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Deutscher Fundraising Kongress 2016 - Kein Aushängeschild mehr

Kompetente Beratung am Stand der Fundraising Akademie von Heike Sommer und Petra Buschkämper
Kompetente Beratung am Stand der Fundraising Akademie von Heike Sommer und Petra Buschkämper

Der 23. Deutsche Fundraising Kongress ist zu Ende. Die Fundraising Akademie kann ein positives Fazit ziehen, denn zu ihrem Empfang kamen gut 150 Teilnehmende. So viel wie nie zuvor. Für den Deutschen Fundraising Verband muss in Kassel 2017 vieles besser werden.

Von Matthias Daberstiel

Manchmal ist es ja nur ein Gefühl. In dem Fall das Gefühl, dass viele Kolleginnen und Kollegen aus Non-Profit-Organisationen zu Hause geblieben waren. Also schaut man ins Teilnehmerverzeichnis und beginnt zu zählen. Nach den ersten drei Seiten liegen die Non-Profit-Organisationen leicht vor den Dienstleistern: 123:99. Für einen Kongress, der sich auf die Fahne geschrieben hat „Fundraiserinnen und Fundraiser aus Non-Profit-Organisationen drei Tage lang zum Fachdialog“ zu versammeln, ist das doch recht übersichtlich. Mal weiterzählen.

Programm mit Höhen und Tiefen

In der Zwischenzeit ein Blick auf das Programm. Schwerpunkt waren Mailings und Online-Fundraising. Bei Mailing könnte man sagen: Nicht viel Neues. Der mit Spannung erwartete Beitrag zum Neuromarketing erwies sich leider eher als Flop. Bas van Breemen von Mindwize, einer Agentur aus den Niederlanden, nahm aller Zuversicht schon am Anfang den Wind aus den Segeln, als er ankündigte, sein Wissen aus einem Buch zu haben und über die Anwendungsmöglichkeiten sprechen zu wollen. Schade. Anders die Kollegen von sozialmarketing.de, die in einer Big Session vor etwa 320 Besuchern kurzweilig und unterhaltsam 30 Minuten durch die Zukunft des Online-Fundraising führten. Wer will, kann sich das auch nochmal ansehen. Spannend auch der Ausblick auf 2030 von Tom Neukirchen und Paul Dalby. Die Zukunft des Fundraisings liegt aus ihrer Sicht im Blick über den Tellerrand: etwa zu Investment, Nachhaltigkeit, Ökologie oder Energie. Eine Herangehensweise, die auch dem Kongress thematisch gut tun würde.

Randthemen spannender

Interessant dagegen sogenannte Randthemen, die Neues boten. So berichtete Sabrina Behm über das Konzept der „Stillen Auktion“ ihrer Agentur, mit dem sie bei den verschiedensten Charity-Veranstaltungen bis zu 30.000 Euro zusätzlich einnahm. Die Bieter geben dabei kein lautes Gebot ab, wie auf Auktionen üblich, sondern entscheiden sich für ein persönliches Höchstgebot für einen Artikel. Wer das meiste bietet, nimmt den Artikel mit nach Hause. Orientierung bietet dabei eine Broschüre, die auch den Mindestverkaufswert festlegt, über den man bieten muss. Oliver Reff von Amnesty International Deutschland stellte ein Spendenprojekt mit Jugendlichen per NFC-Technologie vor. Diese ermöglicht es, mit einem kleinen NFC-Chip, der schon für 5 Cent zu erhalten und über Apps programmierbar ist, Android-Handys, die diesen Chip berühren, auf mobile Landing-Pages zu führen und dort für eine Spende oder Aktion des Handybesitzers zu werben. Ehrlich sagte Reff, dass hohe Spenden damit noch nicht zu holen sind. Er wird das Thema aber weiterentwickeln, denn im ostasiatischen Raum sei das schon Standard, auch um zu bezahlen oder für vertiefende Informationen. Amnesty hatte den Chip in Plakaten und Postkarten verbaut und so die Aufmerksamkeit für das Thema Folter getestet.

