AKADEMISCHES

Blick ins neue „Handbuch Fundraising“ der Fundraising Akademie

Wie einige Leser bereits erfahren haben, bringt die Fundraising Akademie im Frühjahr 2015 die fünfte überarbeitete Auflage des Handbuches Fundraising im Gabler Verlag heraus. Einen ersten Einblick gibt der Artikel von Dr. Friedrich Haunert zum Thema  Non-Profit-Governance.

4.6 Non-Profit-Governance

Steuerung und Kontrolle gemeinnütziger Körperschaften wird als Non-Profit-Governance bezeichnet. Interne Kontrollgremien müssen ihre Aufgabe so wahrnehmen, dass eine „ausgewogene Machtverteilung zwischen mindestens zwei Organen, abgesichert durch Berichtspflichten und Zustimmungsvorbehalte“ gewährleistet wird. Eine Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle sind ebenso essentiell wie Transparenz und eine aktive und umfassende Berichterstattung nach innen und außen.

 

4.6.1 Einleitung

„Glaubwürdigkeit ist das zentrale Kapital einer Spendenorganisation“ (vgl. Dallmann in diesem Band). Das schließt die Glaubwürdigkeit der Akteure ein, die eine gemeinnützige Körperschaft repräsentieren. Gute Unternehmensführung und Transparenz sind zwei Seiten derselben Medaille für Fundraising-Organisationen. Beide sind notwendige Existenzbedingungen in einer Gesellschaft, die das Spenden als Demokratisierung der Wohltätigkeit (ebd) betreibt und eine Autonomie der Mittelverwendung gemeinnütziger Organisationen staatlich garantiert.

Rahmenbedingungen und Standards für eine gute und verantwortungsvolle Führung und Kontrolle einer gemeinnützigen Körperschaft werden in diesem Beitrag als Non-Profit-Governance bezeichnet. (PwC: Management und Governance gemeinnütziger Organisationen S.74)

In diesem Kontext soll eine „gute Unternehmensführung“ nicht als reines Organisations- und Kontrollproblem erfasst werden. Non-Profit-Governance bezieht Stakeholder, deren Interessen und Beziehungen zur Umwelt mit ein und beschreibt die Verfassung einer Organisation.

Zahlreiche Skandale in gemeinnützigen Organisationen sind auf Steuerungsdefizite der Aufsichtsgremien zurückzuführen, sofern nicht kriminelle Handlungen und gezielte Täuschungen einzelner Leitungskräfte dafür verantwortlich waren.

 

4.6.2 Kontext: Corporate-Governance-Kodex für Aktiengesellschaften

Der Gesetzgeber hat „mit dem im Mai 1998 in Kraft getretenen Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Unternehmensführung und -kontrolle ergriffen.“ (Joachim Schwalbach, Anja Schwerk: in: André Habisch, René Schmidpeter, Martin Neureuter (Hrsg.): Handbuch Corporate Citizenship. Corporate Social Responsibility für Manager, Berlin, Heidelberg 2008, S. 76) Eine vom damaligen Bundeskanzler eingesetzte Corporate Governance-Kommission legte 2001 einen Bericht vor mit „Reformempfehlungen zu den Leitungs- und Aufsichtsorganen < ... >, den Aktionären und Anlegern, der Unternehmensfinanzierung, der Informationstechnologie und Publizität sowie der Rechnungslegung und Prüfung, also den meisten Teilbereichen der Corporate Governance.“ (ebd.) Die Kommission schlug Gesetzesänderungen, Deregulierungen und die Entwicklung eines deutschen Corporate-Governance-Kodex (DCGK) vor. Der in Folge verabschiedete Kodex wird regelmäßig überprüft und modifiziert.

Für den Dritten Sektor existiert keine vergleichbare Initiative der Bundesregierung.

