AKTUELLE DEBATTE

Syrien – Berichterstattung kontert Spendenaufrufe

Islamic Relief Syrien

Seit zwei Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien und es ist kein Ende in Sicht. Das Thema ist in den Medien zwar immer präsent, aber die Spendenbereitschaft für das Thema ist eher gering, trotz vieler Spendenaufrufe. Die Krise ist zu undurchsichtig für die Spender. Bilder allein helfen nicht, es müssen die richtigen sein.

Spendenorganisationen, die vor Ort sind, beklagen, dass in der Medienberichterstattung zu Syrien die humanitäre Katastrophe nur einseitig wiedergeben wird. Aktuell herrscht die Wahrnehmung über viel Streit um Waffenlieferungen vor, aber es gibt wenig Einblicke in das Leben zwischen und hinter den Fronten. Der Zustrom von einer Million Flüchtlingen setzt die Hilfsorganisationen gewaltig unter Druck. „Menschliche Anteilnahme und gebündelte Hilfe sind mehr denn je nötig in dieser komplexen Krise, in der das Leid täglich zunimmt“, erklärt Manuela Roßbach, Geschäftsführerin von Aktion Deutschland Hilft (ADH). Geld von öffentlichen Gebern fließe allerdings nur kurzfristig und zu unflexibel, um die Hilfsmaßnahmen dem wachsenden Bedarf anzupassen.

Doch Bedarfslücken durch Spenden zu lindern, ist wegen der bisher geringen Spendenbereitschaft fast nicht möglich. Nach Einschätzung Oxfam Deutschlands fehlen zum Beispiel in Jordanien 152 Mio. Euro zur Versorgung der Flüchtlinge in den Camps und in den Gastfamilien bis Juni 2013. „Wir müssen diese Flüchtlinge gezielt unterstützen, damit die gastgebenden Länder nicht unter der Last zusammenbrechen“, so Marion Lieser, Geschäftsführerin Oxfam Deutschland. „Daher bitten wir dringend um Spenden. Ich weiß, dass weltweit häufiger in der Folge von Naturkatastrophen gespendet wird, als für die Nothilfe in Kriegs- oder Konfliktsituationen. Doch wir müssen alles tun, um den Menschen zu helfen, die unverschuldet um ihre Existenz gebracht wurden.“ Dass sich Menschen beim Thema Bürgerkrieg zurückhalten, merkt auch Manuela Roßbach von ADH hilft. „Fünf Tage nach dem Erdbeben in Haiti hatten wir zum Beispiel bereits zwei Millionen Euro Spenden, fünf Tage nach Ausrufung unseres Einsatzes für Syrien noch keine 60.000 Euro. Heute, nach einem dreiviertel Jahr, haben wir fast eine Million Spenden zusammen. In Anbetracht von etwa fünf Millionen Menschen innerhalb Syriens und einer Million Flüchtlinge außerhalb, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, ist das natürlich recht wenig.“ Doch ADH gibt nicht auf und wird deshalb im Mai einen „Tag für Syrien“ ausrufen und nochmal auf die Notwendigkeit von Spenden aufmerksam machen.

Auch das Kinderhilfswerk UNICEF macht keine große Spendenbereitschaft aus. Rudi Tarneden, Pressesprecher von UNICEF bemängelt, dass es kaum unabhängige Medienberichte gibt und dass die Hilfe, die stattfindet für die Menschen in Deutschland nicht wirklich sichtbar wird. „Es handelt sich um eine unübersichtliche von Menschen gemachte Krise, in der eine Gegenüberstellung von Gut und Böse nicht so einfach möglich ist“, begründet er das zögerliche Spendenverhalten. Medien könnten aber dazu beitragen, die Situation zu verbessern. „Aus der Sicht der Hilfsorganisationen wäre es gut, wenn auch über die Möglichkeiten und Probleme der Hilfe informiert werden würde. Allerdings müssen Hilfsorganisationen selbst oftmals ,low profile‘ arbeiten, um ihren Einsatz und die Mitarbeiter nicht zu gefährden“, erläutert er. Mitarbeiter in UNICEF-Westen vor Ort sind also ein No-Go. Meldungen, wie die von SOS-Kinderdörfer weltweit, dass beide Seiten zunehmend Kindersoldaten rekrutieren, machen das Dilemma Syriens deutlich. Schätzungsweise 5000 Kinder werden laut SOS als Kämpfer missbraucht. Kein gutes Argument für mehr Spenden.

Kinder vor einer Ruine in DamaskusEtwas positiver bewertet die Grassroot-Organisation „Adopt a revolution“ ihre Erfahrungen mit ihren Förderern. Aktuell teilte sie mit, das seit Anfang des Jahres 1.300 Revolutionspaten über 100.000 € für die syrische Demokratiebewegung spendeten. Das Projekt kann damit die Arbeit von 30 Untergrundkomitees für drei Monate mit monatlich bis zu 1.000 € finanziell unterstützen. Die geförderten Koordinierungskomitees organisieren den unbewaffneten Aufstand in Syrien. Finanziert werden Internetanschlüsse und Digitalkameras zur Dokumentation der Proteste sowie geheime Wohnungen für verfolgte Aktivisten.

„Die Aktivistinnen und Aktivisten in Syrien sind bei ihrem unbewaffneten Widerstand von der Welt im letzten Jahr weitgehend im Stich gelassen worden“, beklagt Ferhad Ahma, Mitglied im Beirat von Adopt a Revolution. „Das Geld aus der deutschen Zivilgesellschaft für Syrien hat deshalb für uns einen doppelten Wert: Zum einen hilft es den Koordinierungskomitees, ihre Arbeit für Demokratie und den unbewaffneten Widerstand fortzusetzen, zum anderen zeigt es uns Syrern, dass wir mit unserem Aufstand gegen die Assad-Diktatur nicht alleine gelassen werden.“ Um noch mehr Komitees zu unterstützen, startet ein erster Ableger des Projekts in den Niederlanden gemeinsam mit dem dortigen Partner IKV Pax Christi.

 

(Fotos: Islamic Relief Syrien, Carole Alfarah)

Zurück

Einen Kommentar schreiben