Keynotes machen ratlos

Puh, das Zählen ist lästig. Es steht 176 zu 134 für die Non-Profits. Weiter mit der Kongresseröffnung und den Key-Notes. Eröffnet wurde der Kongress mit einer Runde von Menschen, die sich gerade mit der Flüchtlingsproblematik direkt oder indirekt auseinandersetzen. Die Frage „Freiwillige oder Profis – wer hilft den Flüchtlingen besser“ konnte dabei keiner der Anwesenden beantworten, weil sie so eben nicht steht. So kam es schnell zu Einigkeit auf dem Podium, dass Ehrenamtlichkeit professionelle Strukturen braucht. Und mehr war dann auch nicht zu sagen. Bis auf die flapsige Bemerkung von Malteser-Chef Dr. Constantin von Brandenstein-Zeppelin, der die steigende Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund durch die Aufforderung, mehr christliche Kinder zu zeugen, kompensieren wollte. Unter den Anwesenden sorgte das für Unmut, konnte aber auch nicht kommentiert werden, weil danach keine Fragen mehr möglich waren. Der Ehrenamtliche von Brandenstein-Zeppelin gab damit allerdings ein gutes Beispiel, warum Ehrenamtliche professionelle Strukturen und Führung benötigen.

Staatssekretärin enttäuscht

Völlig perplex war man nach dem Beitrag von Elke Ferner, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Als Verband soll der Deutsche Fundraising Verband Lobbyarbeit machen. Doch warum muss es dann gleich die Keynote für den Fundraising Kongress sein? Ferners Versuch, den Fundraisern ehrenamtliches Engagement näher zu bringen, war thematisch völlig verfehlt. Worthülsen, falsche Zahlen, Annahmen, wie das DZI genieße in der Bevölkerung hohe Glaubwürdigkeit, und Selbstlob über Programme, die gerade mal 500 Flüchtlinge als BUFDIS in eine sinnvolle Tätigkeit gebracht haben, waren alles, was sie zu bieten hatte. Nach dem sparsamen Applaus rauschte sie auch schon mit Verweis auf die Sitzungswoche im Bundestag von dannen. Fragen? Fehlanzeige. Hoffentlich konnte der Verband ein längeres Gespräch mit ihr führen.

Gregor Gysi versöhnt

272 Non-Profit-Organisationen, 233 Dienstleister, so lautet das Endergebnis plus 40 Teilnehmende aus Politik, Journalismus, Fundraising Verband und Studenten. Das war der Kongress. Ach ja, da war doch noch Gregor Gysi. Der Linke brachte in der Abschluss-Keynote das, was man von ihm erwarten konnte: Unterhaltsam, programmatisch bei seiner Partei und nicht frei von Spitzen gegen die große Koalition, sorgte er für einen versöhnlichen Abschluss des Kongresses. Allerdings konnten auch ihm keine Fragen gestellt werden. Als Profi steuerte er geschickt um das Thema herum, ob Steuern für ihn besser wären als Spenden. Dieses heiße Eisen fasste er nur kurz an: „Ich bin für Steuergerechtigkeit, nicht gegen Spenden, und könnte viele Fälle von Steuerverschwendung nennen.“ Ein klares Bekenntnis sieht anders aus.

Zukunft in Kassel

Der nächste Fundraising Kongress findet vom 3. bis 5. Mai 2017 in Kassel statt. Der „Weg in die Provinz“, wie ihn DFRV-Vorstandschef Dr. Martin Dodenhoeft bezeichnete, soll dabei aber ein Weg nach vorn sein. Denn in Kassel will man in der Mitte Deutschlands wieder attraktiver und auch erreichbarer werden. Man darf gespannt sein, ob den vollmundigen Ankündigungen auf der Website von „hochkarätigen Referenten“ und „internationalen Trends“ wirklich Taten folgen, die wieder mehr Fundraiserinnen und Fundraiser zum Austausch anzuziehen. Denn der Kongress 2016 bildete das deutsche Fundraising wahrlich nicht ab.

(Bild: Matthias Daberstiel)

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Kommentar von Jo Klemens |

Sehr guter Beitrag: Kritische Töne werden ja im allgemeinen nicht so sehr geschätzt, da wünschte ich mir, dass der Kommentar zum Nachdenken führt. Mich beschleicht, ob der inhaltlichen Qualität und des auch von mir empfundenen Stillstand, dass eventuell ein Zusammenhang mit der Möglichkeit über Referententickets teilzunehmen zum Stillstand beiträgt!? Aber - mangels Alternativen beim "Call-for-papers" vielleicht auch erklärbar. Etwas mehr Qualität würde dem Kongress sicher gut tun. Und wenn schon Schwerpunkte gesetzt werden, wie in diesem Jahr das Thema "Mailing", dann gehört dazu auch eine Keynote!