Kodizes können neben juristischen Fragen auch ethische Aspekte tangieren. Somit wird bspw. dem DCGK eine Form von Gesetzes-Ergänzung zugesprochen, indem gesetzesverbessernde Verhaltensregeln festgelegt werden, die sich in einer Reihe mit zahlreichen Regulierungsgesetzen und Vorschriften zu Steuerung und Transparenz bewegen. Das alles geschieht für die Wirtschaft eher verhalten: Die Aufarbeitung der Finanzkrise hat der deutschen Finanzindustrie wesentlich weniger Regulierungen und Einschränkungen abverlangt, wie 2008 zunächst erwartet.

 

4.6.3 Corporate-Governance und Dritter Sektor

Bisher fehlen allgemein verbindliche Definitionen der Begrifflichkeiten „Kodex“ oder „Governance“ im Dritten Sektor. Gemeinnützige Körperschaften sind jedoch in mehrfacher Hinsicht von der Diskussion um Corporate-Governance tangiert:

Nach Auffassung von Schwalbach/Schwerk fördert „„Gute“ Corporate Governance < ... > den Unternehmenserfolg, und die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens ist integraler Bestandteil „guter“ Corporate Governance.“

Kooperationspartner aus der Wirtschaft hinterfragen als kritische Begleiter des Dritten Sektors bei Organisationen, mit denen sie im Rahmen von CSR an einem Tisch sitzen, ihrerseits deren Steuerung und Kontrolle, sie interessieren sich für deren Strategien zur Korruptionsprävention, Transparenz und Führung. Das war in den letzten Jahren kein geringer Anlass für NPO-Verantwortliche sich mit der Thematik inhaltlich zu befassen.

 

4.6.4 Non-Profit-Governance

Mit wem eine NPO und mit wem sie nicht kooperieren wird; wessen Spende sie eventuell ablehnt; welche Fundraising-Instrumente eingesetzt werden und welche nicht, all das sind Fragen, die mehr oder weniger intensiv in NPOs diskutiert werden. Für viele Mitglieder sind Verhaltensweisen wichtig, die einen Unterschied zum Marketing der Werbung treibenden Wirtschaft macht. Ebenso wichtig ist Vielen die Unabhängigkeit ihrer Organisation von Konzernen oder Großspenden. Mitglieder und Spendende, aber auch staatliche Finanziers wünschen oft mehr Kontrolle, Einsichtnahme, Regelung und Transparenz, sie verfügen jedoch nicht über entsprechende Vollmacht und Instrumente.

Eine Antwort auf die Frage, wie Vertrauen, das Geld- und Zeitspendende einer Organisation entgegen bringen, gesichert werden kann, lautet: Schaffung effektiver Kontrollstrukturen, transparente Berichterstattung, Einhaltung von Selbstverpflichtungen und Standards, kurzum: Good-Governance. Wesentliche Rahmenbedingungen setzt der Gesetzgeber.

 

4.6.4.1 Staatliche Regulierung, Beobachtung und Selbstverpflichtung

NGOs/NPOs oder Unternehmen der freien Wohlfahrtspflege können sich einerseits in einem strammen Korsett aus Gesetzen und Nachweispflichten veheddern, auf der anderen Seite fehlen gesetzliche Regelungen für viele Bereiche der Non-Profit-Governance, die das Fundraising betreffen. Bspw. haben in den letzten Jahren fast alle Bundesländer ihre Sammlungsgesetze aus Kosteneinsparungsgründen abgeschafft. Eine Regulierung bei Straßen- und Haussammlungen kann sich nur aus eigenen Governance-Regeln, dem Marktgeschehen - was machen die Mitbewerber? -, Medien und neutralen Beobachtern herausbilden. Transparenz ist nach außen hin erwünscht aber nicht verpflichtend; fehlende Berichts- und Bilanzierungsstandards erschweren eine Vergleichbarkeit; Wirkungsanalysen liegen noch längst nicht für alle Bereiche des Dritten Sektors vor. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass „Transparenz“ auch als Kampfbegriff aufgefasst werden kann, um in Debatten bestimmte Interessen kaschiert durchzusetzen: Angesichts von NSA und staatlichen Eingriffen lassen sich Autonomieeinbußen und Beschneidung von Freiheit befürchten. Transparenz ist in diesem zivilgesellschaftlichen Diskurs nicht per se „gut“, die bloße Forderung nach „mehr“ Transparenz ist noch keine qualitative Aussage. Worauf hat welcher Akteur legitimen Anspruch - wo gehen NPOs unkritisch in vorauseilendem Gehorsam zu weit? All das sind Fragen, die mit Bedacht diskutiert sein wollen.

