AKADEMISCHES

Klare Position bringt mehr Spenden

Schöpfen wir unser Potenzial, Spender zu erreichen, schon aus? Diese Frage beantworten zwei aktuelle Studien, die sich mit dem Spenderpotenzial und dem Kommunikationsverhalten der Deutschen beschäftigen.

von Matthias Daberstiel

Die Spendenbereitschaft in Deutschland ist immer noch hoch. Eine Studie des internationalen Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov zeigt aber, dass die auf Spenden angewiesenen Organisationen ein deutlich höheres Spenden-Potenzial in Deutschland abrufen könnten. Sie definieren in ihrem Report „Nichtspender-Potenzial nutzen“ dieses „nahe Potenzial“ als Personen, die innerhalb der letzten zwölf Monate nicht gespendet haben, aber grundsätzlich eine Spendenbereitschaft sowie eine Affinität zu Themenbereichen wohltätiger Organisationen aufweisen. Wird dieses nahe Spenderpotenzial erreicht, ist in einigen Themenbereichen eine Vervielfachung der Spenden möglich (Bild 1). Besonders groß ist es in den Bereichen „Soziales und Humanitäre Hilfe“ und „Kinder- und Jugendhilfe“. Hier lassen sich 44 bzw. 41 Prozent als Potenzialzielgruppe definieren und bei gezielter Ansprache als Neuspender gewinnen. Ebenfalls hoch ist es in den Bereichen „Gesundheit“ (39 Prozent), „Eine Welt und Katastrophenhilfe“ (32 Prozent) und „Tierschutz“ (21 Prozent).

Die Experten von YouGov, die an der Studie gemeinsam mit dem Deutschen Spendenhilfsdienst und „steinrücke & ich“ arbeiteten, empfehlen gemeinnützigen Organisationen, ihre Positionierung zu überdenken, um mehr Spender auf sich aufmerksam zu machen. „Für viele Spender steht im Mittelpunkt, etwas Gutes bewirken zu wollen. Die Verbundenheit mit einer Organisation spielt eine kleinere Rolle. Dies stellt die Organisationen vor zusätzliche Herausforderungen“, sagt Markus Braun, Head of Business Unit Reports bei YouGov. „Die verschiedenen Organisationen sollten sich möglichst eindeutig mit dem Spendenzweck positionieren, der den Überzeugungen der potenziellen Spender entspricht.“

Thema bestimmt Spendenbereitschaft

Wie der Report zeigt, schaffen gerade das einige Organisationen nicht. Wird beispielsweise die Potenzialzielgruppe beim Thema „Katastrophenhilfe“ nach Organisationen gefragt, die ihrer Meinung nach für einen guten Zweck stehen, der ihnen am Herzen liegt, schaffen es nur „Ärzte ohne Grenzen“ und das Deutsche Rote Kreuz mit 57 bzw. 39 Prozent in das Gedächtnis der Spender. Andere in diesem Bereich agierende Organisationen, zum Beispiel „World Vision“, „Oxfam“ oder „UNO Flüchtlingshilfe“, tauchen in den Top Ten des nahen Spenderpotenzials für die Katastrophenhilfe gar nicht auf. In anderen Spendenbereichen sieht es ähnlich aus. Zwar sind unter den Top Ten im Bereich „Kinder- und Jugendhilfe“ die „SOS Kinderdörfer“, „Ein Herz für Kinder“ und „UNICEF“ vertreten. Dennoch sind Organisationen aus den Bereichen Medizin und Soziales hier präsenter als Organisationen wie das „Deutsche Kinderhilfswerk“, die „Kindernothilfe“ und „Save the Children“.

Online-Nutzung wächst weiter

Eine zweite Studie beleuchtet das Kommunikationsverhalten der Deutschen. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 enthüllt dabei Trends, die auch eine Auswirkung auf das Spendenverhalten haben können, denn Kommunikation bedeutet auch, Menschen mit Themen zu erreichen. Erstmalig ist die Internetnutzung der Deutschen auf über zwei Stunden täglich angewachsen. Insgesamt sind 83,8 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren online. Einen besonderen Zuwachs verzeichnet die Studie bei den über 40-Jährigen, die auch von Spendenorganisationen immer stärker in den Blick genommen werden. Doch auch bei der Zielgruppe der über 60-Jährigen sind mittlerweile über die Hälfte zumindest selten online (57 Prozent). Etwas mehr als ein Drittel nutzt das Internet sogar täglich.

