AKADEMISCHES

Reiche spenden mehr

Geltend gemachte Spenden nach Einkommenshöhe
Geltend gemachte Spenden nach Einkommenshöhe

Dass Vermögende viel Spenden, sollte wohl wirken wie der bekannte weiße Schimmel, ist aber in Wirklichkeit nicht so selbstverständlich. Es gibt keinen Automatismus, viel Geld zu haben und viel zu spenden. Ein statistischer Zeitreihenvergleich geltend gemachter Spenden zeigt aber, dass Reiche noch nie so viel gespendet haben wie in den letzten Jahren.

von Matthias Daberstiel

Landauf und landab werden für die Berechnung des Spendenvolumens in Deutschland immer die Zahlen des Deutschen Spendenrates und der Gesellschaft für Konsumforschung oder des Spendenmonitors von Kantar TNS herangezogen. Die Zahlen des Spendenrates beruhen auf einer sogenannten Panelbefragung – also definierten Haushalten, die repräsentativ für Deutschland sind und die von TNS Kantar auf umfänglichen telefonischen Befragungen. Beide kommen zu Ergebnissen von etwa 5 Milliarden Euro jedes Jahr, klammern aber Großspenden aus, weil sie das Ergebnis in der Stichprobe sonst zu stark nach oben treiben würden, was nicht der Realität entspräche. Bei der GFK werden zum Beispiel keine Spenden über 2.500 Euro mitgezählt. Das macht es schwierig, das reale Spendenaufkommen in Deutschland wirklich einzuschätzen.


Doppelt so viele Spenden in der Statistik

Etwas Licht bringen da die Zahlen der geltend gemachten Spenden von Bürgern, die vom Bundesamt für Statistik jedes Jahr auf der Basis der Einkommensteuererklärungen erstellt werden. Auch diese Daten sind nicht vollständig. Denn Menschen, die keine Steuern zahlen müssen, machen auch keine Steuererklärung, viele Rentner zum Beispiel. Das Bundesamt für Statistik weist aber auch geltend gemachte Spenden von Steuerpflichtigen über 100.000 Euro Jahreseinkommen aus. Ein Einkommen, das man durchaus als hoch bezeichnen darf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuerpflichtige auch gemeinsam veranlagte Ehepaare sein können. Eine Pro-Kopf-Spende ist so also nicht auszurechnen. Manko der Statistik ist auch, dass gerade erst die Zahlen für 2015 veröffentlicht wurden. Sie hinken der Realität also drei Jahre hinterher. Solange gilt die Einkommensteuer nämlich nicht als abschließend festgestellt. Demnach haben im Jahr 2015 von über 40,6 Millionen Steuerpflichtigen immerhin 10,6 Millionen Spenden im Wert von 9,7 Milliarden Euro geltend gemacht. Angesichts des hohen Rentneranteils im Bereich der nicht Steuerpflichtigen ist von deutlich mehr als 10 Milliarden Euro privatem Spendenvolumen in Deutschland pro Jahr auszugehen.


Spendenaufkommen wächst

Die Veränderungen im deutschen Spendenverhalten werden durch eine langfristige Betrachtung der vom Finanzamt anerkannten Spenden sehr deutlich. Denn seit Mitte der 1970er Jahr kennt das Spendenaufkommen eigentlich nur eine Richtung: nach oben. Waren es im Jahr 1974 nur 138 Euro, die pro steuerpflichtigem Spender für den guten Zweck gegeben wurden, sind es 2015 schon 525 Euro. Gegenüber 2014 bedeutet das ein Wachstum von 3,5 Prozent. Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass viel mehr Spenden geltend gemacht als zum Schluss wirklich anerkannt werden. Von den 2015 geltend gemachten 9,7 Milliarden Euro an Spenden wurden nur 5,4 Milliarden Euro als abzugsfähig anerkannt. Worin diese große Diskrepanz liegt, vermag die Statistik leider nicht zu beantworten. Die Zahl der geltend gemachten Spenden hat sich aber seit 2006 in nicht einmal zehn Jahren verdoppelt! (siehe Bild 1)

Geltend gemachte Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung
Geltend gemachte Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung

