AKADEMISCHES

Deutsche spenden mehr als gedacht

Spricht man mit Wissenschaftlern über das Spendenverhalten der Deutschen, landet man schnell bei der Grundaussage, es gäbe gar keine Erfassung des realen Spendenaufkommens. Die aktuelle Einkommenssteuerstatistik 2012 liefert aber zumindest Anhaltspunkte.

Wie viel in Deutschland jährlich gespendet wird, ist nach wie vor unklar. Befragungen ergeben, dass ein Drittel der Deutschen zwischen 4 und 5 Milliarden Euro spendet. Eine Differenz von einer Milliarde ist dabei allerdings eine recht große Abweichung. Deshalb bietet die Einkommenssteuerstatistik, die einmal im Jahr auch die von Steuerpflichtigen geltend gemachten Spenden ausweist, einen verlässlicheren Anhaltspunkt. Verbindlich sind die Zahlen aber erst nach einer Frist von mindestens drei Jahren, was zur Folge hat, dass das Bundesamt für Statistik in diesem Jahr die Zahlen für das Jahr 2012 veröffentlicht hat.

Zwei Drittel spenden nicht

2011 lag die Quote der Steuerpflichtigen, die spendeten, bei 35 Prozent. 2012 nun liegt die Quote bei 35,8 Prozent. Das deckt sich in etwa mit Befragungen der „Bilanz des Helfens“ des Deutschen Spendenrates und aus dem Spendenmonitor von TNS Infratest. Aber sind die Steuerpflichtigen auch diejenigen die spenden? Die Hauptspendenzielgruppe ist ja über 60 Jahre alt. Wahrscheinlich schon, denn von den 36,44 Millionen Steuerpflichtigen in Deutschland im Jahr 2012 waren immerhin 38,8 Prozent über 60 Jahre alt und versteuerten ein Einkommen von 229,6 Milliarden Euro, was allerdings nur 19,2 Prozent des insgesamt zu versteuernden Einkommens entspricht.

7,1 Milliarden Euro gespendet

Laut Einkommenssteuerstatistik haben 9.571.868 steuerpflichtige Deutsche im Jahr 2012 Spenden beim Finanzamt geltend gemacht. Zu beachten ist, dass Steuerpflichtige auch Ehepaare sein können. Das sind immerhin über 75.715 deutsche Steuerpflichtige mehr als 2011. Insgesamt wurden von ihnen Spenden im Wert von 7,18 Milliarden Euro geltend gemacht. Das weicht deutlich von der in der „Bilanz des Helfens“ 2012 genannten Summe von 4,62 Milliarden Euro ab. Diese erfasst aber zum Beispiel auch keine politischen Spenden und sortiert zu hohe Großspenden aus. Für welche Zwecke gespendet wird, sagt die Bundesstatistik nicht aus. Sie unterscheidet nur nach steuerlichen Kategorien. Der Löwenanteil von über 6,7 Milliarden Euro wird an gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gespendet. Leicht steigend sind auch die Beiträge an politische Parteien und Wählervereinigungen mit 202,8 Millionen Euro. Dagegen ist ein Bereich seit Jahren von stetigem Rückgang betroffen. Lagen die Spenden für Stiftungen mit wissenschaftlichen, kulturellen oder mildtätigen Zwecken im Jahr 2006 noch bei 662,6 Millionen, sind es jetzt nur noch 5,7 Millionen Euro. Gerade in der zinsarmen Zeit seit 2008 müsste das eigentlich ein Alarmsignal für diese Stiftungen sein, zeigt aber auch eine gewisse Ignoranz gegenüber dem Thema Fundraising, denn im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Spenden an gemeinnützige Organisationen laut der Einkommenssteuerstatistik von 75,1 Prozent (2006) auf 93,6 Prozent (2012). Spenden an Stiftungsneugründungen sind nur leicht zurückgegangen. Der Vortrag für Spenden an Stiftungsneugründungen ist dafür sogar leicht gestiegen, liegt aber mit 101 Millionen im Jahr im überschaubaren Rahmen, bezogen auf das Gesamtvolumen.