Smartphone überholt den PC

Der Anstieg der Nutzung ist laut der Studie besonders auf die mobile Nutzung des Internets zurückzuführen. Erstmals überholt das Smartphone Laptops und stationäre PCs als das Gerät, mit dem das Internet genutzt wird. Auch hier gibt es Altersunterschiede. So sind die 50- bis 69-Jährigen zu 31 Prozent mit dem Smartphone online, die 30- bis 49-Jährigen zu 65 Prozent. Bei den über 70-Jährigen nutzen übrigens immerhin noch 11 Prozent das Smartphone, was immer noch höher als ihre PC-Nutzung (sechs Prozent) ist. Auch die Altersstruktur derjenigen, die das Internet unterwegs nutzen, hat sich verändert. Die Älteren haben in der Gruppe deutlich an Gewicht gegenüber der für das Thema Spenden eher weniger interessanten Gruppe der 14- bis 29-Jährigen gewonnen. Die stärkste Nutzergruppe dieser „Unterwegsnutzer“ bilden die 30- bis 49-Jährigen mit 42 Prozent. Nur noch ein Drittel der Nutzer sind unter 30, und die 50- bis 69-Jährigen sind immerhin schon zu 21 Prozent unterwegs online.

Videos sind gefragt

Diese mobile Nutzung wirft Fragen für die Zukunft der Kommunikation von Spendenprojekten auf. Denn die Informationssuche liegt bereits unter den Top drei der Anwendungen. 29 Prozent der Internetnutzer suchen täglich Informationen, 77 Prozent zumindest wöchentlich. Das heißt 18 Millionen Deutsche suchen täglich im Netz. Und das in allen Altersgruppen. Die Nutzer wollen dort aber Themen finden, nicht unbedingt Spendenmöglichkeiten. Positionierung nah am Thema ist also wichtig. Überdurchschnittlich zugenommen hat auch die Video- und Audio-Nutzung. Diesen Nutzungsgewohnheiten sollten auch gemeinnützige Organisationen nachkommen. Ein Statement über ein Video einzubinden, und sei es nur mit dem Smartphone aufgenommen, sei authentischer und erfolgreicher, als es einfach auf die Website zu schreiben, meinte erst kürzlich Maik Meid, Studienleiter Online-Fundraising bei der Fundraising-Akademie, bei einer Tagung der Evangelischen Landeskirche Bayern in Nürnberg. Auch soziale Netzwerke erleben keinen Abschwung, sondern steigern ihre Nutzungszahlen. Facebook wird nach den absoluten Nutzungszahlen von 20- bis 49-Jährigen dominiert. 15 Millionen Deutsche sind täglich bei Facebook unterwegs. Twitter stagniert dagegen und neue Dienste wie Instagram oder Snapchat steigern ihre Nutzerzahlen.

Online-Banking hinkt hinterher

Und Bankgeschäfte? Nach der Studie verwalten gerade einmal 34 Prozent der Internetnutzer ihr Konto auch online. Bei den über 70-jährigen Onlinenutzern sind es 28 Prozent. Im internationalen Vergleich liegen wir damit nur im Mittelfeld. Doch wenn Online-Bezahlen nicht zum Standard wird und sich schon die Onliner damit schwertun, ist es auch schwierig, Menschen online zum Spenden zu bewegen. Die Angst vor Betrug sowie Sicherheitsvorbehalte sind für die Deutschen die größten Barrieren für die Nutzung von Online-Banking, wie schon eine Studie 2014 ergab.

Trotzdem kommen gemeinnützige Organisationen nicht am Internet vorbei. Sie können durch ihre suchmaschinenoptimierten und an die Smartphone-Nutzung angepassten Websites gezielt Informationen anbieten und so Spenden fördern oder sogar auslösen. Auch wenn die dann mehrheitlich noch am Bankschalter überwiesen werden.

(Bildquelle: YOUGOV)

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