AKTUELLE DEBATTE

Ohne Porto geht es nicht

8-Cent-Briefmarke

Wer Anfang des Jahres die Spendenbescheinigungen fürs Jahr versandt hat, hat es wieder gemerkt: Die Portoerhöhung der Deutschen Post auf Standardbriefe führt für viele NGOs zu einer Gratwanderung zwischen nötiger Werbung und Verwaltungskosten. Die Politik ist gefordert, die Ungleichbehandlung zu Unternehmen abzustellen.

von Pascal Theuerkauf

Als 2013 die erste Portoerhöhung nach zehn Jahren kam, war das für viele gemeinnützige Organisationen schmerzlich. In ihrem Jahresbericht 2014 rechnete die Christoffel-Blindenmission damals Porto-Mehrkosten von 200.000 Euro im Jahr aus. Seit 1. Januar 2016 müssen Non-Profit-Organisationen nun eine erneute Erhöhung des Portos auf Standardsendungen von über 12 Prozent hinnehmen – und das nur ein Jahr nach dem letzten Preisaufschlag. Allein für den Standardbrief erhöhte die Deutsche Post AG die Entgelte zwischen 2013 und 2016 vier Mal: von 55 auf jetzt 70 Cent. Gleichzeitig schaffte sie den günstigen Infobrief ab. Bereits die Einführung der Umsatzsteuer auf Porto bedeutete für Hilfsorganisationen einen finanziellen Kraftakt. Sie hatte den einfachen Werbebrief um satte 13 Prozent verteuert.

Offensichtlich investierten viele Organisationen dann weniger in das Medium Brief. Belegbar ist das allerdings nicht, weil es keine offiziellen Zahlen mehr gibt, wie viele Spendenbriefe denn versandt werden. Doch in den letzten drei Jahren ging die durch den Spendenbrief angestoßenen Spenden deutlich zurück (siehe Bild). Nach Ansicht von Anja Raubinger, Geschäftsführerin der van Acken Fundraising GmbH, sind wohltätige Organisationen auf den Versand von Spenden- und Infobriefen sowie Mitglieder-Magazinen angewiesen. Denn nur gut informierte Spender sind bereit, zu helfen. Zum adressierten Spendenbrief gibt es aus ihrer Sicht bislang keine Alternative – eine Kürzung bei der Zahl der Mailings hätte erhebliche Spendenverluste zur Folge. Erst letztes Jahr stieg der Anteil der durch Spendenbriefe angestoßenen Spenden wieder deutlich an. Offensichtlich hatten viele Organisationen die Portoerhöhung 2016 um 8 Cent schon vor Augen.

Umsatzsteuer bleibt Hauptproblem

Steigende Portokosten müssen Hilfsorganisationen bei Projekten einsparen. Doch die Deutsche Post AG will keine differenzierten Konditionen anbieten. Die österreichische Post macht es dagegen vor: Gemeinnützige Organisationen erhalten mit der „Sponsoring-Post“ vergünstigte Versandbedingungen.

Ein größeres Problem ist aber die Umsatzsteuer. Der deutsche Fiskus erhebt auf den Preis der Dialogpost von 28 Cent noch 19 Prozent Umsatzsteuer, die Hilfsorganisationen als zusätzliche Kosten verbuchen müssen – anders als Wirtschaftsunternehmen. „In puncto Umsatzsteuer auf Porto ist der Versandhändler in Deutschland besser gestellt als das Kinderhilfswerk. Der Staat greift große Beträge für sich ab – zulasten der Spendenorganisationen“, kritisiert Anja Raubinger. „Gleichzeitig müssen diese immer mehr sozialstaatliche Aufgaben schultern, wie aktuell in der Flüchtlingshilfe.“ Da nützt es auch nichts, dass die Deutsche Post gerade eine Million Euro in die Flüchtlingshilfe steckt. Das ist, bezogen auf den Umsatz, den sie beispielsweise mit Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz oder Aktion Deutschland hilft macht, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Politik gefordert

Der Ball liegt bei der Umsatzsteuer im Feld der Politik. Andere europäische Länder greifen Hilfsorganisationen stärker unter die Arme. So gewährt Österreich ihnen eine Rückvergütung der Umsatzsteuer auf das Porto. In Großbritannien sind Non-Profit-Organisationen von der Umsatzsteuer gänzlich befreit. Doch auch auf dem Feld tut sich bisher nur wenig. Im Gegenteil, die Bunderegierung machte die Portoerhöhung erst möglich weil sie den „angemessenen Gewinnzuschlag“, den sie für das Porto einkalkuliert, künftig auch danach berechnet, was vergleichbare Unternehmen in anderen europäischen Ländern verdienen. Da die Preise dort noch höher sind, wird befürchtet, dass nach den drei Jahren Haltefrist weiteren Portoerhöhungen Tor und Tür geöffnet ist. Das ist umso ärgerlicher, wenn man weiß, dass der europäische Porto-Vergleich an vielen Stellen hinkt. So ist das Porto in Großbritannien deutlich teurer, deckt aber dann auch den Bereich bis 100 Gramm ab, also nicht nur den Kompaktbrief, sondern sogar Teile des deutschen Großbriefes für 1,45 Euro. Außerdem nutzen NGOs dort gern die Möglichkeit, ihre Standardbriefe als billigere „2nd class“, also zweiter Klasse zu verschicken.

