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Was bleibt nach der Bitcoin-Blase?

Bitcoin
Bitcoins sind ein Hype aber die Technologie dahinter ist interessant.

Kommt er oder kommt er nicht? Für unseren Gastautor Lars Jaeger ist klar: Der Bitcoin-Crash kommt. Doch welchen Einfluss werden Kryptowährungen und die dahinter stehende Blockchain-Technologie wirklich auf die Finanzwelt und damit natürlich auch auf die Finanzen von Non-Profit-Organisationen haben?

Von Lars Jaeger

Ein Gespenst geht um in der Finanzwelt: Es heißt Bitcoin und bedroht die etablierten Machtstrukturen in der weltweiten Finanzindustrie. Befürworter der neuen digitalen Währungen beschreiben gern die Vorteile: Umsturz des traditionell intransparenten, korruptionsanfälligen und völlig überteuerten Geschäftsmodells der Banken, mehr Demokratie in Unternehmen und im Staat, Fairness im globalen Handel, die Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit, bis hin zu einem Wohlstands-Turbo-Booster für die Ärmsten der Welt. Klingt gut, doch der momentane Hype um Bitcoin wird von etwas anderem angetrieben. Es ist der Ruf des schnellen Geldes, der auch 170 Jahre nach dem kalifornischen Goldrausch nichts von seiner Wirkung verloren hat.


Neuer Goldrausch

Mit dem Kursanstieg von Bitcoin um das 15-fache im vergangenen Jahr hat die Begeisterung für die digitale Währung auch diejenigen erreicht, die dem Geschehen in der Finanzwelt sonst eher indifferent bis distanziert gegenüberstehen. Wer kann schon ignorieren, dass hier schnell mal Millionen gescheffelt werden können? Nur, dass man heute nicht mehr beschwerliche Tausende von Kilometern reisen muss, um das neue Gold zu „schürfen“, sondern nur ins Internet zu gehen braucht. „Schürfen“, so heißt es tatsächlich, wenn man mit der Rechenkraft seines eigenen Computers anstrebt, neue Bitcoins zu erwerben. In China und Island gibt es bereits ganze Farmen von Bitcoin schürfenden Computern.

Unterdessen ist aus dem Hype eine wahre Bitcoin-Manie geworden, die selbst die Ahnungslosen (und gerade die) an die völlig unregulierten und oft alles andere als transparent agierenden Bitcoin- Börsen treibt. „Die größte Spekulationsblase in der Geschichte“, beschreiben Kritiker die jüngste Kursentwicklung der Kryptowährungen. Und Bitcoin ist nur die bekannteste unter ihnen. Es gibt noch viele andere. Tatsächlich kann nämlich jeder, der will, seine eigene digitale Währung erschaffen. Bei Bankern und Ökonomen haben Bitcoins lange nur ein spöttisches Lächeln hervorgerufen. Die Regulationsbehörden hatten die Kryptowährung zwar im Auge, allerdings hauptsächlich, um deren kriminellen Nutzung einzudämmen. Schon in den frühen 1990er Jahren waren es Banker und Großunternehmen, die technologische Veränderungen eher skeptisch beäugten, dann aber mit Wucht auf den Zug aufsprangen und das Internet in ihre Geschäftsmodelle integrierten. Steht Bitcoin, oder allgemeiner der Blockchain-Technologie, die hinter Bitcoin steckt, eine ähnliche Entwicklung bevor?


