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Heiligt der Zweck alle Mittel?

Hermann „Pascha“ Müller überreicht den Spendenscheck über 150.000 Euro auf der Jummimüüs Gala 2016 an Gerhard Pütz, Gründer des Vereins.
Hermann „Pascha“ Müller überreicht den Spendenscheck über 150.000 Euro auf der Jummimüüs Gala 2016 an Gerhard Pütz, Gründer des Vereins.

Der Zweck heiligt die Mittel. Den Spruch kennt jeder. Doch sollte man ihn im Fundraising mit Leben füllen? Ein aktuelles Beispiel zeigt wieder, wie verschieden gemeinnützige Organisationen die Herkunft von Spenden interpretieren. Gut, dass es Fragen gibt, die man sich vor der Annahme einer Spende stellen kann.

von Matthias Daberstiel

Der Spruch „Der Zweck heiligt die Mittel“ geht angeblich auf Machiavelli zurück. Er soll damit das Verhalten der Mächtigen in der damaligen Zeit beschrieben haben. Ein aktueller Fall zeigt, dass die Entscheidungen, die wir im Sinne Machiavellis treffen, eventuell unserer Organisation schaden können. Was ist passiert?

Ärger mit Pascha

Eines der größten Bordelle Europas, das „Pascha“ in Köln, hatte verschiedene gemeinnützige Initiativen bei Erscheinen von Vertretern auf der 20-Jahr-Feier des nicht unumstrittenen Etablissements eine Gesamtsumme von 60.000 Euro in Aussicht gestellt. Einige folgten dem Ruf des Geldes, darunter auch der Kölner Pfarrer Hans Mörtter, der dringend Geld für die Kölner Flüchtlingshilfe brauchte. 8.500 Euro sollen laut Pascha für dieses Projekt angeboten worden sein. Richtig entzündet hatte sich die Annahme der Spende aber nach einem Bericht der WDR-Lokalzeit, die beim Event vor Ort waren. Pascha-Betreiber Hermann Müller betonte dort besonders, dass es sich bei dem Geld um Spenden seiner Mieterinnen und Mieter handelt, die ihre Dienste im Laufhaus anbieten, ohne dabei zu vergessen, sein Bild vom Zusammenleben der Geschlechter klar zu definieren: „Eine Frau kommt auf die Welt um einem Mann zu dienen und zu gehorchen.“ Als Pfarrer Mörttner darauf angesprochen wurde, ob er nicht ein schlechtes Gewissen wegen der Herkunft der Spende hätte, sagte er Folgendes: „Überhaupt nicht. Für mich sind das hier Menschen, die auf ihre Weise leben, und ich habe da kein Recht, moralisch zu sein und zu sagen: ‚Es ist aber falsch was Ihr da macht.‘ Ich finde, das Pascha ist völlig in Ordnung, weil es ein Biotop für sich ist, eine große Familie, und ich sehe einfach, dass die Leute, die hier arbeiten es ernst meinen und [es] ihnen auch wichtig ist, soziales Leben in unserer Stadt zu unterstützen.“

Harsche Kritik

„Es wird einem schlecht“, sagte die Sprecherin des evangelische Frauen-Dachverbandes efir, Iris Pupak, daraufhin dem Kölner Stadtanzeiger und forderte Konsequenzen. Auch Alice Schwarzer äußerte sich und stellte Mörtters christliche Gesinnung in Frage. „Frauen, die mindestens fünf Mal am Tag ran müssen, allein um die Wuchermiete zu zahlen – solche Verhältnisse sind für Pfarrer Mörtter ‚völlig in Ordnung‘? Passt eine solche Unbarmherzigkeit und Frauenverachtung zu einem Christen? Oder muss ich aus all dem schließen: Dieser Pfarrer ist gar kein Christ?“ Mörtter nannte Schwarzers Kritik „den Hammer“. Er verteidigte im „Kölner Stadt-Anzeiger“ den Besuch im Pascha mit dem Bemühen, nicht über Prostituierte zu sprechen, sondern mit ihnen. So wie er das Pascha und seinen Geschäftsführer Armin Lobscheid kennen gelernt habe, seien Sex-Arbeiterinnen dort geschützt. Die Annahme der Pascha-Spende rechtfertigte er mit den Worten, wenn er eine moralische Latte an die Herkunft von Spenden legen würde, könnte er „bald gar kein Geld mehr nehmen“. Ein Obdachloser, dem er winters einen Schlafsack bezahle, frage nicht, ob das ein Pascha-Schlafsack ist oder nicht. „Und ich weiß nur, dass er ihn braucht.“ Klar distanzierte sich Mörtter auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ allerdings vom Frauenbild des Pascha-Chefs. „Das ist unterirdisch, aber ich kannte den Mann auch gar nicht.“

