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Nestbeschmutzer Face-to-Face?

Für die gute Sache auf der Straße
Für die gute Sache auf der Straße

Face-to-Face-Fundraising sorgt bei vielen Fundraiserinnen und Fundraiser durchaus für Stirnrunzeln. Eine Initiative will an der Qualität und dem Image der erfolgreichsten Fundraising-Methode arbeiten.

Wer aufmerksam Zeitungsberichte in den letzten Wochen verfolgt hat, wird auf einige Artikel gestoßen sein, welche die Methoden der Dialoger beim Face-To-Face-Fundraising aufs Korn nahmen. Dabei berichten Praktiker, dass die Beschwerden von Spenderinnen und Spendern viel geringer sind, als sie öffentlich dargestellt werden. Fakt ist, dass seit März wieder Dialoger in deutschen Fußgängerzonen stehen und es in der Spenderbetreuung deshalb auch Anfragen dazu gibt und dass Experten davon ausgehen, dass es sich bei dieser Methode um das aktuell erfolgreichste Fundraising-Instrument handelt.


Viele wollen ins Face-to-Face-Fundraising

Grund dafür ist, dass im Gegensatz zu manch geäußerter Skepsis, die so gewonnenen Mitgliedschaften und Patenschaften eine lange Haltefrist, sogar über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus haben. Viele Organisationen, welche die hohen Investitionen nicht scheuen, möchten gern in diesen Bereich, eben weil er so erfolgreich ist. Dialog-Agenturen haben aber kaum Kapazitäten für Neukunden, weil die Auswahl des Personals eine riesige Aufgabe ist. Von 100 Bewerbern bleiben oft nicht mal zehn Dialoger übrig. „Vor zehn Jahren mussten wir die Vereine noch überzeugen, Face-to-Face-Fundraising auszuprobieren. Heute müssen wir leider vielen Vereinen absagen“, fasst Nadine Sachse, früher selbst Fundraiserin und heute Prokuristin und Leiterin Personal und Qualitätsmanagement bei der Berliner Agentur talk2move, die Lage in Deutschland zusammen. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht.


Warnendes Beispiel

In Großbritannien zum Beispiel wurden 2016 über 700.000 Menschen als Dauerspender gewonnen. Doch dieses Ergebnis war das schlechteste seit 11 Jahren im Land mit dem höchsten Spendenaufkommen Europas. Grund ist die Diskussion um Olive Cooke, eine 92-Jährige, die ihren Selbstmord mit den vielen Spendenanfragen an sie begründete. Das schlug auch auf das Face-to-Face-Fundraising durch. Diese schlechte Presse brachte aber auch eine nötige Diskussion und Umstellung von Quantität zu Qualität in Großbritannien in Gang. Durch den hohen Wettbewerbsdruck hatten offenbar einige Agenturen auch die Qualität und Kontrolle vernachlässigt.


Qualitätsinitiative wird aktiv

Nicht nur diese internationalen Erfahrungen haben einige deutsche Non-Profit-Organisationen, wie der WWF, Oxfam und Amnesty bewogen, gemeinsam mit Dialogagenturen in die Offensive zu gehen. Nach langer interner Diskussion geht nun die Qualitätsinitiative Straßen- und Haustürwerbung e. V. mit Sitz in Berlin an die Öffentlichkeit. „Es nützt nichts, wenn nur die Organisationen Standards erarbeiten, die die ausführenden Partneragenturen nicht mittragen können“, so Ricarda Raths, Vorstandsvorsitzende des Vereins über den langen Weg bis heute. „Vielmehr muss es um einen genauen und gemeinsamen Blick auf die Wirklichkeit gehen, um realitätsgerechte Standards zu entwickeln“, so die Vorsitzende weiter. Das soll die Basis für eine erfolgreiche Arbeit sein.


Schwarze Schafe fliegen raus

Schaut man sich diese Standards genauer an, so stellen die Richtlinien für die Branche teilweise eine echte Herausforderung dar. So soll Face-To-Face bei jedem Kontakt „positiv wahrgenommen“ werden, oder: „Alle Mitarbeiter/innen werden angemessenen und leistungsgerecht vergütet.“ Die Mitglieder des Vereins sind sich bewusst, dass eine hundertprozentige Erfüllung der Leitideen von der Wirklichkeit immer wieder abweichen wird, so Dr. Thomas Röhr vom ROTE NASEN Deutschland e.V. in einem Fachbeitrag für die aktuelle Ausgabe des Fundraiser-Magazins. Um glaubwürdig die Branche zu vertreten geht der Verein in die Offensive. Schon länger gibt es eine externe Ombudsstelle, die auch durch Mitarbeiter die Qualität von Face-To-Face-Maßnahmen bei den Mitgliedern auf der Straße überprüft. Solche Mystery-Maßnahmen führen schnell zu belastbaren Ergebnissen. Harte Verstöße sollen zum Ausschluss des betreffenden Mitglieds führen, stellt der Verein klar. Hierfür wurde ein Sanktionskatalog mit klaren Regeln erstellt.


Mitglieder gesucht

Die Qualitätsinitiative will auch Lobbyarbeit für ein seriöses und qualitätsvolles Face-to-Face-Fundraising betreiben, das aus ihrer Sicht wirtschaftlich möglich ist. Nicht nur bei Organisationen und Dienstleistern, sondern zum Beispiel auch bei Behörden. Denn viele Städte haben aufgrund schlechter Erfahrungen mit rigidem Genehmigungsverhalten reagiert. „Das trifft alle in der Branche, auch die ehrbaren, und das ist nicht in Ordnung“, weist Franz Wissmann hin, Geschäftsführer von DialogDirect und Mitbegründer der Initiative. Deshalb ist man auch für weitere Mitglieder offen, die diesen Kurs unterstützen.

(Bild: WWF Deutschland)

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