Spekulation und Technologiesprünge

Es erscheint, als ob aus irgendwelchen Gründen Spekulationsblasen notwendige Begleiterscheinungen bedeutender technologischer Entwicklungen sind. Ein Beispiel ist die „Industrielle Revolution“ welche die Dampfkraft nutzbar machte. Sie war verbunden mit Aktien von Eisenbahngesellschaften und der Schaffung gewaltiger Vermögen. In England platzt diese Blase zuerst, im Jahre 1847, in den USA dann im Jahr 1873 noch bevor die Technologie sich wirklich durchgesetzt hatte. Weitere Beispiele sind der Börsencrash von 1929 der durch Aktienkurse von Elektro- und Automobilunternehmen als neuer Technologie erzeugt wurde oder die Dotcom-Blase der 1990er im Zuge der Digitalisierung. Das heißt allerdings nicht, dass jedem Finanzcrash eine technologische Revolution vorausgeht. 2008 waren es beispielsweise eher die ominösen Derivat- und Strukturierungsgeschäfte der Banken, die dem Absturz der Aktien und Immobilien vorausgingen. Wahrhaftig neue Technologien steckten kaum dahinter, eher immer neue Ideen der Banker, möglichst viel Geld abzuschöpfen.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass die gerade ablaufende Bitcoin-Spekulationsblase und ihr anstehendes Platzen ein Vorreiter eines neuen revolutionären Technologie-Schubs sein kann. Denn die Blockchain-Technologie, die hinter Bitcoins steckt, besitzt tatsächlich das Potenzial für einen neuen technologischen Umsturz. Er könnte eine bedeutende Gruppe zentraler Agenten in der globalen Wirtschaft ausrotten, die sogenannten Intermediäre.


Blockchain schafft neues Vertrauen

Heute steuern intermediäre Einrichtungen wie Banken, Börsen, Notare, Buchprüfungsgesellschaften sowie zahlreiche staatliche Institutionen (z. B. Zentralbanken, Steuerbehörden und Regulatoren) einen großen Teil unseres Wirtschaftslebens. Sie garantieren eine zentrale Bedingung für den reibungslosen Ablauf jeglichen wirtschaftlichen Handelns: Vertrauen. Dass aber selbst diese Agenten nicht einhundertprozentig vertrauenswürdig sind und selbst in die Krise geraten können, zeigen die zahlreichen Banken- und Staatskrisen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die zu Hyperinflationen, Bankenpleiten, Kreditkrisen, bis hin zu dysfunktionalen Staaten („failed states“) geführt haben. Die Blockchain-Technologie ermöglicht ganz neue Möglichkeiten für Vertrauensbildung in Wirtschaft und Handel.


So geht Blockchain

Die Funktionsweise von Blockchains ist so einfach wie das Führen eines Geschäftsjournals, nur mit viel mehr Einträgen sowie dezentraler und globaler Verwaltung: Blockchains sind elektronisch gespeicherte Journale („Blöcke“), die – daher der Name – kettenförmig zusammenhängen und für jedermann einsehbar auf vielen Computern zugleich gespeichert sind. Das Eigentum des Geldes entspricht dabei dem Besitz eines geheimen digitalen Schlüssels, der Zugang zum Guthaben in einem eigenen digitalen Portemonnaie gewährleistet. Dieser wird dann eingesetzt, wenn das Geld zwecks Bezahlung jemandem anders übertragen werden soll. Eine solche Transaktion wird dann in der Blockchain eingetragen.

Während wir beim gewöhnlichen Zahlungsverkehr einer Bank oder einer anderen vermittelnden Instanz vertrauen müssen, die die Sicherheit der Transaktion garantiert, ist dies in einer Blockchain die Aufgabe der Gemeinschaft aller Beteiligten. Eine Zahlung wird bei Vorlegen des korrekten Schlüssels von der Mehrheit der Teilnehmer abgesegnet. Korrekturen am System sind nur möglich, wenn die Mehrheit der Beteiligten diesen zustimmt. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl ist dies nach einer kurzen Weile kaum mehr möglich. Die Einträge der Blöcke in die Blockchain übernehmen dezentrale Knotenpunkte, wofür ihre Besitzer entlohnt werden (dies ist bei der Bitcoin-Blockchain der Fall; es gibt auch andere Modelle): Sie erhalten für ihre Tätigkeit neue Währungseinheiten. Das ist das „Schürfen“ neuer Bitcoins (engl. “mining“). Damit jeder daran teilnehmen kann und Chancen auf Schürferfolg hat und damit das Netz so breit wie möglich aufgestellt ist, müssen die Schürfer zunehmend aufwendigere mathematische Probleme lösen, bevor sie einen Eintrag vornehmen und dafür Bitcoins erhalten.