Kommentar von Isabel Korch |

Guten Tag! Ich war leider nicht anwesend, kann also nichts zum inhaltlichen Geschehen sagen. Wohl aber, warum ich nicht da war. Viele NGOs, aber auch einfach nur gemeinnützige Vereine können sich den Kongresspreis nicht leisten. Hier wäre ein Sicht auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis interessant: Was kostet der Kongress in der Durchführung? Wie erreiche ich interessierte Fundraiser? Vielleicht alles etwas kleiner, dafür mehr Teilnehmer?

Kommentar von Carsten Direske |

... könnte es sein, dass eine Art Ermüdung eingetreten ist? Vielleicht dann mal etwas stärkere Veränderungen probieren? Z.B. im Fundraisingverband, im Umkreis der Fundraising Akademie und natürlich unter sämtlichen bisherigen Teilnehmenden der letzten Jahre per Umfrage rausfinden, welche Themen gewünscht sind, die Favoriten wählen lassen und zu den drei Top-Themen dann etwas kürzere z.B. zweitägige Formate oder Themenstränge innerhalb des Kongresses anbieten, ggf. auch stärker selbstorganisierte Formate probieren wie Barcamps o.ä.? Ggf. diese auch mit "Schnupperticket" ermöglichen, so dass weniger finanzkräftige Organisationen und auch Einzelpersonen & Einsteiger/innen sich die Teilnahme leisten können.
Beste Grüße und viel Erfolg

Kommentar von Martin Dodenhoeft |

Das Lesen dieses Artikels macht mir wenig Freude. Sehr viele haben am Kongress mitgewirkt, die jetzt freilich ihre Beiträge, ihre eigene Leistung anders bewertet sehen als sie es selbst sehen (möchten).

Nehmen wir das mal als Konter für eine "wieder mal zu harmonische" Mitgliederversammlung und, ganz ernsthaft, als Herausforderung für 2017.

Antwort von Matthias Daberstiel

Lieber Dr. Martin Dodenhoeft,

keinesfalls sollte dieser Beitrag die Organisationsleistung des DFRV oder von Kaiserwetter/WOK schmälern. Das war sehr gut organisiert. Mir ging es um die Balance und um den Anspruch den der Kongress für 2017 hoffentlich wieder formuliert: Die Deutsche Fundraisingszene abzubilden. Da war 2016 viel Luft nach oben.

Als Mitglied des Fundraisingverandes kann ich nur sagen, das ich harmonischen Mitgliederversammlungen, die straff geführt sind, durchaus viel abgewinnen kann.

Kommentar von Judith Freund |

Auch ich freue mich über den kritischen Artikel und kann mich den bisherigen Kommentatoren nur anschließen: Für kleinere aber trotzdem mit professionellen Hauptamtlichen arbeitenden Organisationen ist der Kongress schlicht zu teuer - und für mich als Privatperson erst recht. Da finde ich auch den Erlass für Mitglieder viel zu gering.

Kommentar von Klaus Heil |

Ganz neu ist die Klage über Mängel des Fundraisingkongresses nicht. Aber was in diesem Jahr auffällt, ist die vielfältige Wahrnehmung eines langweiligen mainstreams. Eben mehr vom Gleichen - und dass das unglücklich macht, ist ja bekannt. Die blinden Flecken des organisierten Fundraisings mit Fundraisingverband und Akademie werden immer deutlicher gespürt. Die Ausleuchtung gelingt schwerlich, das liegt in der Natur blinder Flecke. So bleiben "randständige" (was ist das?) highlights immer zufällig. Der Kongress soll ja auch stark divergierende Wünsche erfüllen: Geld für den Verband bringen, aber neue Impulse zulassen. Die dürfen aber den mainstream nicht erschrecken, sonst geht die Kalkulation nicht auf. An dieser Stelle wünsche ich uns allen den Mut, Freiräume für Ungewöhnliches zuzulassen. Auch wenn das eine oder andere bekannte Geschäftsmodell dabei Schrammen kriegt.

