilung. Trotzdem bleibt ihre Kritik an den Hilfsorganisationen. So empfehlen effektive Altruisten zum Beispiel auch lieber ordentlich Geld in Firmen zu verdienen und einen hohen Teil davon nach effektiven Kriterien zu spenden, als in einer NGO zu arbeiten. Doch wer macht dann die Arbeit vor Ort?

Die Bewegung der effektiven Altruisten deshalb als Spinnerei oder spendenfeindlich abzutun, ist bequem. Junge Menschen ticken durchaus so, wenn auch nicht alle. Gerade in der Altersspanne fällen junge Menschen wichtige Entscheidungen. Studienplatz, Wohnort, Partner, erster Job, viele Fragen. Die neue Unabhängigkeit durch das erste Gehalt zählt auch dazu. Ist es da nicht normal, dass man nach rationalen Entscheidungen sucht? Ein Dialog von EAs und Hilfsorganisationen könnte bei dieser Generation effektiv mehr Vertrauen in Organisationen und ihre Hilfe durch Spenden aufbauen. Effektivität ist für Hilfsorganisationen schließlich immer noch eine Auszeichnung und kein Makel.

(Bild: pfpgroup_AdobeStock)

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