Im Rahmen dieser Überlegungen haben sich Organisationen, Verbände und Netzwerke verschiedene Verhaltenskodizes gegeben, wie zum Beispiel: „Corporate Policy“(z.B. Ärzte ohne Grenzen), „Code of Conduct“ bzw. Leitlinien (z.B. Deutsche Stiftung Verbraucherschutz-Bündnis für Verbraucherbildung), ethische Grundsätze (Ethikkodex des DFRV), u.v.m. Sie haben Formate zum Berichtswesen entwickelt (z.B. Social Reporting Standard) oder aus anderen Sphären übernommen (z.B. Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten im Jahresbericht des IÖW). Das Konzept des DCGK wurde von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden übernommen. Allerdings ohne substantielle Transferleistungen auf den eigenen Sektor vorzunehmen. In den Kodizes der Wohlfahrtsverbände fehlt bspw. zumeist eine Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung über die geplanten und tatsächlichen Fortschritte. Ohne eine solche Regelung bleibt ein Kodex jedoch normativ und in seiner Wirkung beschränkt. Etliche NGOs/NPOs sind teils Selbstverpflichtungen eingegangen (z.B. Initiative Transparente Zivilgesellschaft), werden von Dritten bewertet, beobachtet und gerankt (z.B. Stiftung Warentest, Zeitschrift capital) oder verpflichten sich zur Weitergabe von Informationen an externe Prüfinstanzen, die sie teils gegen Gebühr prüfen und Siegel (DZI-Spendensiegel) verleihen. Konkurrierende Systeme von Siegeln, Selbstverpflichtungen und Logos nichtstaatlicher, sich selbst-legitimierender Institutionen schaffen für Spendende, Medien oder staatliche Geldgeber oft mehr Verwirrung als Durchblick. Auf einige der genannten Aspekte geht Jörg Eisfeld-Reschke in seinem Beitrag ein.

Ohne externe Beobachtungsstandpunkte und Berichte bleibt den Zielgruppen der Fundraising-Aktivitäten von NPOs - uns allen - kritische Aufmerksamkeit zu wahren, unabhängige Informationen zu suchen und Austausch mit anderen potentiellen Fundgivern zu pflegen. Spendenplattformen und den Dritten Sektor betreffende Social Media-Angebote sind Instrumente, die möglicherweise Regulierung, Kontrolle, Steuerung und Transparenz fürderhin werden ergänzen können.

 

4.6.5 Non-Profit-Governance-Probleme

Prozesse zur Steuerung und Kontrolle von Non-Profit-Organisationen müssen von Führungskräften, Verantwortlichen und Aufsichtsgremien permanent ausbalanciert werden. Das Spannungsverhältnis zwischen zivilgesellschaftlichen Werten und Basisdemokratie einerseits und andererseits der Notwendigkeit professionellen Managements und Erfüllung gesetzlicher Vorschriften macht Führungsstrukturen und -prozesse erforderlich, die einen Ausgleich der verschiedenen Stakeholderinteressen schaffen, was sich zumal in eingetragenen Vereinen als äußerst anspruchsvoll gestalten kann.

Das Verständnis zu entwickeln, wem eine Organisation „gehört“ - den Mitgliedern, Leistungsempfängerinnen und -empfängern, Hauptfinanziers oder gar wenigen Topspenderinnen - ist nicht trivial. Der Vorstand hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Eigentumsinteressen zu erkennen, zu wahren und das Management zu kontrollieren und zu beraten, ob es in diesem Sinne handelt. Bei der Treberhilfe Berlin fand diese Kontrolle unzureichend statt, und die Interessen wichtiger Stakeholder wurden umgangen. So wurden Einkünfte und Gratifikationen des Geschäftsführers gemessen an üblichen Bezügen in Sozialunternehmen überdurchschnittlich hoch angesetzt. Nach jedem neuerlichen Skandal verlangt die Politik mehr Transparenz, ja, sie ruft sogar nach Entwicklung einer Art Ehrenkodex für soziale Unternehmen. Außerdem muss die innerorganisatorische Transparenz geregelt werden: Wer berichtet wem?