Die Folgen steigender Verwaltungsausgaben sind für Hilfsbedürftige in aller Welt dramatisch, meint Anja Raubinger. Sie berichtet, dass eine Hilfsorganisation im vergangenen Jahr allein 48.000 Euro mehr Portokosten als 2014 verbuchte. Diese musste sie bei humanitären Projekten einsparen. Zugleich geraten wohltätige Organisationen wegen hoher Verwaltungsausgaben immer stärker unter Rechtfertigungsdruck. Das gefährdet das Vertrauen der Spender und führt zu sinkenden Spendeneinnahmen. Sogar das Spendensiegel stehe auf dem Spiel, befürchtet Raubinger, denn das DZI verlange, dass Non-Profit-Organisationen einen definierten Anteil für Verwaltungsausgaben nicht überschreiten.

Transparenz zahlt sich aus

Die Balance zwischen den Ausgaben für Spendenbriefe und Informationsschreiben und den damit einhergehenden Kosten zu halten ist für viele Hilfsorganisationen täglich Brot geworden. Denn auch die Aufwendungen für den Nachweis der Wirkung ihrer Arbeit steigen. Spender, die einer Organisation regelmäßig Geld oder sogar ihr Erbe überlassen, haben einen Anspruch darauf. „Spender erwarten transparente Organisationen sowie Auskunft über den genauen Spendenbedarf und die Verwendung der Mittel“, betont van Acken-Geschäftsführerin Raubinger. „Vertrauen ist die wichtigste Währung im Fundraising, und Offenheit zahlt sich aus. Durch sie gewinnt der Spendenmarkt an Glaubwürdigkeit – in der Öffentlichkeit und bei den treuen Spendern.“

Konsolidierung als Lösung?

Neu ist auch, dass die alte Infopost nun „dialogpost“ heißt. Damit war zwar keine Portoerhöhung verbunden, aber Experten beklagen bereits eine Leistungsverminderung. Der Fundraising-Verband geht in einer Mitglieder-Mail sogar von „einschneidenden Veränderungen“ aus. Klar ist bereits, dass die dialogpost nur noch Dienstag bis Freitags ausgesandt wird und sich nach ersten Erfahrungen auch die Zeit zwischen Postauflieferung und Zustellung verlängert. Besonders für Hilfsorganisationen, die bei Naturkatastrophen schnell mit Emergency-Mailings reagieren müssen, ist das negativ. Es gab aber auch eine positive Nachricht. Die Post hob die Rabatthöhe für konsolidierte Standardsendungen zum 01.01.2016 um fünf Prozentpunkte an. Dadurch wird die Vorsortierung von Standard-Briefen noch attraktiver. Leider ist die Rechnung wegen der Dienstleistungskosten und vor allem der Mehrwertsteuerthematik ein wenig kompliziert. Dr. Stefan Breuer, Geschäftsführer der MVG Medienproduktion Aachen, gibt aber an, im Ergebnis auch für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Absender wie NPO, Porto-Einsparungen von über 15 Prozent auf Standard-Sendungen erzielen zu können.

Massensendungen bevorzugt

Bei der Konsolidierung werden Massensendungen, wie zum Beispiel Spendenquittungen, Einladungen oder Rechnungen vorsortiert und gekennzeichnet, die wegen der geringeren Auflage oder inhaltlicher Gründe nicht als „dialogpost“ versandt werden können. Das spart der Post Zeit und damit Geld, was sie durch sogenannte Teilleistungsrabatte auf das Porto an die Kunden zurück gibt. Gebraucht wird dazu ein Lettershop, der maschinenlesbare Sendungen und Briefe mit Standard-Porto konsolidieren darf. Nach Breuer sollte man die Konsolidierung von Tagespost, wie es andere Unternehmen schon ab 250 Sendungen pro Abholung anbieten, genau prüfen. „Das ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll, etwa wenn es eine räumliche Nähe zwischen NPO und Lettershop gegeben ist.“ Seine Firma MVG konsolidiert Briefe verschiedener NPOs. „Dabei müssen sich die einzelnen NPOs um nichts kümmern. Das machen wir. Jede NPO erhält zum Ende des Folgemonats hin ihre Portogutschrift über alle Sendungen, die wir für sie im Vormonat konsolidiert haben. Der buchhalterische Aufwand, der dabei bei uns im Hintergrund läuft, ist für nicht-vorsteuerabzugsberechtigte NPOs relativ hoch. Aber das erledigen wir als Dienstleister. Die NPO erhält pro Monat einen einzigen Buchungsbeleg über eine Gutschrift und natürlich überweisen wir auch den Betrag.“ NPOs rät er, sich genau zu informieren, ob die Dienstleister auflagenabhängig oder -unabhängig Post konsolidieren. „Bei uns gelten zur Zeit keine Mindestmengen oder Rabattstaffeln, das heißt alle NPOs erhalten denselben hohen Rabatt unabhängig von ihren Sendungsmengen. Das kann bei anderen Dienstleistern allerdings durchaus anders gehandhabt werden“, erläutert Breuer. Auflagenabhängig bedeutet dann, je größer die Sendungen, desto größer der Rabatt und umgekehrt. Wer sich also etwas Zeit beim Versand von Standardsendungen, wie beispielsweise Zuwendungsbestätigungen lassen kann, sollte diese Angebote gut prüfen und eventuell auch den Anfall der regelmäßigen Post sinnvoll kalkulieren.

(Bild: Deutsche Post)

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