Deutsche Steuerpflichtige mit mehr als 50.000 Euro Jahreseinkommen spendeten 529 Euro im Jahr 2012.
Deutsche Steuerpflichtige mit mehr als 50.000 Euro Jahreseinkommen spendeten 529 Euro im Jahr 2012.

Spendenhöhe nicht proportional zum Einkommen

Interessant ist die Entwicklung, bezieht man die Einkommenshöhe der Steuerpflichtigen mit ein. Im Jahr 2011 hatten Steuerpflichtige mit einem Einkommen von mehr als 100.000 Euro im Jahr immerhin 46,2 Prozent des deutschen Spendenaufkommens getragen. 2012 ist der Anteil deutlich geringer, nämlich nur noch 37,3 Prozent. Diese Schwankungen sind, betrachtet man es über einen Zeitraum von zehn Jahren, regulär. Hohe Einkommen bewirken aber nie unter 30 Prozent des Spendenaufkommens. Den höchsten Anteil hatten die Vermögenden deutschen Steuerpflichtigen in 2006 mit sagenhaften 63,7 Prozent am Spendenaufkommen.

Vergleicht man die durchschnittliche Jahresspende nach Einkommensgruppen, ist normalerweise eine Proportionalität zum Einkommen zu erwarten. So deutlich fällt diese für die Zahlen von 2012 aber nicht aus. Spendeten Steuerpflichtige aus der unteren Einkommensklasse unter 10.000 Euro 2012 beispielsweise 398 Euro im Jahr, waren es in den beiden Einkommensklassen darüber gerade mal 338 beziehungsweise 336 Euro im Schnitt. Erst ab der Klasse über 30.000 Euro steigt das Spendenniveau proportional zum Einkommen (siehe Graphik I). In der höchsten Einkommensklasse über 500.000 Euro wurden 2012 im Schnitt 25.000 Euro gespendet.

Das deutsche Spendenaufkommen 2012 bringen zur Hälfte die steuerpflichtigen Rentner auf.
Das deutsche Spendenaufkommen 2012 bringen zur Hälfte die steuerpflichtigen Rentner auf.

Ältere geben mehr

Dass die Hauptspendenzielgruppe im Fundraising Menschen über 65 Jahre sind, ist kein Geheimnis. Eine Sonderauswertung des Bundesamtes für Statistik für den ngo-dialog ergab, dass dies auch in der Einkommenssteuerstatistik deutlich wird (Graphik II). Fast 50 Prozent des deutschen Spendenvolumens spenden Steuerpflichtige über 65 Jahre. Das sind allein 3,58 Milliarden Euro im Jahr. Die Gruppe der unter 30-jährigen Steuerpflichtigen spendet dagegen sehr wenig, nämlich nur zwei Prozent des deutschen Spendenaufkommens, was die Theorie, dass erst ab 30 das Spendenalter beginnt, stützt. Immerhin sind die 2 Prozent aber auch fast 145 Millionen Euro im Jahr.

Die Frage nach dem aktuellen Spendenaufkommen in Deutschland ist schwierig zu beantworten, weil wir immer nur von der Seite der Spendengeber sprechen und nicht die der Spendenempfänger betrachten. Michael Urselmann schätzt in seinem Beitrag in Stiftung & Sponsoring für das Jahr 2015 etwa acht Milliarden Euro, also etwa eine Milliarde mehr als 2011 in der Einkommensteuerstatistik ausgewiesen. Demnach müssten es 2016 etwa 8,2 Milliarden Euro sein. Doch viele Spender spenden spontan auch an nicht gemeinnützige Zwecke oder lassen sich gar keine Spendenquittungen ausstellen. Da ist noch eine Menge Ungewissheit, die auch das Bundesamt für Statistik nicht auflösen kann.

(Bild: eigene Grafik, Quelle: Bundesamt für Statistik)

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