AKADEMISCHES

Von Spenden zum Impact Investment

Die Kombination von Spenden und Impact Investing kann die Finanzierungslücken für soziale Projekte mit hohem Kapitalbedarf schließen.
Die Kombination von Spenden und Impact Investing kann die Finanzierungslücken für soziale Projekte mit hohem Kapitalbedarf schließen.

Wer als Social Entrepreneur mehr Begünstigte erreichen will, muss womöglich einen mentalen Quantensprung wagen: von der reinen Spendenfinanzierung zum echten Impact Investment. Hier einige Hintergründe und Tipps, wie das Abenteuer Skalierung gelingt.

Von Christina Moehrle

Wenn von den großen sozialen und ökologischen Problemen die Rede ist, wird in der Regel das unzureichende Ökosystem seziert. Zu wenig Kapital, vor allem für frühphasige Projekte, zu wenige Social Enterprises, die finanzierungsreif sind, zu wenige Talente, die ihre Fähigkeiten im sozialunternehmerischen Sektor einsetzen wollen. Und dieses Fazit ist sicher nicht falsch. Von Verwaltungskosten über Mitarbeiterbezahlung bis hin zum Fundraising – die Gesellschaft misst gerne mit zweierlei Maß: hier Wirtschaft, dort Wohlfahrt. So sitzt das Zwitter-Konstrukt „Sozialunternehmen“ meist schmerzhaft zwischen den Stühlen. Große gesellschaftliche Probleme mit unternehmerischen Mitteln lösen, wie soll das eigentlich gehen? Und darf man damit überhaupt Geld verdienen? Ein Grund, warum sich manch engagierter Akteur das oft missverstandene Etikett erst gar nicht anstecken möchte. Andere sehen sich als rein spendenfinanzierte Organisationen und drehen immer größere Fundraising-Räder, um noch mehr Zielgruppen und Länder mit ihren sozialen Leistungen zu erreichen. Dabei sollen sie aber bitte keine zu hohen Kosten für den Spenden-Kraftakt kreieren. Das gebiert die entscheidende Frage, wie angesichts dieser weitverbreiteten Haltung eine positive soziale und ökologische Wirkung je im großen Maßstab ausgerollt werden soll. Think Big? Skalierung? Sicher, gerne, aber womit?

Der tiefe Finanzierungsabgrund

Intermediäre wie die Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE) agieren deshalb bewusst als Sparringspartner in Sachen Wachstumskapital. Die Mission: die strategische Finanzierungslücke zu schließen, die durch einen Finanzbedarf entsteht, der für Spender und Philanthropen zu groß und für institutionelle Investoren zu klein und riskant ist. Trotz starker Wirkung könnte ein Social Entrepreneur sonst in diesem „Tal des Todes“ verdursten. (siehe Grafik) In dieser Finanzierungslücke spannt sich viel Raum für einen neuen Kapitalgeber-Typus auf: Impact Investoren. Doch damit beide Seiten auch zusammenkommen, müssen die Geschäftsmodelle fit für die Skalierung sein und die richtigen, geduldigen Geldgeber gefunden werden. Die Vermittlerrolle von FASE ist dabei nur eine von mehreren Bausteinen, die Brückenarchitekten derzeit einsetzen, um das Ökosystem für soziale Innovation europaweit auf Hochtouren zu bringen. Doch was ist eigentlich mit den sozialen Organisationen selbst? Wie „investment-ready“ sind sie?

Das Dickicht der (Selbst-)Definitionen

Das dickste Fragezeichen auf der unternehmerischen Stirn ist oft: „Was unterscheidet denn eigentlich eine Spendenorganisation von einem Sozialunternehmen?“ Die Verwirrung ist legitim. Auf der einen Seite gibt es die Spendenriesen wie Unicef oder SOS Kinderdörfer mit ihren gut geölten Sammelapparaten. Auf der anderen Seite die waschechten Social Entrepreneurs à la Frank Hoffmann von Discovering Hands oder Gregor Demblin von DisAbility Performance, die sich rückzahlbares Kapital zur Skalierung hereinholen. Beide Arten von Organisationen verfolgen ihre soziale Mission. Beide haben ihre guten Gründe, warum sie diesen Weg gewählt haben. Wann macht also welche Art der Finanzierung am meisten Sinn?

