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Was bringt 2019?

Die Zahl der Spenderinenn und Spender ist schon wieder gesunken.
Die Zahl der Spenderinenn und Spender ist schon wieder gesunken.

Das Spendenjahr 2018 liegt hinter uns. Grund zur Klage gibt es eigentlich nicht. Seit Jahren ist das Spendenaufkommen relativ stabil. 2018 stieg es wahrscheinlich sogar. Wohl auch ein Ausdruck der momentanen Konjunkturlage. Doch was kommt 2019?

von Matthias Daberstiel

Der Rückblick auf das Jahr 2018 sollte positiv ausfallen. Gerade berichtet einen Studie von Bertelsmann, dass Unternehmen in Deutschland jedes Jahr 10 Milliarden Euro spenden. Auch die GFK, die in Ihrem Charity Scope gemeinsam mit dem Deutschen Spendenrat die jährlichen Spendenzahlen erhebt, sieht keinen Grund für eine Warnung, dass das Spendenaufkommen zurückgeht. Im Gegenteil.


Immer weniger spenden mehr

Die Deutschen haben von Januar bis September 2018 rund 3,3 Milliarden Euro gespendet. Das ist das zweitbeste Ergebnis seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Spendenniveau um erfreuliche sechs Prozent gewachsen. Damit ist auch nicht davon auszugehen, dass sich die Deutschen im letzten Quartal beim Spenden zurückgehalten haben. Doch es gibt auch einen Wermutstropfen. Rund 16,5 Millionen Menschen haben im Zeitraum Januar bis September 2018 Geld an gemeinnützige Organisationen oder Kirchen gespendet. Im Vergleich zum Vorjahr waren das etwa 500.000 Menschen weniger. Dies ist der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung. Daniela Geue, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats e.V.: „Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre fort: Immer weniger Menschen spenden. Aber diejenigen die spenden, spenden immer mehr!“ Die GfK versucht deswegen gerade NGOs zu überzeugen eine Multi-Client-Studie mitzufinanzieren, um dem Geheimnis der fehlenden Neuspender auf die Spur zu kommen.


Wahrnehmung weicht von Realität weit ab

Vielleicht haben wir im Spendenwesen ja dasselbe Problem, wie in anderen Bereichen auch: Die wahrgenommen Wirklichkeit weicht bei vielen Themen in Deutschland nämlich von der Realität weit ab. So schätzen die Deutschen nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts IPSOS beispielsweise die Anzahl der bei uns lebenden Migranten völlig falsch ein. Während der Anteil nach UN-Angaben bei 15 Prozent liegt, gehen die Deutschen vom Doppelten aus (30 Prozent). Auch liegen sie bei der Frage, wie viele Frauen in Deutschland schon mal belästigt worden sind meilenweit daneben und das trotz der letztjährigen #metoo-Debatte. Sogar Frauen selbst liegen mit der Annahme, es wären nur 40 Prozent, weit weg vom realen Wert von 60 Prozent.


Keine Aufmerksamkeit, kein Vertrauen, keine Spender

Wenn schon solche Medienthemen falsch eingeschätzt werden, wie soll das dann mit Themen wie Spenden und der Arbeit von NGOs aussehen? Diskutiert wird darüber eigentlich nur bei Skandalen oder wenn der Bundestag die Spenderlisten der Parteien veröffentlicht. Es wird 2019 sicher Zeit sich Gedanken zu machen, wie man das Image der Vereine und Stiftungen in Deutschland stärkt, denn der Vertrauensindex von Edelmann-Trust ist auch nicht ermutigend. Seit Jahren ist das Vertrauen zu NGOs im freien Fall. Auch ein Indiz für die Spenderenthaltsamkeit?

Höchster Spendenanstieg in der Altersgruppe 40-49 Jahre.
Höchster Spendenanstieg in der Altersgruppe 40-49 Jahre.

Jüngere rücken nach

All zu fatalistisch muss man allerdings auch nicht werden. Denn die Bereitschaft der Deutschen sich zu engagieren, ist da. Allerdings werden die Ansprüche immer höher und die Projektabhängigkeit nimmt zu. Beruhigend ist da schon, dass das Thema Spenden in der Gruppe der 30-39-Jährigen immer noch funktioniert, wenn auch erst Mal nur mit einer Einmal-Spende. Es bleibt das klassische Spendeneintrittsalter. Nach wie vor spendet die Generation 70plus am meisten. Ihr Anteil ging aber deutlich von über 40 auf rund 35 Prozent des Spendenvolumens zurück. Ob das schon der Hinweis auf eine langfristige Veränderung der deutschen Spenderstruktur ist, sei einmal dahin gestellt. Es ist aber das erste Mal, dass der Anteil unter 40 Prozent sinkt. Offenbar kommen aus der Babyboomer-Generation nicht genügend neue Spender nach. Der höchste Spendenanstieg zeigt sich in der Altersgruppe 40-49 Jahre. Hier wuchs das durchschnittliche Spendenvolumen pro Spendergruppe von 216 Euro auf 271 Euro. „Damit hat das Spendenvolumen dieser mittleren Altersgruppe um kräftige 22 Prozent zugenommen“, freut sich Daniela Geue. „Das ist ein großer Erfolg. Gerade diese Altersgruppe war in der Vergangenheit für gemeinnützige Organisationen nur schwer zu erreichen.“


