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Geldauflagenmarketing: über diese Hürden geht's zur Zielgeraden

In 320.000 Gerichts- und Ermittlungsverfahren werden derzeit Geldauflagen festgesetzt – umgangssprachlich Bußgelder genannt. Richter und Staatsanwälte verteilen etwa 120 Millionen Euro pro Jahr an gemeinnützige Organisationen. Die Konkurrenz ist groß: etwa 500.000 Vereine und 15.000 Stiftungen gibt es laut Schätzung der Bundesregierung in Deutschland. Bis zu 15 Mailings erhalten Richter und Staatsanwälte Tag für Tag. Das Bußgeldmarketing kursiert schon lange nicht mehr als Geheimtipp in der Fundraiser-Szene. Und doch lohnt es sich dieses Fundraising-Feld zu beackern, das WIE ist allerdings entscheidend.

1. Hürde: Einnahmerückgänge und Übersättigung der Zielgruppe

Inzwischen klagen einzelne Organisationen über teilweise drastische Einnahmen-Rückgänge aus Geldauflagen. Der Grund: Vor allem kleinere und regional tätige Organisationen bewerben sich zunehmend um das gleichbleibende Volumen der bundesweit festgesetzten Geldauflagen. Richtig ist, dass die Bußgelder keiner Organisation mehr in den Schoß fallen. Zunehmend reagieren die Behördenleitungen verärgert auf eine Mailingflut, deren Kriterium zunehmend „Masse statt Klasse“ heißt. Die Folge: Einige Gerichtsdirektoren und leitende Staatsanwälte lehnen inzwischen jegliche Kontaktaufnahme in Mailingform ab.

Gefragt ist also dringend eine Professionalisierung des Geldauflagen-Marketings. Die Qualitätsansprüche an die Werbeträger sind entsprechend hoch. Nur wer im Anschreiben „den richtigen Ton trifft“ und sich bei der Gestaltung der Geldauflagenmailings von der tristen Masse abhebt, hat überhaupt eine Chance, wahrgenommen zu werden. Die richtigen Formulierungen und eine anspruchsvolle Gestaltung des Mailings führen dazu, dass der Bewerber seriös und vertrauenswürdig erscheint. Damit ist die erste Hürde genommen.

2. Hürde: Neue Vorgaben der Länder und Kommunen

Die klammen Kassen von Bund, Ländern und Kommunen machen sich auch bei den Vorgaben für die Zuweisung von Geldauflagen bemerkbar. Immer mehr Richter und Staatsanwälte werden angewiesen, nur noch justiznahen, regionalen und gemeinnützigen Körperschaften Bußgelder zuzuweisen. So soll die zurückgehende staatliche Subventionierung zum Teil aufgefangen werden.

So wurden nach Auskunft der Berliner Stragerichte im Jahr 2011 in Ermittlungs- und Strafverfahren sowie aus Anlass von Begnadigungen, Gelauflagen in Höhe von insgesamt 4.992.237,84 € erteilt. Davon entfielen 3.396.147,84€ auf die Kosteneinziehungsstelle der Justiz (also die Staatskasse). 120.146,00€ landeten im Sammelfonds der Berliner Justiz für Geldauflagen.

Eine von der Agentur Pro Bono im Jahr 2010 durchgeführte Studie zu Motiven und Kriterien für Zuweisungen zeigte, dass 87 Prozent der befragten Staatsanwälte und Richter bei der Zuweisung von Geldauflagen auf den lokalen Bezug der Organisation im Gerichtsbezirk Wert legen. Auch der Zusammenhang zwischen Delikt und Thema einer NGO ist immerhin zu 71 Prozent ausschlaggebend für eine Zuweisung. Immerhin 61 Prozent der Befragten weisen NGOs wegen eines Deliktbezuges Geldauflagen zu.

Bei der Planung des Geldauflagenmarketings empfiehlt es sich für NGOs, insbesondere auf eine passende Auswahl der Themen zu achten. Mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit am rechten Ort, so lautet die Devise.

Melanie Zeppenfeld, verantwortlich für das Geldauflagen-Marketing beim Deutschen Kinderhospizverein e.V., sagt: „Wir sind dankbar für die Zuweisung von Geldauflagen, da sie für unsere förderungs- und unterstützungsabhängige Arbeit sehr wertvoll sind." Sie rät anderen NGOs: „Um erfolgreich Geldauflagen zu erhalten, sollte man unserer Erfahrung nach sehr strukturiert, transparent und systematisch vorgehen. Daher bevorzugen wir im Geldauflagenmarketing eine gezielte Kontaktaufnahme zu den Richtern und Staatsanwälten, um sie konkret über unsere Arbeit zu informieren. Das setzt voraus, dass man sich mit der Zielgruppe der Zuweiser sehr genau auseinandersetzt und Mailings gezielt einsetzt. Der Aufwand für ein erfolgreiches Geldauflagenmarketing ist nicht zu unterschätzen. Es lohnt sich also, professionell vorzugehen.“ 

3. Hürde: eine schwer erreichbare Zielgruppe

Am schwierigsten ist, wie bei allen anderen Zielgruppen auch, die Kontaktaufnahme zu den zuweisenden Richtern und Staatsanwälten. An vielen Gerichten wird die schriftliche Kontaktaufnahme durch Mailings von der Behördenleitung strikt abgelehnt. Auch telefonisch kann man sich ab und an eine Abfuhr einhandeln. Befragt man die Zielgruppe selbst, gehen die Meinungen stark auseinander. Immerhin steht ein Viertel der Befragten Richter und Staatsanwälte der Kontaktaufnahme in Form von Briefen oder persönlichen Kontakten offen gegenüber. Wichtig ist eine transparente und glaubwürdige Kommunikation, die ein seriöses Erscheinungsbild der Organisation entstehen lässt. Und sicherlich lohnt es sich auch, die Mitglieder- und Spenderdatenbank nach Richtern und Staatsanwälten zu durchforsten und diese gezielt anzusprechen.

Dr. Tobias Kaehne, Pressesprecher am Berliner Strafgericht sagt: „Organisationen, die von Berliner Strafgerichten Geldauflagen erhalten wollen, müssen sich in eine beim Amtsgericht Tiergarten geführte Liste aufnehmen lassen. Die Kontaktaufnahme der Organisationen zu den Richterinnen und Richtern kann dann schriftlich, per E-Mail oder durch ein persönliches Gespräch erfolgen, wobei allerdings beachtet werden sollte, dass die Konkurrenz sehr groß ist. Die Richterschaft wird regelmäßig in umfangreichster Weise mit Werbung von dirversen gemeinnützigen Organisationen versorgt, so dass es kaum möglich ist, sich mit jeder einzelnen Organisation inhaltlich auseinanderzusetzen."

Ihre Checkliste für Geldauflagen-Marketing:
1. Wählen Sie Themen mit einem regionalen und justizrelevanten Bezug, insbesondere bei überregionalen und internationalen Projekten
2. Betreiben Sie ein sorgfältiges und qualitätsbewusstes Marketing mit professionell aufbereiteten Materialien.
3. Achten Sie bei der Vorstellung Ihrer NGO auf Seriosität und Glaubwürdigkeit.
4. Bleiben Sie bei der Darstellung der Projekte bei Indizien, Fakten und Daten. Grenzen Sie sich von der emotionalen Spender-Kommunikation ab.

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