AKADEMISCHES

Fördervereine boomen in Deutschland

Studie „ZiviZ-Survey 2017“
Studie „ZiviZ-Survey 2017“

Fast jeder zweite Bundesbürger ist Mitglied in einer von mehr als 600.000 gemeinnützigen Organisationen. Davon sind 95 Prozent Vereine, aber auch Stiftungen, Genossenschaften und andere Einrichtungen sind darunter. Und ihre Zahl wächst, wie der ZiviZ-Survey 2017 zeigt.

Der Verein ein Auslaufmodell? Nicht nach der aktuellen Studie „ZiviZ-Survey 2017“. Nach der Erkenntnis dieser umfassenden Studie zur deutschen Zivilgesellschaft gibt es mehr gemeinnützige Organisationen als je zuvor. Rund jeder zweite Deutsche ist danach Mitglied in einem von mehr als 600.000 Vereinen. 95 Prozent der gemeinnützigen Organisationen sind Vereine, aber auch Stiftungen und Genossenschaften und andere Organisationsformen nehmen zu. Bei einem Drittel der Vereine stieg die Zahl der Mitglieder im Vergleich zum Jahr 2012.


Fördervereine wachsen stark

Jeder fünfte Verein ist ein Förderverein. Die Studie schätzt, dass es rund 130.000 Fördervereine in Deutschland gibt. Davon wurden knapp 30 Prozent erst nach dem Jahr 2006 gegründet. Damit ist der Förderverein eines der am stärksten wachsenden Segmente unter gemeinnützigen Organisationen. Dieses bisher vernachlässigte Forschungsfeld wird durch die Studie erstmals etwas beleuchtet. Ob die Zunahme der Fördervereine gerade im Kultur- und Bildungsbereich auch ein Indiz für den Rückgang des Staates und ein Einspringen der Zivilgesellschaft ist, lässt die Studie allerdings offen. Fördervereine gibt es außerdem mehr in West als in Ost und mehr in Großstädten als auf dem Land.

Das Wachstum der Fördervereine wird durch die Studie auch mit einem anderen interessanten Argument erklärt. Möglicherweise entspräche eine Mitgliedschaft in einem Förderverein eher einem modernen Lebensstil, der von Zeitknappheit geprägt sei. Durch Beitragszahlungen könnten auch jene sich gesellschaftlich engagieren, denen die Zeit für regelmäßige Vereinsaktivitäten, wie in Traditionsvereinen üblich, fehlt.

Der Bereich Sport ist mit 22 Prozent der größte Organisationsbereich. Doch hier sagen nur 32 Prozent der etwa 133.000 Vereine, dass ihre Mitgliederzahlen wachsen. Bei Vereinen, die Bürger- oder Verbraucherinteressen vertreten, sind es dagegen 51 Prozent.

Rahmenbedingungen verbessern

Viele Organisationen wünschen sich mehr Unterstützung im Fundraising.
Viele Organisationen wünschen sich mehr Unterstützung im Fundraising.

„Ohne bürgerschaftliches Engagement keine Zivilgesellschaft“ stellt die Projektleiterin der Studie, Jana Priemer, fest. 72 Prozent der Organisationen arbeiten ohne bezahlte Beschäftigte, also auf rein ehrenamtlicher Basis. Der Anteil ist seit 2012 leicht gesunken, vor allem in den Sport- und Freizeitvereinen. Damit setzt sich ein Trend fort, der sich bereits in der Studie 2012 abgezeichnet hat.

„Umso wichtiger ist es, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern. Nur so können noch mehr Menschen für zivilgesellschaftliches Engagement begeistert werden“, meint Priemer weiter. 53 Prozent der 6.900 befragten gemeinnützigen Organisationen wünschen sich eine Verbesserung beim gemeinnützigkeits- und Spendenrecht und 48 Prozent eine Unterstützung beim Fundraising und beim Beantragen und Verwalten von Fördermitteln. Auch der Abbau von bürokratischen Hürden und der Wunsch nach konkreten Ansprechpartnern in den Stadtverwaltungen wurde in der Studie deutlich (Bild).


Homogene Mitgliederstrukturen

Noch immer gelten Vereine oft als geschlossene Gruppen, was sich auch in der Studie widerspiegelt: Der Großteil der Organisationen gibt an, Mitglieder und freiwillig Engagierte seien kulturell eine eher homogene Gruppe. Das trifft auf 90 Prozent der Kirchen- und religiösen Vereinigungen zu, aber auch bei den Sport- und Freizeitvereinen sind es über 70 Prozent. Selbst in Organisationen, die in der internationalen Entwicklungspolitik aktiv sind, meinen 75 Prozent der Vereine, ihre Mitglieder haben eine ähnlich kulturelle Herkunft.

Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen verstehen sich als Teil einer autonomen Zivilgesellschaft. Zwei von drei gemeinnützigen Organisationen halten es für richtig und wichtig, dass ihre Arbeit nicht vom Staat sondern von der Gesellschaft geleistet und finanziert wird. Ein knappes Drittel meint, ihre Arbeit solle zumindest durch den Staat finanziert werden. Lediglich sechs Prozent verstehen sich als Ausfallbürge und meinen, ihre eigene Arbeit solle von staatlichen Stellen geleistet werden. Diese Zahlen sprechen für ein hohes Selbstbewusstsein und auch den Zwang eigene Finanzierungswege zum Beispiel durch Fundraising zu finden.

(Bild: ZiviZ-Survey 2017)

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