AKADEMISCHES

Fundraising – Motor für Gemeindeentwicklung

Ehrenamtslotsen erleichtern den Einstieg in eine interessante Tätigkeit bei der evangelischen Gemeinde Düren.
Ehrenamtslotsen erleichtern den Einstieg in eine interessante Tätigkeit bei der evangelischen Gemeinde Düren.

Vor zehn Jahren entschied sich die Evangelische Gemeinde zu Düren bei Köln in Fundraising zu investieren. Nun zieht Hille Richers, die den Prozess begleitete, in einem Gastbeitrag für den ngo-dialog Bilanz.

Wie für viele andere Kirchgemeinden auch, waren vor zehn Jahren in Düren wirtschaftliche Erwägungen der Auslöser, um sich dem Thema Fundraising stärker zu widmen. Rückläufigen Mitgliederzahlen und zurückgehender öffentlicher Finanzierung wollten die Verantwortlichen der Gemeinde begegnen. „Suchet der Stadt Bestes“ – dieser Satz prägt das Leben und die Arbeit der Evangelischen Gemeinde zu Düren mit ihren 23.000 Mitgliedern schon seit der Dürener Theologischen Erklärung von 1969.


Entscheidung für Investition

Dieser Ansatz hatte strukturell bereits in den siebziger Jahren dazu geführt, sich als Groß-Gemeinde mit neun Pfarrbezirken zu organisieren, um Ressourcen zu bündeln und soziale Verantwortung in der Region zu übernehmen. Über 200 Beschäftigte in 16 sozialdiakonischen Diensten und Einrichtungen sind in der Gemeinde tätig. Über 600 Ehrenamtliche wirken mit. Die Zusammenarbeit mit Kommune, Land, Bund oder EU zur Mitfinanzierung der Stellen gehört bereits seit Jahren zum Alltagsgeschäft. 1997 entschied die Gemeindeleitung, nun mit mir als langjähriger Mitarbeiterin mit Fundraising-Manager-Ausbildung an der Fundraising Akademie, ein passgenaues Fundraising-Konzept in einem gemeinsamen Prozess zu entwickeln und dafür auch Geld zu investieren.


Intensive Analyse

Die geschaffene 50-Prozent-Stelle war als Stabsstelle bei der Gemeindeleitung angesiedelt, was sich als Vorteil besonders beim Hineinhören in die Gemeinde und den vielen Gesprächen mit haupt- und ehrenamtlich Tätigen am Beginn der intensiven Analyse entpuppte. Der Plan, Mailings zu versenden, forderte dazu heraus, den Sinn der Organisation „Gemeinde/Kirche“ und die Bedeutung des jeweiligen Themas für die Menschen in der Region präzise zu formulieren und beförderte wichtige interne Klärungsprozesse. Die Einführung der Außenperspektive durch den Marketingblick des Fundraisings gab Impulse für die eigene interne und externe Öffentlichkeitsarbeit. Mailings sollten eine begeisternde Einladung zur Beteiligung und Mitwirkung sein: mit Zeit- und/oder mit Geld-Spenden. Um glaubwürdig dafür offen sein zu können, setzte dies eine fruchtbare Weiterentwicklung der Dank- und Wertschätzungskultur sowie des Ehrenamt-Managements in Bewegung.


Wertvoller Dialog

Eine weitere wichtige Baustelle war die Arbeit an der eigenen „Dialog-Kultur“ und einer gelebten Offenheit für alte und neue Freunde. Dabei halfen Anleihen aus den Methoden der Gemeinwesenarbeit (aktivierende Befragung/Community Organizing – Zuhöraktionen) oder dem aus dem Amerikanischen stammenden Stewardship, die allerdings auf die spezifische Situation vor Ort hin angepasst wurden. Zentral war dabei die Ermutigung und Befähigung von Ehrenamtlichen und auch hauptamtlich Mitarbeitenden zum direkten, persönlichen Kontakt bei zeitlich begrenzten, angekündigten Telefon- und Besuchsaktionen. Neben der erfolgreichen Gewinnung von neuen Personen, die sich nun aktiv einbringen, waren die Rückmeldungen aus diesen Aktionen einhellig: Die Kontaktaufnahmen wurden begrüßt, und es gab einen Lernprozess mit erheblichem Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten.

Zum einen wurde klar, dass die Gemeinde nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer sind, sondern auch viele Mitglieder, die sich ehrenamtlich einbringen können. Zum anderen stellten wir fest: Die bisher meist unbekannten Angerufenen oder Besuchten sind gar nicht so kritisch gegenüber ihrer Kirche eingestellt, wie befürchtet, sondern haben eine tiefe Verbundenheit mit Teilen der Arbeit der Gemeinde, die sie aber ganz unterschiedlich leben. Eine Fundraising-Datenbank half die Dialog- und Beziehungspflege-Fähigkeit der Gemeinde anders zu organisieren, damit sie zukünftig noch besser gelebt werden kann.

