AKADEMISCHES

Alternative: Verbrauchsstiftung

Eine Stiftung, die auf Verbrauch ihres Vermögens angelegt ist, kann ebenso viel bewirken.
Eine Stiftung, die auf Verbrauch ihres Vermögens angelegt ist, kann ebenso viel bewirken.

Der seit Jahren unveränderte Niedrigzins ist nur ein Grund sich gründlich zu überlegen eine Stiftung zu gründen, denn es gibt eine Sonderform: die Verbrauchsstiftung. Manuel Wluka hat das in seiner Abschlussarbeit bei der Fundraising Akademie (Stiftungsmanager FA) untersucht und gibt seine Grundgedanken hier in gekürzter Form wieder.

von Manuel Wluka

„Tempus non erit amplius (Zeit wird nicht mehr sein)!“ Diese Mahnung trifft den Besucher der Wieskirche, UNESCO Welterbestätte im bayrischen Steingaden in den Ammergauer Alpen, wenn er beim Verlassen des Gotteshauses den Blick auf das imposante Deckengemälde richtet. Es zeigt auf dieser Seite die Pforte zum Paradies, zum himmlischen Jerusalem, zur Ewigkeit, und zwar verschlossen. Darunter findet sich die oben genannte Aufschrift. Zeit wird also in der Ewigkeit nicht mehr sein. In der Welt aber, in die der Kirchenbesucher wieder eintritt, ist der Mensch den Gesetzen von Zeit und Raum unterworfen. Tertium non datur; etwas Drittes gibt es nicht.


Stiftungen nur für die Ewigkeit?

Dies gilt auch für Stiftungen. In der gemeinhin als „klassisch“ angesehenen Form werden sie nicht selten als Ewigkeitsstiftungen bezeichnet. Wesentliches Kennzeichen ist, dass einmal gestiftetes Vermögen ungeschmälert erhalten werden muss. Für die Verwirklichung der Stiftungszwecke dürfen nur die Erträge aus dem Vermögen verwendet werden. Christoph Mecking spricht in diesem Zusammenhang im Handbuch Kulturmanagement in seinem Beitrag „Die endliche Stiftung im Kulturbereich. Die Verbrauchsstiftung als Alternative zur „Stiftung für die Ewigkeit?“ vom „Prototypen der Stiftung“, die „im Prinzip für die Ewigkeit“ besteht. Der eingebürgerte Begriff „Ewigkeit“ ist meines Erachtens nicht, oder nur umgangssprachlich verstanden, dazu geeignet, Realitäten zu erfassen, die Zeit und Raum unterworfen sind – auch wenn sich die angenommene Zeitdauer möglichst weit erstreckt. Rupert Graf Strachwitz weißt zurecht in seinem Beitrag in der „Zeitschrift für das Recht der Non Profit Organisationen“ (1/2016, S. 16-22) „Sind Stiftungen ewig?“ darauf hin, dass der Ewigkeitscharakter der Stiftung bei Licht betrachtet sich hauptsächlich auf die im Bürgerlichen Gesetzbuch behandelte „rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts“ bezieht. Insofern es aber unzählige weitere Rechtsformen gibt (nicht rechtsfähige oder Treuhandstiftungen, Stiftungs-GmbH, …), kann man zumindest nicht grundsätzlich sagen, der Wesenskern einer Stiftung sei die Ewigkeit. Ihr Kern ist vielmehr „die Bindung an einen Stifterwillen für die Dauer des Bestehens“, so Strachwitz.

Die grundsätzliche Idee einer „im Prinzip auf Ewigkeit“ bestehenden Stiftung ist ein hoher und durch Recht und Gesetz staatlich garantierter Wert. Insofern, als gemeinnützig anerkannte Stiftungen eben dieses Gemeinwohl fördern, muss es dem Staat und auch seinen Menschen daran gelegen sein, dass dieses Engagement für das humane Zusammenleben in der Gesellschaft möglichst lange Bestand hat. Der Staat versichert hier notwendige Gelingens- und Rahmenbedingungen für eine Sache, die er selbst nicht (vollumfänglich) leisten kann.


Verbrauchstiftung als Alternative

Ob die Stiftungsform, die eben diese „Ewigkeit im Prinzip“ beinhaltet, aber immer die Geeignete ist, das steht auf einem anderen Blatt und hängt mit dem jeweiligen Stiftungszweck zusammen. Deshalb ist es lohnenswert auch die alternative Stiftungsform der Verbrauchsstiftung in den Blick zu nehmen. Dies kann nämlich dazu führen, wie ich in meiner Abschlussarbeit am konkreten Beispiel zweier hessischen Stiftungen ausgeführt habe, dass die Verantwortlichen sich gegebenenfalls neu, zumeist aber grundsätzlich und immer strategisch mit der eigenen Stiftungsarbeit auseinandersetzen. Nicht zuletzt ist die Suche nach Alternativen in den letzten Jahren auch vor dem Hintergrund immer wichtiger geworden, dass das Kapital entscheidend für die Erfüllung des Satzungszweckes, die Finanzmarktsituation aber angespannt ist (Niedrigzinsphase). Die Situation hat sich seit der Finanzmarktkrise im Jahr 2009 für Stiftungen nicht verbessert, wie eine Studie von PricewaterhouseCoopers „Fünf Jahre Niedrigzinsphase und kein Ende in Sicht?“ bestätigt.