Kirche nimmt Spende nicht an

Zum Schluss machte die Kirche einen Rückzieher und verkündete, die Spende nicht annehmen zu wollen. Der Kölner Stadtsuperintendent Rolf Domning begrüßte den Sinneswandel zum Umgang mit der Spende. Es sei gut, dass mit der Ablehnung der angekündigten Spende jetzt „eine klare Grenze gezogen“ worden sei, „was für eine kirchennahe Organisation und deren Vertreter geht und was nicht“.

Doch ist die Grenze wirklich so klar? Es gibt genügend Beispiele, in denen Spenden des Pascha oder des „Pascha für Menschen in Not e.V.“ angenommen wurden. Etwa die Aidshilfe-Organisation „Move the world“, die 2011 eine Spende von 11.667 Euro annahm. „be your own hero e.V.“ freute sich über eine Spende für die Kinderambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover von 20.000 Euro und den Erlös von 8.000 Euro des „6. Herrengolf-Turniers des Pascha in Köln“. Auch die Fußballer des FC Viktoria Köln 1904 e.V. tragen seit 2012 stolz das Pascha-Logo auf ihrer Brust durch die Regionalliga West.

150.000 Euro wofür?

Richtig fett wurde es 2015 für den gemeinnützigen Jummimüüs e.V. aus Köln, hinter dem Kölner Geschäftsleute stehen, die notleidende Kinder unterstützen wollen. Im Rahmen seiner alljährlichen Promi-Charity-Gala im November 2015 nahm Vereinsgründer Günter Pütz 150.000 Euro von Hermann Müller an. Insgesamt kamen 450.000 Euro zusammen. Wer Nutznießer dieses Geldes ist, war allerdings schwieriger herauszufinden. Unter anderem: die kinderonkologische Station im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße, die mit 25.000 Euro ihr Spielzimmer einrichten kann. Auf Nachfrage gab man sich beim Jummimüüs allerdings auffällig einsilbig. Eine Auskunft, welche Organisationen denn das weitere Geld erhalten hätten, gab es bis Redaktionsschluss nicht.

Rotlicht schreckt nicht immer ab

Für die Kirche scheint das Thema „Rotlicht“ immer mal ein Déjà-vu zu sein. Wohl auch, weil Journalisten die Grenze hier deutlich enger ziehen als so mancher Glaubensbruder. 2005 etwa machte „Die Welt“ öffentlich, dass ein christliches Seniorenheim in Dachau Spenden aus dem Rotlicht-Milieu angenommen hatte, weil Oberbayern die bislang übliche Weihnachtszuwendung für Sozialhilfe-Empfänger ersatzlos streichen wollte. Als die Damen aus dem Milieu den Rentnern mit einer Spende von 25 Euro pro Person beispringen wollten, versicherte sich der Heimleiter immerhin vorsorglich bei der Inneren Mission in München, ob er die Spende annehmen könne. Dort bekam er die Auskunft, den Evangelien zufolge habe Jesus auch den Umgang mit halbseidenen Gestalten gepflegt. Die Dachauer Geschichte sei „Evangelium pur“, man könne das Geld ruhig annehmen.

