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Hunger in Afrika – Dramatische Appelle

5,7 Millionen Menschen in Äthiopien benötigen dringend Nahrungsmittelhilfe.
5,7 Millionen Menschen in Äthiopien benötigen dringend Nahrungsmittelhilfe.

Hunger in Afrika, ein Bild, das mittlerweile gewohnt erscheint. Doch die aktuelle Situation ist dramatisch. Über 20 Millionen Menschen sind aktuell vom Hungertod bedroht. Die Kommunikation gegenüber den Spendern wird bei dem Thema nicht leichter.

von Matthias Daberstiel

Wissen Sie, was Live Aid ist? Sicher kennen die meisten die Benefizkonzerte mit internationalen Stars der Musikszene, initiiert von Bob Geldof. Das war 1985, und wenn man sich heute die Situation in Afrika anschaut, wird man das Gefühl nicht los, es hätte sich nichts verändert. Ein gefährlicher Gedanke, denn es hat sich einiges getan. Einige Länder aber werden auch dieses Jahr viele Hungertote zu beklagen haben.

Vorräte sind aufgebraucht

Aktuell sind bis zu 22 Millionen Menschen nach Aussage der UN vom Hungertod bedroht. Besonders in solchen Ländern wie Somalia, dem Südsudan und Jemen. Auch Äthiopien ist wieder betroffen. Geschätzt wird ein Hilfebedarf von mindestens zwei Milliarden Euro. Angefragt bei den Ländern der internationalen Gemeinschaft sind aber 4,4 Milliarden Euro. Kein Wunder, denn in den letzten Jahren kamen immer nur 50 - 60 Prozent der benötigten Gelder zusammen. Dass diese Hunger-Katastrophe auf uns zu kommt, ist schon lange bekannt. Die Spendenaufrufe an die Länder der internationalen Gemeinschaft stammen aus dem letzten Jahr. Aktuell sind aber erst 400 Millionen zusammengekommen. Dabei müsste jetzt dringend geholfen werden. „Schon seit zwei Jahren können die Menschen aufgrund der langanhaltenden Dürre nicht mehr ernten“, so MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Die Vorräte sind aufgebraucht.

Hilfe wird behindert

Spendenorganisationen können bei dem Ausmaß der Katastrophe nur bedingt helfen und werden sogar behindert. So berichtet Fabian Nolde, Projektleiter für Mali und den Südsudan der Organisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“ im Deutschlandfunk, dass nach der Ausrufung einer Hungersnot durch die UN, was in den letzten sechs Jahren nicht mehr vorgekommen ist, die Gebühren für eine Arbeitsberechtigung für internationale Helfer im Südsudan von 100 auf 10.000 Dollar heraufgesetzt wurde. Dieses Beispiel zeigt auch, wie eng das Thema Hunger mit dem Regierungshandeln in Afrika verbunden ist. So gab es bei der letzten Hungersnot 2010/2011 die meisten Toten in Somalia. Eine Viertel Million Menschen zahlte den Preis für Krieg und fehlende Regierungsverantwortung. Äthiopien, sicher kein Musterbeispiel für Demokratie, hatte dagegen fast keine Todesopfer zu beklagen, weil schneller geholfen werden konnte und auch Vorräte angelegt worden waren. Hilfsorganisationen befürchten, dass aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in den betroffenen Ländern die Zahl der Toten viel höher werden könnte und stellen aus ihren Nothilfe-Fonds bereits Mittel zur Verfügung.

Helfen, wo andere versagen

Die Hungerkrise ist zweifelsohne auch teilweise selbst verschuldet, und das sehen auch die Spender mittlerweile so. „Spendenaufrufe nach Naturkatastrophen sind einfacher, weil keine Menschen verantwortlich sind und es weniger politische Überlegungen gibt“, sagt beispielsweise Paul Stromberg vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gegenüber der Deutschen Presseagentur. Spender unterscheiden relativ genau, ob es sich um menschengemachte Krisen oder echte Notfälle handelt. So ist wohl auch der Spendenaufruf von Bundespräsident a.D. Horst Köhler, Schirmherr des Hilfsbündnisses „Aktion Deutschland Hilft“, für Afrika zu verstehen, der auf die Notlage hinweist. „Wir können Leben retten, wo alles andere versagt hat“, sagte Köhler.