Rechtliche Grundlage

Die Stiftungsneugründung als Verbrauchsstiftung gestaltet sich aufgrund des klaren Rechtsrahmens des Ehrenamtsstärkungsgesetz vom 28.3.2013 vergleichsweise unkompliziert. Die stiftungsrechtliche Zulässigkeit knüpft sich demnach an folgende Bedingungen: A: Bestand der Stiftung für mindestens zehn Jahre und B: Das ihr zur Verfügung stehende Vermögen gewährleistet eine „dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes“. Die Verbrauchsstiftung ist eine endliche Stiftung, die für eine bestimmte Zeit errichtet ist und ihr Ende findet, wenn das Vermögen verbraucht ist. Bei der Anerkennung einer (Verbrauchs)Stiftung ist außerdem grundsätzlich Bundes- und Landesrecht zu berücksichtigen.


Umwandlung bestehender Stiftungen

Die ebenso mögliche Umwandlung einer herkömmlichen „ewigen“ Stiftung in eine Verbrauchsstiftung ist aber schwieriger. Der Verbrauch des Vermögens wird in der Regel von den Stiftungsbehörden nämlich als „ultima Ratio“ angesehen und nur als solche anerkannt, wenn ansonsten die Satzungszwecke nicht (mehr) verwirklicht werden können. Die Gründe für die Entscheidung zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung können freilich ganz unterschiedlich sein. Im Fall einer der Beispielstiftungen bedingte eine gewünschte Sicherheit für den Stiftungsvorstand die Umwandlung. Im anderen Fall wollten die Verantwortlichen das Kapital bestmöglich wirksam werden lassen. Sie entschieden sich daher bereits bei der Gründung für die Form der Verbrauchsstiftung. Das Wissen darum, dass die Stiftung zu einem konkreten Zeitpunkt zu einem Ende kommen wird, motiviert nach eigener Aussage bis heute alle Beteiligten zu einem disziplinierten und effektiven Arbeiten. In jedem Fall ist der Entscheidung aber eine grundsätzliche, intensive und vorausschauende Auseinandersetzung mit den Zielen und der Zukunft der eigenen Stiftung und deren Arbeit vorausgegangen.


(Verbrauchs-)Stiftung stärkt Gemeinwohl

Grundgedanke des Stiftens ist es, eine Vermögensmasse für einen gemeinnützigen Zweck zu widmen. Für das Gemeinwohl zu arbeiten wird richtiger Weise als gute und langfristige bestehende Aufgabe postuliert. Deshalb verknüpft der Staat damit auch Vorteile, etwa hinsichtlich der Steuerbegünstigung. Gleichzeitig übernimmt er auch Kontrolle und Hoheit. Er will den gemeinnützigen Beitrag (den er nicht erbringen muss, da es andere tun, in dem Umfang aber auch gar nicht erbringen kann) möglichst lange und dauerhaft sichern. Ausdruck dessen ist, zumindest im Hinblick auf die rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechtes, der hier angelegte Ewigkeitsgedanke. Im Gesetz selbst findet sich jedoch keine Legaldefinition einer Stiftung. Meines Erachtens konterkariert die Verbrauchsstiftung die in diesem Sinne für das humane gesellschaftliche Zusammenleben wichtige Ewigkeitsidee der „klassischen“ Stiftungen nicht, was mitunter als Vorurteil gegenüber Verbrauchsstiftungen vorgebracht wird. Bei Licht betrachtet ist es sogar so, dass ihre Form und Eigenschaften, eben da wo es vom Zweck her angebracht ist, die hinter dem Ewigkeitsgedanken liegende gemeinwohlorientierte Idee schützt und stärkt, nämlich dahin gehend, dass für sie eine möglichst große Wirksamkeit entfaltet werden kann.


Passt die Verbrauchsstiftung zu meinem Vorhaben?

In meiner Abschlussarbeit habe ich zwei Tools entwickelt, die Stiftungsverantwortlichen praktische Hilfestellung dabei geben können, die eigene Positionierung und Profilierung zu überprüfen und gegebenenfalls an aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen anzupassen. Die Grundlage dafür bildet eine sogenannte SWOT-Analyse, aus der Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken der Stiftungsform hervorgehen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Stiftungsform der Verbrauchsstiftung besonders sinnvoll ist für solche, die nur eher geringes Vermögen haben; für bestimmte Zwecke, für die der Bestand der Stiftung nach Erfüllung des Zwecks nicht notwendig ist; für Stifter, die größeren Einfluss nehmen wollen und die Stiftung intensiv begleiten möchten; für solche, die besonders zu Lebzeiten etwas Gutes tun und Erreichtes beobachten wollen; wenn gewährleistet werden soll, dass Hilfe auch rechtzeitig ankommt (z.B. Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ für Entschädigungszahlungen); für in besonderer Weise unternehmerisch denkende Stifter; wenn ein Problem realistischer Weise in einer überschaubaren Zeit gelöst werden kann und für solche, die als Stiftung bewusst wirksam werden wollen und effektiv arbeiten wollen.

Verbrauchsstiftung oder Ewigkeitsstiftung? Diese Frage werden sich Stiftung und Stiftungsverantwortliche zukünftig vor dem Hintergrund der Chancen dieser Stiftungsform womöglich öfters stellen. Es wird spannend zu sehen, wie sie sich entscheiden.

Manuel Wluka ist Stiftungsmanager (FA) und Diplom Theologe. Er arbeitet als Fundraising-Referent beim Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Hessen e.V. in Frankfurt.
Er ist für Fragen unter manuel@wluka.de erreichbar.




(Bilder: Manuel Wluka, pxhere.com)

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