Die Antwort hängt oft mit der Lebenszyklus-Phase zusammen: Viele soziale und ökologische Initiativen fangen klein an und bemühen sich zunächst um Spenden. Die einen pumpen die berühmt-berüchtigten 3F „Friends, Family and Fools“ an oder plündern das eigene Sparbuch. Die anderen aktivieren die Crowd über innovative Plattformen und/oder pitchen bei Stiftungen. Wieder andere zapfen Ausschreibungen und Förderprogramme an, um an Zuschüsse zu kommen. Was aber kommt danach? Lässt sich das Paket vielleicht auch noch anders schnüren, damit es weiter trägt?

Entscheidend ist, wo die sozialunternehmerischen Macher selbst hin wollen. Bei den Hunderten von Initiativen, die wir bei FASE bereits mit passionierten „Changemakern“, „Weltverbesserern“, und „Next Generation Entrepreneurs“ diskutiert haben, schälen sich meist einige Merkmale heraus, die den Quantensprung im Skalierungs-Denken markieren. Gesucht: Überzeugende Antworten auf fünf wesentliche Themenblöcke.

  1. Eine klare Vision für eine skalierbare, messbare Wirkung
    Wie kann die bisher erzielte Wirkung noch mehr Tiefe und/oder Breite bekommen und wie kann man sie zuverlässig messen? Wie lautet die „Theory of Change“?
  2. Eine überzeugende Idee für ein wachstumsfähiges, selbsttragendes Geschäftsmodell
    Wo können die Umsätze herkommen und mit welchen Zielgruppen und Leistungen kann man sie noch weiter ausbauen? Wie kann man einen Breakeven erreichen?
  3. Eine Bereitschaft, sich auch auf andere Finanzierungsquellen und -modelle als nur auf Spenden einzulassen
    Was bedeuten verschiedene Finanzierungsarten und welche passen am besten zum eigenen Geschäftsmodell? Was wird im Gegenzug erwartet, wenn man sich auf diese Geldquellen einlässt?
  4. Ein engagiertes, interdisziplinäres Team
    Sind die richtigen Menschen mit an Bord, um das Wachstum zu stemmen? Teilen sie alle dieselbe Vision?
  5. Ein gesundes Bewusstsein über den bisher erzielten Erfolg
    Hat das Pilotprojekt wirklich funktioniert? Konnten die Leistungen den Zielgruppen und Begünstigten nachweislich helfen? Was lässt sich noch verbessern?

Man könnte es auch so umschreiben: Für Impact Investoren und Social Entrepreneurs zählen unternehmerische Qualitäten, die für die Vision eingesetzt werden, eine messbare und positive Wirkung für die Gesellschaft auf nachhaltige Weise zu erzielen. Echte Innovation eben.

 

Weiterführende Links zum Thema:

Interview mit Sira Munich: „Der Begriff Sozialunternehmer bereitet mir Bauchschmerzen

Rainer Höll und Felix Oldenburg (Ashoka): „Wie überwinden wir Hürden für soziale Problemlöser? Sechs Ansätze zur Verbreitung von sozialer Innovation und Social Entrepreneurship in Deutschland

TU München/Schwab Foundation „Social Investment Manual – An Introduction for Social Entrepreneurs

Linksammlung zu verschiedenen Büchern und Artikeln (engl.)
 

Christina Moehrle ist freiberufliche Autorin und Fachjournalistin mit Spezialgebiet Social Entrepreneurship und Impact Investing. Bei der Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE) kümmert sie sich seit August 2014 schwerpunktmäßig um die Kommunikation. Darüber hinaus fungiert sie als Advisor bei der Impact Investing Beratungsfirma Roots of Impact. Moehrle hat zuvor mehr als 15 Jahre praktische Erfahrung in Venture Capital und Alternative Investments gesammelt und ist Mitglied im Deutschen Fachjournalistenverband (DFJV).

(Bildquelle: privat/FASE)

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