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Zwischen Seelsorge und Spendenwunsch

ASB Kriseninterventionsteam im Einsatz
ASB Kriseninterventionsteam im Einsatz

Der Flugzeugabsturz der Gemanwings-Maschine 4U9525 hat Deutschland hart getroffen. Auch Non-Profit-Organisationen informierten mit Pressemitteilungen über ihre Aktivitäten. Doch anders als bei Naturkatastrophen wird kaum um Spenden für die Notfallseelsorge oder Trauerbegleitung gebeten. Dabei ist diese Hilfe gerade enorm wichtig.

von Matthias Daberstiel

Journalistische Ethik war ein Thema vor Ostern. Nach dem Absturz der Gemanwings-Maschine 4U9525 lotete wieder das eine oder andere Presseorgan die Grenzen des Presse-Kodexes aus. Darin heißt es, dass Opfer von Katastrophen nicht durch Berichterstattung zu einem zweiten Mal zu Opfern werden dürfen. Viele Medien begründeten ihre Berichterstattung mit der Suche nach der Wahrheit. So wie Mathias Müller von Blumencron von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der sagte: „Wer es ernst meint mit seinem Job in dieser Branche, der hat die Pflicht zur Aufklärung. Aufklärung ist kein Dienst an der Mehrheit, sondern ein Dienst an der Wahrheit, selbst wenn sie manchmal unbequem oder noch nicht zu ertragen ist.“

Auch große Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz und der Arbeiter Samariter Bund (ASB) informierten die Medien über den Einsatz ihrer Kriseninterventionsteams vor Ort in Frankreich. Im Gegensatz zu den Medien beschränkten sie sich mit ihren Informationen in ihren Pressemitteilungen nur auf das Notwendigste und vermieden den Eindruck, die mediale Aufmerksamkeit nur im Entferntesten für die eigene Arbeit nutzen zu wollen. So durfte DRK-Präsident Rudolf Seiters etwa den Satz sagen: „Die Betreuung von Angehörigen von Opfern ist in den letzten Jahren ein wichtiges Aufgabenfeld für das DRK geworden.“ Selbstverständlich nachdem er seine tiefe Bestürzung über diese Katastrophe ausgedrückt und versichert hatte, „alles zu tun, um den Betroffenen zu helfen“. Auch der ASB vermied jeden Spendenbezug. Doch wer finanziert eigentlich die tägliche Arbeit der Notfallseelsorger? Wäre dies nicht der perfekte Zeitpunkt, um auf die Notwendigkeit von Spenden für diesen Bereich hinzuweisen? Bei Naturkatastrophen, wenn Nothelfer im Einsatz für die gute Sache sind, wird das auch getan. Beim Thema Notfallseelsorge gibt man sich aber scheinbar sehr gebremst.

Nur auf den ersten Blick verständlich findet das Joachim Müller-Lange, Kirchenrat und Fundraiser der Evangelischen Kirche im Rheinland und Gründer der Stiftung Notfallseelsorge. „In so einer akuten Situation wie bei dem Flugzeugabsturz für die allgemeine Notfallseelsorge um Spenden zu bitten, geht gar nicht, aber wenn eine Organisation konkret im Fall eines Unglücks vor Ort oder bei Betroffenen tätig wird, dann darf man schon aktiv bitten.“ Müller-Lange zieht die Pietätsgrenze recht einfach. „Erst wenn die Opfer beerdigt sind, kann öffentlich um Spenden gebeten werden.“ Im Vorfeld könnte aber schon bei den betroffenen Unternehmen, momentan also der Germanwings oder Banken und Sparkassen um Spenden für die konkret anstehende Trauerarbeit und langfristige Trauerbegleitung geworben werden. Werner Gutheil, Diözesanseelsorger für Trauernde im Bistum Fulda hat nicht so lange gewartet und bereits zwei Tage nach dem Unglück öffentlich um Spenden für die Notfallseelsorge gebeten. Allerdings nicht für seine seelsorgerische Tätigkeit, sondern für den Verein Lavia, der langfristige Trauerbegleitung betreibt und gerade in Haltern bei den Betroffenen des Flugzeugunglücks aktiv ist. „Ich habe den Förderverein Trauerarbeit e.V. in Hanau gebeten, aus seinen Mitgliedsbeiträgen und Spendengeldern einen kleinen finanziellen Beitrag von 500 Euro weiterzugeben. Wenn ich als Trauerseelsorger schon nicht vor Ort sein kann, wenn wir von der Trauerarbeit im Bistum Fulda kein Angebot machen können, dann wollen wir wenigstens helfen, dass Lavia diese Hilfe vor Ort leisten kann. Deshalb dieser Spendenaufruf.“ Gutheil hält es gerade in so einem Moment für wichtig, die Spätfolgen eines solchen Unglücks für die Betroffenen deutlich zu machen, und da kommen ihm die Medien mit ihrem hohen Interesse gerade recht. „Öffentlichkeitsarbeit ist gerade in so einem Fall sehr wichtig, denn ohne Medien können sie die Verkündigung vergessen. Glocken läuten kann doch jeder.“ Für ihn ist der Zeitpunkt deshalb genau richtig. „Ich habe da schon weiter gedacht. Jetzt bekommen wir die Aufmerksamkeit für das Thema Notfallseelsorge, aber wir müssen bereits an die Folgebegleitung denken, die auch finanziert werden muss und die Aufmerksamkeit für das Thema ist doch nach Ostern wieder vorbei.“

Auch Joachim Müller-Lange betont die Wichtigkeit der langfristigen Hilfe. „Wichtig ist es, nach der akuten Phase die Menschen in einer Schicksalsgemeinschaft aufzufangen.“ Die Stiftung Notfallseelsorge arbeitet deshalb gerade daran, Angehörigentreffen zu organisieren, und dafür müssen dann auch die notwendigen Gelder für die Therapeuten, Seelsorger oder auch die Hotelmiete für die Treffen zusammenkommen. Werner Gutheil sieht es deshalb als eine gute Idee an, kirchliche Einrichtungen zu bitten, ihre Häuser kostenfrei zur Verfügung zu stellen und so die Kosten für solche Angehörigentreffen zu reduzieren. Manchmal sind die daraus entstehenden Gruppen aber jahrelang auf Hilfe angewiesen. So begleiteten Kollegen der Stiftung zehn Jahre nach dem Tsunami noch Betroffene nach Thailand, um der Opfer zu gedenken. 20.000 Euro mussten dafür aufgebracht werden, was dank langjähiger Freunde und Förderer auch gelang. „Die Menschen wollen in solchen dramatischen Situationen auch spenden, wenn es konkrete Hilfsangebote gibt“, bestätigt Jutta Unruh von der Stiftung Notfallseelsorge „Wir hatten schon einige Anfragen, auch von Kirchgemeinden, die ganze Kollekten spenden wollen!“ Dafür ist Unruh auch sehr dankbar, denn die Trauerarbeit ist langfristig nötig. Sie rechnet in den nächsten Monaten für die Angehörigentreffen mit bis zu 50.000 Euro wegen der vielen deutschen Opfer. „Allein auf ein Opfer kommen mindestens zwei bis drei Angehörige. Zwar sei die Teilnahme freiwillig, aber aus ihrer Erfahrung sei das eine sehr realistische Summe, die nur durch bürgerschaftliche Engagement und Spenden aufgefangen werden könne. „Um darauf aufmerksam zu machen, wäre jetzt der beste Zeitpunkt“, bestätigt Unruh, „denn die eigentlichen Kosten kommen erst noch.“

(Bild: ASB)

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