Acht Fragen vor der Spendenannahme

All diesen Diskussionen liegt zu Grunde, dass der dringende finanzielle Bedarf die handelnden Personen dazu bewog, eine Spende aus zweifelhaftem Ruf anzunehmen, oder sich mit der Herkunft lieber nicht weiter zu beschäftigen. Lothar Schulz, Dozent an der Fundraising Akademie, brachte das schon 2008 bei einem Vortrag beim Evangelischen Jugendbildungswerk in Württemberg auf den Punkt: Nicht jede Fundraisingmethode ist ethisch, nicht alles was ethisch geboten ist, generiert Spenden. Ist es also eine Grenzerfahrung, um Spenden zu werben oder sie anzunehmen? Auch dafür wusste Schulz Rat und gab seinen Zuhörern die heute immer noch gültigen acht Fragen mit auf den Weg, die man sich als Organisation in solchen Fällen stellen sollte:

  1. Definieren Sie Ihr Problem: Worüber muss entschieden werden?
  2. Formulieren Sie Alternativen: Bewerten Sie diese Alternativen.
  3. Untersuchen Sie jede vernünftige Alternative: Gibt es Wertekonflikte?
  4. Werten Sie Ihre verfügbaren Informationen aus: Wer wird von Ihrer Entscheidung betroffen sein, unterscheiden Sie zwischen Tatsachen, Spekulationen, Wünschen, ideologischem Beton, Vorurteilen; klären Sie Widersprüche, bewerten Sie Informationsquellen und Konsequenzen.
  5. Vergleichen Sie Kosten und Gewinn: Vielfach werden Risiken verniedlicht („ist doch für eine gute Sache“) und der langfristige Schaden unterschätzt; eine „unethische“ Entscheidung bringt gewöhnlich unmittelbare Vorteile, kann aber langfristig sehr teuer kommen.
  6. Entscheiden Sie nach bestem Wissen und Gewissen. Machen Sie den 20 Uhr–Nachrichten-Test. (Wollen Sie das als Nachricht hören?) Achten Sie auf vier Faktoren, die ethische Entscheidungen beeinflussen: Verführbarkeit (unterschätzen Sie nie den Einfluss von Macht, Sex, und Geld) Rechthaberei, Selbstbetrug, Selbstschutz.
  7. Verwirklichen Sie Ihre Entscheidung in geplanten Schritten.
  8. Beobachten Sie aufmerksam, welche Konsequenzen Ihre Entscheidung nach sich zieht, seien Sie offen für Veränderungen.

Wenn sich die Beteiligten in Köln diese Fragen im Vorfeld gestellt hätten, wären Sie sicher schon bei Frage drei ins Schwanken geraten. Das „Kölner Arbeitslosenzentrum“ (Kalz), geleitet von Pfarrer i.R. Karl-Heinz Iffland und der Kölner Verein „Helfen durch geben – der Sack“, die ebenfalls zu den Pascha-Spendenempfängern gehörten, räumten nachher ein, sich vorab zu wenig informiert zu haben. Für das Pascha hat sich die ganze Sache sicher eher ausgezahlt. Soviel Aufmerksamkeit erzielt man normalerweise nicht mit diesem Gewerbe. Der Zweck heiligt die Mittel – Machiavelli soll sich dem Bordell ja ebenfalls nicht abgeneigt gezeigt haben.

(Bild: Youtube)

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Kommentar von Franz Orth |

Als Student habe ich mehrmals wöchentlich das Pascha - das damals schlicht ein "Eroscenter" war - aufgesucht. Nicht etwa, um dort die angebotenen Dienste in Anspruch zu nehmen, sondern um die auf den Etagen befindlichen Zigarettenautomaten aufzufüllen. Ich hatte nämlich einen Ferienjob bei einem Tabakwarenhändler, der neben zahlreichen Kneipen eben auch jenes Etablissement belieferte. Dabei habe ich mich hin und wieder mit einigen der dort tätigen Frauen unterhalten, die in ihren Arbeitspausen auf einen Kaffee und eine Zigarette in einer der auf den Etagen vorhandenen "Personalkantinen" einkehrten. So erfuhr ich von den ganz gewöhnlichen Alltagssorgen, die die dort tätigen Frauen hatten: Probleme der Kinder in der Schule, die anstehende Operation der Oma oder die Vorfreude auf den Urlaub im Schwarzwald. Kurz gesagt, ich erlebte Menschen mit den gleichen kleinen Sorgen und Nöten wie du und ich. Und mit einer Portion Mitgefühl für andere. Aus diesen Begegnungen habe ich gelernt. Warum soll also die Spende einer Frau, die anschafft "unanständiger" sein als die, die aus dem Portemonnaie ihres Freiers stammt?