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Spender bestimmen mit

Echte Mitbestimmung im Bonner Spendenparlament
Echte Mitbestimmung im Bonner Spendenparlament

Die Podiumsdiskussion mit Spenderinnen und Spendern beim Fundraising-Kongress hat es wieder gezeigt. Es gibt keinen einheitlichen Spendertyp. Einige entscheiden selbst, andere lassen sich mehr leiten und Dritte wollen am liebsten gar nicht angesprochen werden. Es liegt nah, dass sich Menschen, die spenden möchten, deshalb zusammen tun, um informierter zu sein und gemeinsam mehr zu erreichen. Wir haben internationale und nationale Beispiele recherchiert.

Gerade erst erschien eine Studie von Rob John, Partner des Center for the Study of Philanthropy an der University of St. Andrews (England) im Alliance Magazine (Vol 23, Number 1, March 2018). Er hatte sogenannte Donor Circle untersucht. Dieses Konzept gibt es in Asien, aber auch in Nordamerika und Australien schon länger. Selbst organisierte Gruppen von Menschen entscheiden dort gemeinsam, an welche Non-Profit-Organisation sie spenden. Eine Bindung an eine Organisation gibt es dabei nicht.


Zirkel stärken philanthropische Überzeugung

In seinem Beitrag „Asian giving circles come of age“ für das Alliance Magazin stellt Rob John eine Studie aus dem Jahr 2017 vor, die sich mit 38 asiatischen Gruppen befasst. Die 188 Befragten geben nicht nur Geld, sondern spenden auch Zeit für professionellen Rat an die Organisationen, die sie unterstützen. Je informierter sie durch ihre Mitgliedschaft in ihrer Gruppe wurden, desto engagierter und überzeugter wurden sie in ihren philanthropischen Aktivitäten, so John. Die Geberzirkel ermöglichten den Spendern ähnliche Weiterentwicklung und auch Zufriedenheit, wie sie bislang vor allem institutioneller Philanthropie in Stiftungen oder Familienfonds zugeschrieben wurde.

Klassische Tätigkeiten vor einer Spendenentscheidung sind Projektbesuche und die Einladung von Fachleuten zu Vorträgen. In den USA und Kanada werden solche Geberkreise privat oder in Form von Gemeinschaftsstiftungen organisiert. In Australien ist die Zahl der Donor Circle seit 2014 von neun auf 21 gestiegen, in Asien habe sich die Zahl im gleichen Zeitraum verdoppelt.


Eigene Konzepte in Deutschland

In Deutschland gibt es dieses Konzept bisher so noch nicht oder nicht offiziell. Eher wird die inhaltliche Zusammenarbeit gesucht, um Finanzen und Interessen zu bündeln. Etwa beim „Sozialen Netzwerk in München e.V.“, das schon mehrere Geberkonferenzen mit organisierte oder in der Gruppe junger Stifter beim Bundesverband deutscher Stiftungen, wo es bereits einen intensiven informellen Austausch gibt. Vergleichbar ist das Konzept der Donor Circle aber mit dem seit über 20 Jahren in Deutschland etablierten Spendenparlamenten.


Spendenparlamente dominieren in Deutschland

Spendenparlamente funktionieren regional. Die Mitglieder entscheiden in parlamentarischer und öffentlicher Sitzung über die Verwendung der Spendengelder. Anträge stellen können dabei alle Projekte, die ihren Sitz im Gebiet des Spendenparlaments haben. Einige Parlamente beschränken ihre Spendenzwecke auch auf bestimmte Bereiche.

Vorreiter ist Hamburg. Das größte Spendenparlament Deutschlands wurde 1995 aus der Taufe gehoben. Alle anderen Spendenparlamente orientierten sich mehr oder minder am Hamburger Modell. Seit seiner ersten Parlamentssitzung im Februar 1996 hat das Hamburger Spendenparlament mehr als 1.200 Projekte mit mehr als 11 Millionen Euro unterstützt. Das sind über ein halbe Million Euro jährlich. Der Fokus der Hilfe hat sich dabei verschoben. War es in den 1990er Jahren noch fast ausschließlich das Thema Obdachlosigkeit werden heute Projekte in Hamburg gefördert, die sich mindestens gegen einen der sozialen Missstände Obdachlosigkeit, Armut oder Isolation wenden. Das ist ein relativ weites Feld für Projektanträge. Gründer des Hamburger Spendenparlaments war übrigens kein Spender, sondern der damalige Leiter des Diakonischen Werks Hamburg, Dr. Stephan Reimers. Heute ist Reimers im Ruhestand und Vorstandsvorsitzender von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste.