Junge Spender gewinnen

Es bleibt aber ein Geheimnis, wie diese Gruppe erreicht wurde. Über den Spendenbrief wohl kaum, denn der ging deutlich gegenüber dem Vorjahr zurück und gehört wohl auch nicht zum bevorzugten Kommunikationskanal dieser Gruppe. Die Zahlen der GFK geben hier kaum Aufschluss. Spendenanstöße erfolgen heute eher vielfältig und ob der Spender in einer Befragung sich noch erinnert, welcher Impuls ihn dann zum Spenden bewegt hat, ist fraglich. Glaubt man den Experten von Sozialmarketing.de, wird das ein extrem online-affines Jahr. Ob sich allerdings die breite Masse der Organisationen wirklich mit Marketing-Automation und stärkerer Personalisierung anhand der vorhandenden Daten beschäftigt, ist noch offen. Der Großteil der deutschen Gemeinnützigkeit wird wohl eher im Status quo verharren oder weiter daran arbeiten Online- und Offline Welt mit ihren beschränkten Ressourcen unter einen Hut zu bekommen.


National vor International

Ein weiterer Trend ist die fortschreitende Nationalisierung im Spendenwesen. Die GFK weist nach, dass Spenden für internationale Projekte gegenüber nationalen Projekten ebenfalls ins Hintertreffen geraten und das nicht nur bei privaten, sondern auch bei Unternehmensspenden, wie eine Sonderauswertung einer Bertelsmann-Studie mit Plan-International ergab (siehe Akademisches). in den ersten drei Quartalen 2018 ist der Anteil für Spenden für nationale Projekte zum ersten Mal auf ein Drittel des Spendenaufkommens gestiegen. Internationale Projekte dagegen fielen um sieben Prozentpunkte auf 36 Prozent. Der Rest ging in regionale Projekte, die auch stiegen. Ist das vielleicht auch ein Ausdruck des fehlenden Vertrauens? Lieber vor der Haustür spenden, weil ich es da auch besser verfolgen kann?


Nachwuchs und Personal fehlen

2019 wird das Jahr, in dem wahrscheinlich ein anderes Problem richtig zum Tragen kommt: der Fachkräftemangel und fehlender Nachwuchs in Vorständen bei Vereinen und Stiftungen. Bereits aktuell haben viele Organisationen Schwierigkeiten freie Stellen in Kommunikation und Fundraising zu besetzen. Der Wettlauf um die besten Köpfe läuft schon, wie das Bäumchen-wechsle-Dich-Spiel im letzten Jahr bereits zeigte. Es würde nicht verwundern, wenn die Stellenbeschreibungen der Organisationen bald auch die Übernahmen der Kosten einer Weiterbildung an der Fundraising Akademie enthalten würden, nur um die Probleme mit Fachpersonal in den Griff zu bekommen. Auch der diesjährige Fundraising Kongress greift dieses Thema auf.


Finanzamt im Fokus

Und noch ein weiteres Thema könnte bald die Vereine beschäftigen: die automatisierte Meldung der Zuwendungen ihrer Spenderinnen und Spender an das Finanzamt. Noch ist es eine „Kann-Option“ im Gesetz, und der Pilotversuch soll Ende März erst beendet werden. Es gilt, die Ergebnisse aber im Auge zu haben, denn in Österreich sind nach der verbindlichen Einführung dieser Automatisierung die Spenden zurückgegangen. Auch weil „Vater Staat“ seiner Informationspflicht nicht genug nachkam und die technischen Voraussetzungen zu kompliziert waren, was für Probleme sorgte. Gespannt sein darf man auch, ob die unsägliche Debatte um die politische Betätigung gemeinnütziger Vereine endlich ein Ende hat. Erwartet wird die höchstrichterliche Entscheidung im Attac-Verfahren beim Bundesfinanzgericht. Verliert das Bundesfinanzministerium erneut, wäre das ein Armutszeugnis für Finanzminister Scholz und seinen Vorgänger Wolfgang Schäuble, denn das Thema hätte längst beendet und das Gemeinnützigkeitsrecht reformiert werden können

Kurz, man darf gespannt sein, wie sich 2019 entwickelt. Genug Arbeit wird es für gemeinnützige Organisationen sicher geben, aber sie täten auch gut daran, das nach außen zu zeigen und selbstbewusster auftreten. Dieser Sektor hat kein Trostpflaster verdient, sondern die aktive Unterstützung durch Spenden und Ehrenamt. Hier wird ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft geleistet. Tag für Tag.

(Bilder: Deutscher Spendenrat, Gesellschaft für Konsumforschung 2018)

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