Reiche spenden deutlich mehr

Auffällig ist dabei der Anteil der Steuerpflichtigen mit mehr als 100.000 Euro, die 2015 zum ersten Mal seit 2006 mehr gespendet haben als alle anderen Steuerpflichtigen, die unter dieser Einkommensgrenze liegen, zusammen. Grund ist der deutliche Anstieg von durchschnittlich 25.518 Euro pro reichem Steuerpflichtigem im Jahr 2014 auf 46.116 Euro für das Jahr 2015. Eine enorme Steigerung! Einen Einfluss könnten die rechtlichen Veränderungen seit 2013 im Spendenrecht haben. Seitdem ist nämlich das Spenden in den Vermögensstock von privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Stiftungen bis zu einem Spendenhöchstbetrag von 1 Million Euro steuerlich über zehn Jahre absetzbar. Doch die Analyse der Bundesstatistik zeigt bei weitem nicht solche Steigerungsraten bei dieser Art von Zuwendung (Bild 2). Ein leichter Anstieg und ein „Ankündigungseffekt“ des neuen Gesetzes von 2012 auf 2013 ist aber deutlich zu erkennen. Viele haben ihre Investments in eine Stiftung offenbar bewusst auf 2013 verschoben.

Geltend gemachte Spenden nach Bundesländern und Spendenbereitschaft pro steuerpflichtigem Haushalt
Geltend gemachte Spenden nach Bundesländern

Regionale Unterschiede

Auch regional sind Unterschiede erkennbar (Bild 3). Wer jetzt die neuen Bundesländer auf dem letzten Platz der Spendenstatistik vermutet, liegt nur fast richtig. Den letzten Platz bezogen auf die geltend gemachte Spende pro Steuerpflichtigem im Jahr 2015 nimmt mit 271 Euro im Jahr das Saarland ein. Zum Vergleich: Mecklenburg-Vorpommern liegt bei 587,92 Euro in dieser Kategorie, aber trotzdem nur auf Rang 10 und ist damit bestes ostdeutsches Bundesland. Das spendenfreudigste Flächenbundesland ist das, dessen Bürger allgemein als die sparsamsten und fleißigsten beschrieben werden: Baden-Württemberg. Immerhin 1.463 Euro spendeten steuerpflichtige Spender hier im Schnitt. Das macht Platz zwei hinter dem Spendenkrösus Hamburg mit 2514 Euro. Den dritten Platz sichert sich Berlin mit immerhin noch 1378 Euro vor NRW (884 Euro) und Hessen (864 Euro). Das wirtschaftlich prosperierende Bayern liegt übrigens bei der Höhe der Spenden nur im Mittelfeld bei 663 Euro. Dafür nimmt es bei der Spendenbereitschaft den zweiten Platz ein. Immerhin 37,7 Prozent der steuerpflichtigen Bayern und Franken hatten 2015 Spenden geltend gemacht. Danach folgen Baden-Württemberg (33,4 %), Rheinland Pfalz (27,7 %) und Hessen (26,5 %). Unangefochtener Spitzenreiter bei der Bereitschaft zu spenden ist aber das Saarland. Jeder zweite Saarländer machte 2015 Spenden geltend. Hier hat man also kein großes Portemonnaie, aber ein großes Herz.

Insgesamt wird deutlich, dass der Anteil der Menschen mit hohem Vermögen am deutschen Spendenvolumen seit Jahren zunimmt. Das korrespondiert mit den Bemühungen vieler Organisationen, in diesem Bereich Kompetenzen aufzubauen und Großspendenfundraiserinnen und -fundraiser einzustellen. Ein weiterer Grund könnte auch eine Steigerung durch eine zunehmende Anzahl von Erbschaften mit hohen Vermögen sein, wie sie seit einigen Jahren beobachtet wird.

Einen echten Überblick über die deutsche Spendenbereitschaft würde aber nur eine Erfassung der eingehenden Spenden bei den Organisationen geben. Dies ist aber nach wie vor nicht möglich, weil die Bundesregierung dafür eine gesetzliche Regelung schaffen müsste. Die Daten liegen ja beim Finanzamt durch die Körperschaftssteuererklärungen vor, wie bei der Einkommenssteuer auch. Es wäre auch ein Segen für jede wissenschaftliche Betrachtung des Dritten Sektors.

(Bilder: Bundesamt für Statistik, Berechnungen: Fundraiser-Magazin)

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