 

Im Folgenden werden einige Herausforderungen für Non-Profit-Governance beschrieben:

4.6.5.1 Trennung von Aufsicht und Umsetzung von Entscheidungen

Da Leitungsgremien grundsätzlich über einen Informationsvorsprung gegenüber Ehrenamtlichen, Mitgliedern, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern verfügen, muss ein funktionsfähiges Aufsichtsgremium strategisch steuern, in wichtigen Fragen beraten, Leitungsgremien/-personen bestellen und abberufen, deren Vergütung regeln und im Rahmen zustimmungspflichtiger Rechtsgeschäfte kontrollieren. In diesem Gremium oder einem anderen Gremium, z.B. einem Beirat, können die Interessen der Mitarbeitenden und Förderer Berücksichtigung finden.

Vorstände von NPOs müssen die Überlebensfähigkeit einer Organisation sicherstellen. Sie verantworten das Geschäftsmodell und das strategische Finanzkonzept, um die Zwecke im ideellen und wirtschaftlichen Bereich und in der Vermögensverwaltung zu erreichen und beabsichtigte Wirkungen zu erzielen. Führungskräfte hingegen müssen operativ steuern, Managementprozesse beherrschen, Strukturen aufbauen, die neben der Liquiditätssicherung und der Rücklagenbildung auch die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen umfassen, die sich z.B. aus dem Gemeinnützigkeitsrecht ergeben. Organisationen sind in der Personalentwicklung, der Sicherung des Cash Flows (z.B. bei öffentlich geförderten Projekten), im Wettbewerb, durch den Einfluss neuer Techniken (Stichwort Digitalisierung), der Änderung gesetzlicher Vorschriften oder im Fundraising spezifischen Risiken ausgesetzt. Die Leitung muss daher Risikomanagement betreiben, indem sie geeignete Maßnahmen zur Risikoerkennung einzieht. Erkannte Risiken müssen in ihrem Einfluss auf Ziele und Überlebensfähigkeit eingeschätzt und anschließend geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

 

4.6.5.2 Interne Berichterstattung

Leitungsgremien und Geschäftsführung berichten regelmäßig und in angemessener Weise den Aufsichtsgremien, damit sich diese ein realistisches Bild zur Strategie und Planung, zur Finanzsituation, Steuerung, internen Konflikten, Qualitätsmanagement und Controlling machen können und rechtzeitig beratend bzw. sogar steuernd eingreifen können. Diese interne Transparenz ist ein wesentlicher Aspekt von Non-Profit-Governance.

Beratung durch Aufsichtsgremien kann nur erfolgen, wenn das Informationsdefizit, dem sie unterliegen, von einer Geschäftsführung nicht gezielt ausgenutzt wird.

 

4.6.5.3 Governance und Macht

Die Machtverteilung zwischen Vorstand und Geschäftsführung muss demnach so gestaltet werden, dass sich eine reibungslose Zusammenarbeit ergibt. In manchen NPOs gibt es aber eine fatale (persönliche/private) Nähe zwischen Gremien, die für Außenstehende nicht erkennbar ist und sein soll. Dann funktioniert zwar die reibungslose Zusammenarbeit, Kontrolle ist aber nahezu ausgeschlossen. Eine konfliktträchtige Machtverteilung innerhalb eines Vorstands kann andererseits eine NPO in ihrer Funktionsweise oder Performance stark beeinträchtigen. Somit müssen Vorkehrungen für einen Ausgleich bei Konflikten getroffen werden, die jenseits einfacher Mehrheitsregelungen auch die zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigen. Denn Machtkämpfe im Vorstand können Fraktionsbildungen innerhalb der Mitgliedschaft auslösen, die zu einer Spaltung führen können.

Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Machtmissbrauch, auch im Zusammenspiel mit Intransparenz. Hier wäre der Skandal um den Bau des Limburger Bischofssitzes zu nennen. Offenbar wurde innerkirchlich erst in dem Moment der Druck so stark, als der Mediendruck unaufhörlich stieg und die Kirchenaustritte zunahmen. Menschliches Versagen kann in Systemen entstehen, die ein überhohes Maß an Integrität bei ihren mit großen Handlungsspielräumen ausgestatteten Machteliten voraussetzen, bei gleichzeitigem Abverlangen von „blindem“ Vertrauen der Mitglieder unter Berufung auf höhere Instanzen und zu lasch ausgeprägten Kontrollstrukturen. In solchen Systemen sind unabhängige und fachlich versierte Kontrollorgane unabdingbar. Zugleich ist von Mitgliedern in dergestalt verfassten Organisationen allerdings auch ein gewisses Maß an Zivilcourage erwartbar, anstatt sich Loyalitätserwartungen der Institution zu beugen. Geeignete Governance-Regeln oder -Kodizes sollten Machtfragen adäquat klären.

 

4.6.5.4 Korruption

In diesen Komplex gehört ebenfalls die Frage der Korruptionsprävention. Je nach Hierarchiestufe ist eine Ausdifferenzierung zunächst global formulierter Ansprüche an Korruptionsfreiheit vorzunehmen. Zumindest muss ein Begriff von Korruption in der Organisation vorhanden sein. Transparency International bezeichnet Korruption als „Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“. Diese Definition zugrunde legend, müssen zwingend Strukturen und Sanktionen innerhalb einer Organisation geschaffen werden, die korruptionspräventiv wirken. Eine Fundraising-Managerin, die Budgets an Dienstleister vergibt, benötigt einen klaren Rahmen, was genau unter privatem Nutzen oder Vorteil zu verstehen ist und welche Verhaltensanforderungen daraus resultieren. Es ist für den Fundraisingerfolg nicht besonders hinderlich, wenn beide, Dienstleister und Fundraising-Verantwortliche, ihr Mittagessen selbst bezahlen, ohne zu unterstellen, eine Einladung wirke gleich korrumpierend. Die schleichenden Übergänge sind aber das Problem.

 

4.6.5.5 Leitbild und Personalentwicklung

Neben Vertrauen in eine NPO gibt es weitere für den Erfolg unabdingbare Ressourcen, die in Good-Governance zu bearbeitend sind. Haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in NPOs verfügen sehr oft über eine stark intrinsische Motivationen, weshalb sie z.B. vergleichsweise niedrige Bezahlung, geringe Aufstiegschancen und geringes Prestige in Kauf nehmen, solange die Arbeit der Organisation mit ihren Werten in Einklang steht. Erodiert in Folge von Machtkämpfen, Skandalen, Führungsproblemen oder dergleichen die intrinsische Motivation, insbesondere die der Freiwilligen, kann eine unerwünschte Fluktuation den Erfolg der Organisation beeinträchtigen und somit die Gemeinwohl-Ziele behindern. Daher muss Non-Profit-Governance auch diesen Bereich im Blick haben und sich zu Personalentwicklung, Kulturwandel und Partizipation entschließen. Leitbilder und Sinn als verbindende Materie dienen insofern immer auch der guten Unternehmensführung und sind kein schmückendes Beiwerk.

 

