AKADEMISCHES

Haben Leitfiguren Einfluss auf den Fundraising-Erfolg?

Almaz und Karlheinz Böhm - Stiftung Menschen für Menschen
Almaz und Karlheinz Böhm - Stiftung Menschen für Menschen

„Nachfolge im Bethel-Vorstand frühzeitig geregelt“, solche Meldungen anderthalb Jahre vor dem Wechsel sind eher eine Seltenheit. Tatsächlich bleibt die Regelung der Nachfolge bei vielen Stiftungen und gemeinnützigen Vereinen zu lange unbearbeitet. Das Risiko ausscheidender Vorstände, sei es durch Ruhestand, Weggang, plötzlichen Todesfall oder aufgrund interner Querelen, scheint nicht so häufig zu vorausschauenden Taten zu führen und ist ein bisher in der Fachwelt kaum bearbeitetes Thema.

Von Selma Reese

Schaut man auf die Gründerväter (Männer waren zumindest in der Vergangenheit in der Überzahl) heute sehr bekannter Organisationen, seien es Friedrich von Bodelschwingh, Theodor Fliedner, Ernst Jakob Christoffel, Herbert Gmeiner oder andere, so lassen sich einige Gemeinsamkeiten erkennen: Es waren starke Persönlichkeiten – sie hatten oft nicht mehr als eine Idee, waren beseelt von einer Aufgabe, einer Mission, in der sie aufgingen, für die sie sich engagierten, andere begeisterten, Mitstreiter fanden und oft selbst Spenden einsammelten, zu einem Vorbild wurden und Zeichen setzten. Sie gewannen Freunde und Förderer, die sich mit ihren Zielen identifizierten, und später fanden sich Menschen, die diese Ideen zu ihren eigenen machten und fortführten. An Beispielen wie Bethel, der Kaiserswerther Diakonie, CBM oder SOS-Kinderdörfer lässt sich zeigen, dass die Impulse der ersten Generation – wenn auch nicht immer ohne Krisen - auf die Organisationen übertragen werden konnten, die Visionen und das Mandat also tragfähig waren und zu einer Marke weiterentwickelt werden konnten.

Namen sind Nachrichten

Dieser alte PR-Grundsatz hat seine Gültigkeit nicht verloren und bekannte Persönlichkeiten, oftmals aus dem Showbusiness, engagieren sich auch heute für eine gute Sache und nutzen ihren Promi-Bonus, um Förderer und Spender zu gewinnen. Das ist Chance und Risiko zugleich, denn solange sie gleichsam als „Anwalt“ und Garant an der Spitze stehen und nicht in einen Skandal verwickelt sind, wirkt sich der VIP-Faktor positiv auf Spendeneinnahmen aus. Fällt diese Integrationsfigur weg, ist ganz entscheidend, ob das Mandat, das er geprägt hat, auch ohne ihn tragfähig ist. Eine Bewährungsprobe für manche Organisation, wie sie zum Beispiel der Opferhilfsverein Weißer Ring durchstehen musste als einer der Gründer, Eduard Zimmermann, nach 18-jähriger Vorstandstätigkeit und weiteren sechs Jahren im Amt des Ehrenvorsitzenden schließlich ausschied. Oder wenn der Gründer Programm ist und zugleich der Organisation den Namen gibt, wie das bei der Heinz-Sielmann-Stiftung der Fall ist, wird sich erst in den nachfolgenden Generationen zeigen, ob es gelingt, das Anliegen zu „branden“. Einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden und aufzubauen, ist ein schwieriges Unterfangen wie am Beispiel „Menschen für Menschen“ zu sehen ist, einer Organisation, die ohne den kürzlich verstorbenen Gründer, Karlheinz Böhm, kaum denkbar ist.

Eine Organisation braucht ein Gesicht

Nachfolgeregelungen können gelingen, wenn der Übergang lange vorbereitet ist und eine Vakanz gar nicht erst entsteht. Dazu muss ein klares Profil für die nachzubesetzende Position formuliert sein. Wer wird gesucht? Ein Impulsgeber oder Manager, ein Mächtiger oder Macher, eher der visionäre und charismatische oder der strategisch und planerische Typ? Ist jemand gefunden, kann er oder sie auch „aufgebaut“ werden. Je konfliktfreier dies geschieht, desto besser. Und je früher ein „neues Gesicht“ in der internen und externen Öffentlichkeit eingeführt ist, desto wahrscheinlicher gestaltet sich ein Übergang insbesondere bei spendensammelnden Organisationen ohne Verluste.

Markenbildung als Alternative?

Eine andere Möglichkeit des Übergangs ohne Image- und Spendenverlust ist möglich, wenn es gelingt, die Organisation ohne Personalisierung durch eine starke Leitfigur zu einer „Marke“ zu entwickeln. Der Definition Heribert Mefferts, emeritierter Professor aus Münster, folgend ist dies der Fall, wenn es einem Unternehmen gelingt, sein Produkt oder seine Dienstleistung im Kopf und in der Psyche von Konsumenten zu verankern. Dabei sei es egal, ob es sich um Produkte oder Dienstleistungen handelt, insofern dürfte es auch auf das Mandat von Spendenorganisationen zutreffen. Nur wenn Spender sich mit einer Organisation identifizieren können, sie diese sofort wiedererkennen und Vertrauen haben - mit anderen Worten, wenn all die Aspekte, die zuvor einer Leitfigur zugeschrieben wurden, nun auf die Organisation selbst übertragen werden können, kann sie weiterhin bestand haben. „Eine starke Marke macht Akquisition leichter“, so Dr. Oliver Viest von der Agentur em faktor und er beruft sich dabei auf Ergebnisse von „kalten“ und „warmen“ Mailings und auf Erfahrungen im Online-Fundraising. Gleichzeitig warnt er: „Selbst die stärkste Marke spült der Organisation nicht automatisch Ressourcen zu.“

Ohne Leitfigur geht es nicht

Ganz ohne eine Leitfigur wird eine Nonprofit-Organisation jedoch nicht auskommen. Jeder Geber, der einen Spendenbrief in der Hand hält, möchte wissen, wer da schreibt. Er braucht das Vertrauen in die Organisation, der er oder sie ihr Geld anvertraut, und eine Organisation wird nun mal Gestalt in der Person, die um Spenden bittet. Für den Spender hat sie die Funktion, für Ziele und Anliegen der Organisation einzustehen und Garant dafür zu sein, dass das Geld verwendet wird, wofür es gespendet wurde. Den Grundsatz „one face to the donor“ proklamieren Fundraiser unermüdlich, beweisen immer wieder mit signifikanten Unterschieden in Tests, welchem Absender und welchem Spendenbriefschreiber die höhere Glaubwürdigkeit zugesprochen wird und mahnen bei anstehenden Wechseln frühzeitige Entscheidungen und abgestimmte Kommunikationsstrategien an. Viele Bespiele zeigen jedoch, dass das in Vorstandsetagen nicht immer Gehör findet.

 

Selma Reese Selma Reese ist Diplom-Theologin und Kommunikationswirtin, PR-Fachfrau (DPRG), Business Moderatorin und Diplom-Coach und Berater (ECA). Mehr als 20 Jahre arbeitet sie im Fundraising von Kirche und Diakonie und in Agenturen. Sie ist Mitglied der Prüfungskommission der Fundraising Akademie.
s.reese@nexgo.de

 

(Bilder: Rainer Kwiotek/Zeitenspiegel, PR)

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