AKADEMISCHES

Ein Cent fürs Glück

75 Prozent der Cent-Münzen gehen verloren oder landen im Einmachglas.
75 Prozent der Cent-Münzen gehen verloren oder landen im Einmachglas.

Italien wird ab 2018 keine 1- und 2-Cent-Münzen mehr in Umlauf bringen und die Preise auf die jeweils nächsten fünf Cent aufrunden. Auch die Deutschen lieben die kleinen Cents nicht. Im Gegenteil. Sie würden sie lieber spenden.

„Deutschland rundet auf“ kennen mittlerweile viele, und auch der Slogan „Aufrunden bitte!“ kommt vielen Menschen leicht über die Lippen, denn damit spenden sie einen Betrag von maximal zehn Cent. Durch die Unterstützung namhafter Handelsmarken kamen seit März 2012 in dieser Kampagne mehr als 6,3 Millionen Euro zusammen. Über 132 Millionen Mal wurde aufgerundet. Die hinter dem Projekt steckende Stiftung baut ihre Aktivitäten seit Jahren aus. Auch Pay-Roll-Giving, also das Spenden der Cent hinter dem Komma der Lohnsumme steht jetzt auf ihrem Programm.

Dass die Deutschen die Cent hergeben würden, zeigt eine aktuelle Studie der PPRO Group, eines Spezialisten für länderübergreifendes elektronisches Bezahlen. 1.000 Bundesbürger fragte der Payment-Spezialist, ob sie für jede bargeldlose Transaktion, die sie persönlich tätigen, automatisch einen Cent für einen guten Zweck spenden würden. 60 Prozent wären dazu bereit.


Viel Geld mit Cents

Aktuelle Zahlen belegen, dass der Umsatzanteil des interaktiven Handels – das sind Online- und Versandhandel – am gesamten Einzelhandel in Deutschland kontinuierlich steigt. Würde also zu jeder Online-Transaktion automatisch ein Cent als Spende hinzuaddiert, bedeutete das für jeden Verbraucher in Deutschland bei durchschnittlich 284 bargeldlosen Transaktionen pro Kopf laut Statista im Jahr gerade einmal eine zusätzliche Ausgabe von 2,84 Euro. Bei rund 69 Millionen erwachsenen Einwohnern über 18 Jahre in Deutschland ließe sich dadurch eine Spendensumme von knapp 200 Millionen Euro erzielen, die für gemeinnützige Zwecke eingesetzt werden könnte. Da laut PPROs Erkenntnissen nicht alle Bundesbürger der automatischen Spendenidee zustimmen, würden aber trotzdem rund 117,5 Millionen Euro zusammen kommen.

Selbst in einkommensschwachen Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von unter 1.000 Euro ist die Spendenbereitschaft mit 54 Prozent ausgesprochen hoch. Ein Ergebnis, das auch „Deutschland rundet auf“ bestätigen kann. Deren Untersuchung ergab, dass gerade diese Gruppe spendenbereit war, weil sie so auch „etwas beitragen kann“. Die PPRO-Studie ergab auch, dass gerade die wenig spendenaffine Gruppe der 16- bis 29-Jährigen einer solchen automatischen Spendenform überdurchschnittlich zustimmen würde (64 %).


Digitale Obdachlosenspende

Simon Black, CEO der PPRO Group, erklärt: „Auch, wenn unsere Idee nur ein Gedankenspiel ist – andere Länder zeigen bereits, wie sich digitale Prozesse und Bezahlformen für wohltätige Zwecke nutzen lassen: So ist es in Schweden, den USA und in Südafrika bereits möglich, Obdachlosenzeitungen auf der Straße digital zu bezahlen. Und in Amsterdam wird aktuell eine Jacke für Obdachlose mit kontaktloser Bezahlfunktion getestet, über die Passanten ohne Kleingeld einfach einen Euro digital spenden können. Wir würden uns freuen, wenn sich die Entwicklung in Richtung e-Payment für die Wirtschaft und für die Gesellschaft gleichermaßen auszahlen würde.“

Von solchen Entwicklungen ist Deutschland momentan noch weit entfernt. Im Gegenteil, Deutschland gehört zu den entschiedenen Verteidigern der kleinen Münzen „Seitens des Bundesfinanzministeriums gibt es derzeit keine Überlegungen zur Abschaffung der Kleinmünzen oder zur Einführung nationaler Rundungsregeln“, lautete die Reaktion aus dem Ministerium von Wolfgang Schäuble (CDU) auf den Beschluss aus Italien. Übrigens, Belgien, Finnland, die Niederlande und Irland verzichten ebenfalls auf die kleinen Münzen, denn schon die Herstellungskosten liegen über dem Nennwert der Münze. Also ein Verlustgeschäft. Selbst die Bundesbank räumt ein, dass die Münzen kaum etwas bringen. Sie gehen nämlich zu 75 Prozent verloren oder landen im Einmachglas, wie die Welt berichtet. Was für ein schönes Potenzial für die nächste Spendenkampagne.

(Bild: obs/PPRO Financial Ltd/RomoloTavani)

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