Klein tut‘s auch

Auch im benachbarten Reinbek gründete sich ein Spendenparlament, das bis heute existiert und jedes Jahr Gelder ausschüttet. „Wir sind zwar nicht so groß wie das Parlament in Hamburg“, so Vorstandsmitglied Annemarie Reichert, „Aber klein tut‘s auch!“. Momentan sind 65 Parlamentarier Mitglied, die in der Regel 60 Euro oder mehr im Jahr bezahlen und damit stimmberechtigt sind. „Bei Jugendlichen oder Senioren gehen wir aber auch schon mal runter bis auf 12 Euro im Jahr“, so Reichert. Knapp über 10.000 Euro konnten das Reinbeker Parlament im Jahr 2017 an 11 Projekte in der Region verteilen. Auch der Bürgermeister gehört jetzt zum Parlament. „Das ist schon gut, wenn man solche Zugpferde hat. Deshalb konnte das 20-jährige Bestehen des Parlaments auch im Schloss Reinbek, was der Gemeinde gehört, zünftig und mietfrei begangen werden“, erzählt Reichert.


Verwaltungskosten gehen extra

Gelockt werden die Spender mit dem Versprechen, dass ihr Geld zu 100 Prozent an die Projekte geht und dass sie über die Spenden mitentscheiden. „Zu unserem Trägerverein gehören elf Mitglieder, die auch die Verwaltungskosten mit Ihren Beiträgen und ihrem ehrenamtlichen Engagement tragen“, erläutert Reichert weiter. Beim Hamburger Spendenparlament heißt es dazu, dass die Büroarbeit, Pressearbeit und Werbung von ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern und externen Dienstleistern unentgeltlich übernommen oder als zweckgebundene Spende separat eingeworben werden. Die Fixkosten des Parlaments (Porto, Buchhaltung) werden bisher von Förderern übernommen.


Jubiläumsjahr in Bonn

Das Bonner Spendenparlament gibt es jetzt seit zehn Jahren. Das Feld der geförderten Projekte ist hier breiter, weil sich auch Projekte bewerben dürfen, die Lebensbedingungen in Bonn „spürbar verbessern“. So wurden zum Beispiel auch eine Pflanzaktion von 500 Bäumen im Stadtwald in der Waldau unterstützt. „Die innovative Idee des demokratischen Spendens hat in Bonn eingeschlagen“, freut sich die 1. Vorsitzende des Bonner Spendenparlament e.V., Sibylle Becker. „Eine halbe Million Euro Spenden, Förderung von 171 sozialen Projekten, 18 Parlamentssitzungen in zehn Jahren. Das ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann!“ Und die Erfolgsgeschichte soll fortgeschrieben werden. Allein im Jubiläumsjahr 2018 werden weitere 60.000 Euro an Spendengeldern für neue Hilfsprojekte ausgeschüttet werden. Zu den Parlamentariern der Gründungszeit zählt Ralf Karabasz. Die Idee und vor allem der demokratische Ansatz der Initiative haben ihm gleich gefallen: „In den Parlamentssitzungen kann ich mitbestimmen, in welche Projekte die Spenden fließen.“

Bisher gibt es Spendenparlamente aber mehr im Norden als im Süden. Das Hamburger Parlament hat einen Überblick erstellt. Insgesamt ist es ein Modell, das Spender intensiv integriert und gerade in der Regionalentwicklung Impulse setzen kann. Immerhin hat es das Konzept auch schon über die Grenze Deutschlands geschafft. In Wien, Basel und Zürich kann über die eigenen Spenden abgestimmt werden.

(Bild: Bonner Spendenparlament)

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