4.6.5.6 Wandel

Beschleunigter gesellschaftlicher und technologischer Wandel - Stichwort Globalisierung und Internet - andauernde Verteilungskämpfe um knappe Ressourcen, zu denen sich neue Player einfinden - Stichwort Social Entrepreneurship - usw. zwingen NPOs/NGOs zur permanenten Neu-Positionierung und Wandel ihrer Strukturen und Selbstverständnisse. Die Geschwindigkeit dieser Prozesse wird sich eher noch erhöhen. Die notwendige Organisationsentwicklung in einer NPO - von einer Beobachterin und Bewahrerin hin zur Akteurin - macht völlig neue Governance-Strukturen für NPOs erforderlich. Hierzu zählen andere Geschäftsmodelle und deren Entwicklung, aber auch die Auseinandersetzung mit Wirkung auf einer komplexeren Ebene. Es geht nicht mehr um Optimierung, sondern um Neuerfindung und Substitution. Bisherige Regelungen zur Steuerung von NPOs greifen ins Leere. Experimente mit hybriden Organisationsformen, die nicht in bestehende gesetzliche Regelungen passen, bringen radikale Transparenz und Beteiligungsmodelle hervor. (vgl. den Artikel von Norbert Kunz in diesem Band. Als Beleg dieser These mag auch Fairnopoly dienen.)

 

4.6.5.7 Führungsverständnis

Die neuen Steuerungserfordernisse machen neue Führungsmodelle in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung notwendig. Ein geändertes Führungsverständnis im Rahmen von Non-Profit-Governance sucht nach Reflexionsmöglichkeiten und Vernetzung mit anderen gesellschaftlichen Bereichen, schafft Transparenz durch Wertschätzung, Vertrauen und Öffnung, vermittelt Sinn und lebt eine Kultur der Gemeinwohlorientierung vor, baut flexible Strukturen auf und beugt durch Partizipation engen Egoismen vor.

 

4.6.5.8 Rechenschaft über Wirkungen

In der Auseinandersetzung mit Governance fehlt in vielen Non-Profit-Kodizes eine angemessene Berücksichtigung von Rechenschaftspflicht. „Accountability“ bezeichnet einerseits die rechtlich kodifizierte Pflicht zur Rechenschaftslegung, die etwa im Steuer- oder Gemeinnützigkeitsrecht angelegt, sich aus der Rechtsform oder Mitgliedschaft zu einem Verband ergibt oder vertraglich vereinbart ist.

Außerdem meint Accountability eine Form von gelebter Rechenschaftspflicht, die sich als Selbstverpflichtung aus den Grundüberzeugungen einer NPO ergibt. So machen einige NPOs freiwillig, zum Beispiel als Mitglied eines Netzwerks, zahlreiche Informationen der Öffentlichkeit zugänglich. Auch gibt es zahlreiche Organisationen, in denen die Fundraising-Abteilungen eigene Regeln (Policy) zur Rechenschaft gegenüber ihren Fördernden oder dem Einsatz der Spenden nach bestimmten Maßstäben (Verwaltungskostenanteile, Wirkung, Qualität etc.) erarbeitet haben. Andere NPOs lassen sich dahingehend überzeugen, dass eine Selbstverpflichtung zur Transparenz - zum Beispiel ITZ - nicht nur keinen Schaden anrichten, sondern von der Außenwelt als reputationsfördernd belohnt wird.

Weitere NPOs sind in ihrem Selbstverständnis hingegen eher geschlossen und infolge dessen erst dann zu größerer Transparenz bereit, wenn der Gesetzgeber es von ihnen verlangt.

Schwieriger zu bewerkstelligen ist jedoch eine dritte Form von Rechenschaft, die gegenüber Geldempfängern, den Nutznießenden sozialer oder entwicklungspolitischer Arbeit. Non-Profit-Governance muss die Wirkungen ihrer Leistungen näher ins Auge fassen und ebenso mit Wirkungsanalysen im Fundraising befassen.

 

Fazit

Der Prozess zur Schaffung und Implementierung geeigneter Regelungen im Rahmen einer Non-Profit-Governance muss sich auf viele unterschiedliche Handlungsfelder konzentrieren. Notwendig sind Verfahren, die partizipativ, dezentral und Selbstorganisation fördernd angelegt sind.

Die Erarbeitung eines Kodex ist zwar wichtig, aber nicht ausreichend. Die hinterlegten Regeln müssen auch gelebt und permanent weiter angepasst werden.

Essentiell sind Aussagen zur Verantwortung und zum Wettbewerb um Lösungen in fairer Kooperation. Wozu Transparenz dienen und wie weit sie gehen soll muss bewusst ausgelotet werden.

 

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