Rückblickend brachte es der Finanz-Kirchmeister der Gemeinde auf den Punkt: „Selbst, wenn es den finanziellen Erfolg nicht gegeben hätte, hätte sich die Investition in diesen Gemeindeentwicklungsprozess gelohnt“. Das Spendenaufkommen hatte sich mehr als versiebenfacht.


Zehn Jahre Erfahrung

Rückblickend können einige Punkte für eine positive Entwicklung angeführt werden, die deutlich machen, dass Fundraising als Motor und Augenöffner für Gemeindeentwicklung gewirkt hat. Es wurden neue Zielgruppen erschlossen und bekannte durch mehr Dialog besser eingebunden. Insgesamt konnte die Verbundenheit mit der Gemeinde durch Beteiligung an Spendenprojekten verstärkt werden. Fundraising gab auch den Anschub für eine qualifizierte Ehrenamts-Entwicklung und hat dafür gesorgt, dass Spenden im Blick auf Zeit, Talente und Geld zusammen gedacht werden.


Geschärfter Blick auf die Dank- und Wertschätzungskultur

Es entstanden selbstverantwortlich tätige Fundraising-Akteure wie Förderkreise und Fördervereine, die in einem „Fundraising-Orchester“ der Gemeinde wirken. Fundraising schärfte auch das Profil der Gemeinde. Mit der Öffentlichkeitsarbeit nach innen gegenüber Mitgliedern und Mitarbeitenden sowie nach außen ist klarer geworden: Diakonisches Engagement und Kirche/Glaube gehören hier untrennbar zusammen.

Die Gemeinde ist öffentlich besser erkennbar als tatkräftiger und verlässlicher Akteur, wenn es darum geht, „der Stadt/der Region Bestes zu suchen“. Dabei arbeitet sie eng mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen und kommunalen Akteuren zusammen und ist deshalb auch interessant für Kirchendistanzierte.

Die Gemeinde hat angefangen, sich wie eine zivilgesellschaftliche Organisation zu verhalten, die um Spenden und Vertrauen wirbt und für Kirchensteuern dankt: Sie berichtet anschaulich über Einnahmen und Ausgaben, zum Beispiel durch einen jährlichen Spendenbericht im Gemeindebrief und im Internet und ist weiter auf dem Weg zu mehr Transparenz.


Persönliches Fazit

Fundraising in der Kirche darf nicht vordergründig geldgetrieben und marketingmäßig gehandhabt und kommuniziert werden. Vielmehr erfordert es immer wieder ein reflektiertes Ausloten der Botschaft zwischen Theologie und Engagementförderung. Dass in den US-amerikanischen Kirchen in der Regel nicht von Fundraising sondern von „Stewardship“ (Haushalterschaft) gesprochen wird, erscheint mir dabei hilfreich. Schließlich sollte bei dieser „Anstiftung“ zum freiwilligen, gemeinwohlorientierten Geben in der Kirche eine theologisch reflektierte innere Haltung erkennbar sein. Aber das erfordert einen längerfristigen, systemischen Prozess, der die gesamte Gemeinde in den Blick nehmen dürfen muss. Eine Mangel-Dramatisierung, insbesondere in Zeiten von sprudelnden Kirchensteuereinnahmen, halte ich für kontraproduktiv. Vielmehr sollten kirchliche Fundraiserinnen und Fundraiser Motoren für mehr Transparenz in Gemeinden und Kirche sein, die sich an den Standards anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen, wie etwa der Initiative transparente Zivilgesellschaft orientiert.

Ich bin überzeugt davon, dass die Chancen für eine zukunftsfähige Gemeinde und auch Kirche gerade dort liegen, wo es gelingt, auf wesentliche Fragen und Herausforderungen „in der Welt“ und im Gemeinwesen zu reagieren. Die leider meistens praktizierte Trennung zwischen Diakonie und Gemeinde halte ich weder für Diakonie noch für Kirche zukunftsfähig. Gemeinden mit ihren Haupt- und Ehrenamtlichen müssen in die Lage versetzt werden, gut zuhören zu können, Dialoge und Beziehungen zu pflegen und in handlungsfähigen Netzwerken mit anderen zivilgesellschaftlichen Partnern sowie der Kommune wirkungsvoll zusammenzuarbeiten. Dafür kann der Fundraising-Blick bei der Weiterentwicklung und Qualifizierung helfen. Dann kann es auch gut gelingen, für eine solche, lebensnahe, wesentlich tätige Gemeinde und Kirche breite Unterstützung weit über die Kirchenmitglieder hinaus zu generieren.

 

Hille Richers ist Diplom-Sozialarbeiterin, Community Organizer, Fundraising Managerin (FA) und Systemische Beraterin für Organisationsentwicklung. Sie ist nebenberuflich beratend tätig und ist gerade dabei, sich neu auf den Raum Berlin auszurichten. Die längere Fassung des Textes mit Literaturangaben finden Sie hier.

www.hille-richers.de

(Bilder: Evangelische Kirche Düren, privat)

Zurück

Einen Kommentar schreiben