Geld könnte verschwinden

Die Blockchain-Technologie hat das Potenzial, Intermediäre wie Geld, Banken und Behörden durch eine Gemeinschaft vieler Nutzer zu ersetzen. Sie könnte wirtschaftliche Transaktionen und Organisationen auf eine ganz neue Basis stellen. Geld, wie wir es heute kennen, könnte komplett verschwinden. Anstatt einem staatlich regulierten Intermediär für Geschäftstransaktionen zu vertrauen, könnten die Menschen all ihre Bezahlungen direkt digital durchführen und in Blockchains registrieren. Der Anwalt, der beim Bäcker ein Brot kauft, zahlt mit einer direkten Transaktion, beispielsweise mit seinem Handy, die dann sofort in der Blockchain verbucht wird. Seinerseits erhält er sämtliche seiner eigenen Arbeitsleistungen von seinen Kunden direkt auf sein digitales Konto vergütet. Geld als Vermittler verschiedener Wirtschaftssubjekte und ihrer Käufe und Verkäufe braucht es dann nicht mehr. Die Technologie weckt daher gerade die Begeisterung derjenigen, die wirtschaftliche Prozesse jeglicher staatlicher Kontrolle entziehen wollen.

Die möglichen Anwendungen von Blockchains gehen jedoch weit über Geldgeschäfte hinaus. Blockchain ermöglicht, dass Menschen, die sich nicht kennen, eine verlässliche Aufzeichnung darüber führen können, was wem gehört und was wahr ist. Gegenseitiges Vertrauen ist dafür nicht notwendig, denn die Blockchain selbst garantiert die Integrität der Transaktionen. Ganz allgemein ermöglichen Blockchains das Aufzeichnen und Bewahren von „Wahrheiten“ (z. B. Eigentumsrechten), die weder von einem korrupten Staat noch von privaten Interessen manipuliert werden können, da solche Manipulationen stets von der Mehrheit der Benutzer dezentral bestätigt werden müssten.


Staaten wollen Blockchain einführen

Laut Prognosen des Weltwirtschaftsforums wird bis 2023 der erste Staat Lohnsteuern mit Hilfe der Blockchain- Technologie einsammeln. Und bis 2027 sollen mindestens zehn Prozent des gesamten Weltbruttoinlandsprodukts auf Blockchains abgespeichert sein (WEF, Global Agenda Council on the Future of Software & Society, Deep Shift Technology Tipping Points and Societal Impact, 2015). Dezentrale Grundbuchführungen auf der Basis von Blockchains sind bereits im Gespräch, was gerade in Ländern, in denen die öffentlichen Register unzuverlässig sind oder gar nicht existieren, einen bedeutenden positiven Einfluss haben könnte. Das zentrale Grundbuch, wie wir es kennen, könnte abgeschafft werden. Länder wie Honduras und Georgien, aber auch Schweden haben bereits weitergehendes Interesse an der Blockchain-Technologie zu diesem Zweck signalisiert. Und im März 2017 hat Dubai eine große Blockchain-Initiative angekündigt, nach der ab 2020 alle Regierungseinheiten und die gesamte öffentliche Verwaltung die neue Technologie verwenden sollen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeiten werden schon bald viele Menschen viel Geld verlieren, wenn die Bitcoin-Blase und die anderer Kryptowährungen zuletzt platzen. Doch so richtig spannend wird es danach: Was wird mittel- und langfristig aus der ihnen zugrunde liegenden Blockchain-Technologie? Das sehr viel größere, weit über Bitcoin hinausgehende technologische Potenzial von Blockchains ist der eigentliche Grund, warum es sich lohnt, ihre Entwicklungen sehr genau zu verfolgen.

Lars Jäger Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er unterrichtet unter anderem an der European Business School im Rheingau. Seine letzten Bücher „Die Naturwissenschaften. Eine Biographie“ (2015) und „Wissenschaft und Spiritualität“ (2016) sind bei Springer Spektrum erschienen. Im August 2017 erschien sein neustes Buch „Supermacht Wissenschaft“ beim Gütersloher Verlagshaus.

(Bilder: buchcontact/privat und Axel Castillio/pxhere)

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