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NGOs fürchten No-Deal-Brexit

Wohin geht die Reise mit dem Brexit? Die Unsicherheit unter NGOs ist groß.
Wohin geht die Reise mit dem Brexit? Die Unsicherheit unter NGOs ist groß.

Genervt! So ist wohl die Reaktion vieler Europäer auf das Dauerthema Brexit. Fakt ist, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU auch NGOs in vielen Bereichen betreffen und wesentliche Veränderungen mit sich bringen wird. Von den Kosten ganz zu Schweigen.

von Matthias Daberstiel

Seit zwei Jahren wird der BREXIT diskutiert und verhandelt. Viele Informationen schwirren durch die Welt. Auch etliche, die Non-Profit-Organisationen betreffen. Fakt ist bisher nur eins: Ein No-Deal Brexit kann NGOs in Deutschland und der EU hart treffen, denn kaum etwas ist klar geregelt.


Englische Organisationen zahlen dann Steuern

Mitte 2018 beantwortete die Bundesregierung eine parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler. Darin macht sie klar, dass im Fall des Brexits gemeinnützige Organisationen aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr von der Freistellung von der Körperschaftsteuer profitieren werden. Ehrenamtlich Beschäftigte solcher Organisationen erhalten keine steuerfreie Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale mehr. Spender dürfte das aber nicht tangieren, da der Bundesfinanzhof keinen Unterscheid zwischen einem EU-Land oder dem sonstigen Ausland macht. Alles außerhalb Deutschlands gilt als Ausland, und nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (Aktenzeichen X R 7/13) kann eine Auslandsspende nur steuerlich geltend gemacht werden, wenn der ausländische Spendenempfänger dem deutschen Gemeinnützigkeitsstandard genügt. Dieser Nachweis ist und bleibt schwer zu führen.


Entwicklungszusammenarbeit ohne Einschnitte?

Großbritannien galt in der EU-Entwicklungspolitik als Agenda-Setter. Als alte Kolonialmacht übernahm es diese Verantwortung, doch nun steht in Frage, wer diese Rolle ausfüllen soll. So sagte Dr. Pedro Morazán vom Institut Südwind bei der Veranstaltung Bonner-Impulse Ende Februar: „Großbritannien ist einer der vier wichtigsten Akteure in der europäischen Entwicklungspolitik. Der Brexit wird daher merklich Folgen für die Zukunft der globalen Rolle der EU haben.“ Doch damit nicht genug. Auch finanziell wird sich wohl einiges in der EU-Entwicklungspolitik ändern. Der Brexit hinterlässt in den zentralen Entwicklungsinstrumenten wie dem Europäischen Entwicklungsfonds EDF und dem Instrument für Entwicklungszusammenarbeit DCI ein enormes Haushaltsloch von mehr als einer Milliarde Euro. Die Briten hatten sich zwar verpflichtet, bis 2020 ihren EU-Beitrag zu zahlen, aber ein harter Brexit könnte zu einem Zahlungsstopp Großbritanniens führen. Dann droht ein immenses Haushaltsloch, das durch die anderen großen Einzahler wie Deutschland und Frankreich gestopft werden müsste.


Briten befürchten das Schlimmste

Es gibt zwar bisher ein Bekenntnis der EU, den Etat stabil zu halten, aber die Gefahr des harten Brexits steht. Sie wäre auch für die britischen Organisationen dramatisch. Denn dann würde die zweijährige Übergangsfrist wegfallen, und sie würden sofort von der EU-Finanzierung abgeschnitten. „Die Abstimmung des Parlaments kann sich auf die von der EU finanzierten humanitären Programme der Entwicklungszusammenarbeit in Großbritannien auswirken und zur Unterbrechung der wichtigen und lebensrettenden Arbeit des Department for International Development (DFID) führen“, sagte Claire Godfrey, Leiterin Politik und Kampagnen bei Bond, dem britischen Hilfsnetzwerk gemeinnütziger Organisationen. Das Department koordiniert die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern. „Sowohl die britische Regierung als auch die EU müssen der Zivilgesellschaft hier in Großbritannien, der EU und den Entwicklungsländern zuhören, um sicherzustellen, dass jede Änderung des Status des Vereinigten Königreichs die Ärmsten nicht negativ beeinflusst“, fügte sie warnend hinzu. Einige NGOs eröffnen deshalb bereits Büros in anderen Teilen der EU, um weiterhin Zugang zu Finanzmitteln zu haben. „Es bleibt eine erhebliche Unsicherheit, und wir werden nicht wissen, wie die zukünftige Partnerschaft zwischen Großbritannien und der EU im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit aussehen wird, bis die Beziehungen in einem Rücktrittsvertrag ausgehandelt sind“, erklärte Godfrey gegenüber devex, einer Medienplattform für Entwicklungsdienste.

Viel Hoffnung besteht aber nicht. Gerade erst beendete der entwicklungspolitische Arm der EU ECHO die Zusammenarbeit mit zehn Schweizer Organisationen mit der Begründung, ECHO könne ab dem 1. Januar 2019 keine neuen humanitären Maßnahmen mehr finanzieren, wenn eine Nichtregierungsorganisation aus Drittstaaten der Hauptpartner sei. Das würde dann auch auf Großbritanniens NGOs im No-Deal-Szenario zutreffen.


Charity-Shops vor dem Aus

Noch stärker trifft es Organisationen, die auch Handelsbeziehungen haben. Die britischen Charity-Shops fürchten gar um ihre Existenz, wie in einem Beitrag von Third Sector zu lesen ist, denn das Sicherheitskennzeichen der EU – das CE-Kennzeichen, soll im Fall eines No-Deal-Brexits durch ein britisches System ersetzt werden. Charity-Shops sind aber zu 90 Prozent auf Sachspenden angewiesen, die aber meist Jahre im Besitz der Spender sind und noch das alte CE-Kennzeichen tragen dürften. Sie müssten dann mühsam umetikettiert oder dürften gar nicht mehr verkauft werden, befürchtet Greg Clark von der Charity Retail Association (CRA), dem Branchenverband der Charity-Shops. Viele haben auch Waren auf Lager. „Die Auswirkungen auf die Umwelt wären äußerst schädlich! Derzeit halten Wohltätigkeitsläden 327.000 Tonnen Textilien von Mülldeponien ab, indem sie stattdessen wiederverwendet oder recycelt werden. Wenn wir dies nicht mehr können, werden sie unweigerlich unter der Erde enden“, befürchtet Robin Osterley, CEO der CRA.

Alles in allem ist es vor allem die Ungewissheit, die den NGOs in Großbritannien und der EU zu schaffen macht. Fakt ist, alle Szenarien des Austritts sind für NGOs eine Beeinträchtigung und sicher auch mit nicht unerheblichen Anpassungskosten verbunden.

(Bild: Stefan Schweihofer/Pixabay)

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