Kommentar von Ulrich Wilk |

Sehr schöner pointierter und kurzweiliger Artikel. Besonders gefallen hat mir: "Der Ehrenamtliche (...) gab damit allerdings ein gutes Beispiel, warum Ehrenamtliche professionelle Strukturen und Führung benötigen." In der Tat. Wer wie ich einerseits im Fundraising professionell arbeitet, andererseits in der Freizeit noch einen gemeinnützigen Verein mit als Vorstand betreut, kann davon ein Lied singen. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, welchen Bildungsgrad Ehrenamtliche haben.

Kommentar von Reinhard Greulich |

Vielleicht haben es ja nicht alle mitbekommen, aber schon seit dem letzten Kongress gibt es eine recht weit gehende Mitgliederbeteiligung bei der inhaltlichen Gestaltung, in diesem Jahr erweitert durch ein Voting, an dem prinzipiell alle teilnehmen konnten, die daran interessiert waren (Einschränkung: nicht für Themenfelder, in dem ein eigener Beitrag eingereicht ist). Die Ergebnisse dieses Votings haben das Programm wesentlich mitgestaltet. Um hier mehr steuern zu können, müsste also wieder weniger Mitgliederbeteiligung stattfinden, das wäre aber das Gegenteil von dem, was einige Kommentare hier fordern. Schwierig. Ich denke, die das Programm Gestaltenden werden das prüfen, wenn auch die Feedbackbögen ausgewertet sind.

Kurz zu den Kongresspreisen: wir wollen und wir werden mit dem Kongress nicht in Konkurrenz gehen zu den Fundraisingtagen und den Fachtagen. Das gilt für das dreitägige Format und auch für das Preissegment, in dem das stattfindet. Die Fundraisingszene ist nicht groß genug, dass Konkurrenzverhalten sich nicht auswirkt und ich denke, dass es im Interesse aller Fundraiserinnen und Fundraiser ist, hier ein breites Angebot zu erhalten - trotz des begrenzten Marktes.

Noch ein Wort zu den Gewinnerwartungen des Verbandes. Wer den Jahresbericht liest, erfährt auf den Cent genau, wie groß dieser Gewinn ist - er ist kleiner als manche es sich vielleicht vorstellen. Aber selbst wenn er größer wäre: als gemeinnütziger Verein ist der DFRV gehalten, Gewinne im ideellen Bereich wieder einzusetzen und genau das geschieht. Mit solchen Einnahmen wird es möglich, die Regionalgruppen besser zu betreuen, Fachtage zu veranstalten und für die Mitglieder ansprechbar zu sein - da werden nirgends Gewinne angehäuft. Auch hier hilft der Blick in den aktuellen Jahresbericht: gerade mal gut eintausend Euro betrug der Überschuss im vergangenen Jahr. Da der DFRV als Veranstalter die finanziellen Risiken komplett zu tragen hat, geht das nur mit einer angemessenen Rücklage. DIe ist indessen immer noch knapp, aber es sind ja alle optimistisch.

Kommentar von Tyark Thumann |

Was ist wichtiger: viel Neues oder viel Relevantes? Jahrelang wurde prophezeit, dass morgen alle Spender online spenden. Und es wurde viel Neues präsentiert. Inzwischen sind Viele zu der Erkenntnis gelangt, dass das "Ende der Mailings" so wenig nahe ist wie das "Ende der Kinos" und das "Ende der Bücher".
Mach 20 Jahren als Mailing-Konzeptioner habe ich zu diesem Thema nicht viel Neues erwartet, sondern viel Relevantes. Am Mittwoch habe ich einen Workshop mit acht Referenten besucht, der relevant, gut präsentiert und sehr kurzweilig war.Ich hatte auf einen guten und differenzierten Grundlagen-Workshop gehofft, zum dem mein eigenes Seminar als Fortsetzung passt. Meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt.
Nach 37 Fundraisingkongressen habe ich den Eindruck, dass das "Neue" vor allem in den Nuancen zu finden ist. Relevanter als das Neue ist oft die Qualität. Manchmal ist die Qualität das Neue. Relevant erscheint mir nicht zuletzt das Vergleichen von Erkenntnissen. Denn auch die Kunst, Spender besser zu verstehen, hat kein Ende :-)