Für die Hilfsorganisationen ist diese Krise ein echtes Problem. Ohne Spendenaufrufe ist das Thema kaum in das Bewusstsein der Menschen zu rücken. Doch diese Aufrufe zum Beispiel per Spendenbrief kosten Geld, und wenn nicht genügend Spenden zusammenkommen, könnte das die Werbekosten überdurchschnittlich steigen lassen. Zweifelsohne ein Dilemma. Deshalb wurde versucht, das Thema erstmal massiv über die Presse in die Medien zu bekommen, was durchaus gelang.

Mit Erfahrung vor Ort im Vorteil

Organisationen, die schon viele Jahre in Ostafrika aktiv sind, erleben durchaus positive Reaktionen auf ihre Spendenaufrufe. Die Stiftung Menschen für Menschen ist mit dem Ergebnis ihrer Spendenbriefaktion vor drei Wochen zufrieden. „Sicher, es könnte immer mehr sein, aber die Spender haben positiv auf unsere Nothilfebitte reagiert. Schließlich sind wir schon seit 35 Jahren in Äthiopien aktiv und eigentlich keine Nothilfeorganisation“, begründet Erich Jeske, Pressesprecher der Stiftung seinen positiven Eindruck. Er zeigte sich auch erfreut, dass für Äthiopien gespendet wurde, obwohl die Dürre dort wegen der dramatischen Situation in den von Bürgerkriegen geschüttelten Ländern wie Südsudan und Somalia nicht so stark im Fokus der Aufmerksamkeit steht.

Erfolge vermeldet der Hoffnungszeichen e.V. der seit vielen Jahren im Südsudan aktiv ist. Seit Beginn der verstärkten Medienberichte im Februar setzte der Verein auf Spendenbriefe und hat gerade eben sogar noch ein Mailing zur Neuspendergewinnung mit dem Thema Hunger im Südsudan gestartet. „Für unseren Teil freuen wir uns über eine deutlich erhöhte Resonanz auf unsere Spendenaufrufe seit Ende Februar. Die Spendeneingänge im März liegen fast 50 Prozent über den Erwartungen beziehungsweise Planungen für diesen Monat. Wir freuen uns über ein sehr erfolgreiches Spendermagazin und über ein überdurchschnittlich gutes Mailing an die Hausliste“, fasst Martin Hofmann, Referatsleiter Spenderbetreuung und Öffentlichkeitsarbeit, die Situation zusammen. Wie gut die Neuspenderwerbung mit dem Thema läuft, kann er aber noch nicht abschätzen.

Warten auf Regen

Perfide ist das scheinbare Warten von Ländern, die sich die Hilfe eigentlich leisten könnten, auf den April. Denn in dem Monat beginnt in Ostafrika normalerweise die Regenzeit. Die britische Regierung warf einigen Staaten sogar schon Versagen vor: „Wir haben bisher einige lächerliche Angebote von reichen europäischen Regierungen gesehen“, sagte der britische Minister für internationale Entwicklung, Andrew Mitchell. Doch der Regen würde nach zwei Jahren Dürre auch kaum Entspannung bringen, warnen Experten. Das Problem bleibt und die Befürchtungen sind sehr konkret, dass es viele Tote geben wird, wenn nicht der Zugang zu den Menschen gewährleistet wird und finanzielle Hilfe in großem Ausmaß nach Afrika fließt. Spendenorganisationen können da zwar schneller, aber niemals so massiv wie Staaten reagieren.

(Bild: obs/Die Stiftung Menschen für Menschen/Menschen für Menschen)

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