AKADEMISCHES

Weise Entscheidungen treffen

Was beschleunigt Ihr Fundraising? Diese Frage wird gern über systemische Beratung, Orientierung an Best-Practice-Beispielen oder Machbarkeitsstudien beantwortet. Darüber hinaus gibt es wertvolle Methoden aus der Gründerkultur. Sie helfen, schnell und kostengünstig passgenaue Antworten für den eigenen Weg und klugen Ressourceneinsatz zu finden. Das Arbeiten mit Geschäftsmodell und Annahmetests, das für große und kleine Vereine, Stiftungen und Unternehmen gleichermaßen zieht, zeigt dieser Artikel an einem konkreten Beispiel.

Von Alexandra Ripken

Jonas Straßer ist Student für Sozialmanagement an der Hochschule Nordhausen und Digital Native. In einem Probe-Gutachten empfiehlt er dem Vorstand des Vereins JusticeF, der sich für Bildung, Ausbildung und Beschäftigung in armen Ländern einsetzt und in dem er selbst aktiv ist, als wesentliche Fundraisingmaßnahme in den Onlineauftritt und Social Media zu investieren. Denn der letzte Facebook-Post von JusticeF ist von Dezember 2014 und die Website in der Anmutung der 1980er Jahre. Die Präsentation der Untersuchungsergebnisse durch Jonas Straßer ist packend. Sein Engagement spürbar. Sein Rat dem Zeitgeist entsprechend. Doch passt seine Ermutigung auch zum Verein? Können die handelnden Personen seine Aufforderung umsetzen? Bei mir kommen Zweifel auf.

Gemeinsam analysieren wir den Verein erneut, diesmal allerdings mit dem Schaubild des Geschäftsmodells von Alexander Osterwalder, das ich für den gemeinnützigen Bereich angepasst habe. Die Denkroutine visualisiert den Wertschöpfungsprozess eines (Fundraising-)Unternehmens. Wie funktioniert das?

Prototyp Geschäftsmodell nach Alexander Osterwalder und Alexandra Ripken
Prototyp Geschäftsmodell nach Alexander Osterwalder und Alexandra Ripken

Das Wertversprechen ist zentral
In der Mitte steht das Wertversprechen des Unternehmens für seine Abnehmer. Das Wertversprechen ähnelt der Wirkung der NPO beziehungsweise NGO. Es ist Ausgangspunkt aller weiterer Überlegungen.
Das Wertversprechen lenkt die Aufmerksamkeit sofort auf den Spender-Markt. Denn die Abnehmer des Wertversprechens sind nicht allein die Leistungsempfänger, wie hilfsbedürftige Menschen, Bäume, Wale, Denkmäler oder Kunstwerken sondern ebenso auch die jeweiligen Spender. Ihnen muss das Wertversprechen am Herzen liegen. Sonst fließen nur unzureichend Spenden.


Die NPO/NGO: Produktionsfaktoren

Der linke Flügel des Schaubilds zeigt die Faktoren, mit denen das Angebot und Wertversprechen erbracht wird. Erfolgskritisch sind insbesondere Schlüsselpartner, -aktivitäten, -ressourcen und Kosten.


Die Spender: Einnahmefaktoren

Im rechten Flügel stehen die Einnahmefaktoren mit Spenderbeziehung, Kommunikationskanäle, Spendersegmente und natürlich den Einnahmen selbst. Die Antworten für die Segmente notieren wir auf Klebezettel, damit können wir uns sehr geschmeidig immer wieder neu sortieren.


Einnahmen optimieren

Am fertigen Schaubild überlegen wir, wo Ansatzpunkte sind, die Einnahmen zu erhöhen. Etwa Kostensenkung durch Prozessverschlankung? Nein, diese Optimierungsaufgabe hat der Verein gerade erst abgeschlossen. Die Verwaltungskosten sind vor allem Zeit. Die Belastungsgrenze des Vorstands ist fast erreicht.
Mit diesen Erkenntnissen verwirft Jonas Straßer fürs erste seine Empfehlung, die Website jetzt umzubauen und mehr Zeit in Social Media zu stecken. Die Zeit des Vorstandes würde dafür nicht reichen.
Dafür sieht er auf der Einnahmeseite die noch sehr lockere Spenderkommunikation. Die Spender erhalten im Jahr genau einen Spendenbrief und den Jahresbericht. Das versteht er als Chance. Über einen zweiten Spendenbrief sollen die Bestandsspender stärker gebunden werden und die Einnahmen wachsen.


Annahmen sammeln, Flaschenhals testen

Um Frustration und Aktionismus zu vermeiden, überprüft er seine Überlegung. Er sammelt Annahmen, was alles wahr werden muss, damit seine Idee auch den angestrebten monetären Erfolg erzielt: Der Brief spricht die Spender an, sie spenden noch mal und insgesamt mehr, es gibt ein Budget, der Vorstand schreibt und versendet den Brief. Danach priorisiert er die Liste und identifiziert die entscheidende Annahme, sozusagen den Flaschenhals des Projektes mit der sein Vorschlag steht und fällt: Ein Vorstandsmitglied muss den Brief schreiben. Also validiert er mit dem sogenannten Payment-Test nach Nathan R. Furr und Jeffrey H. Dyer diskret die vermutete Handlungsbereitschaft des Vorstands bei dem Thema. Per E-Mail bietet er dem Vorstand zwei Termine für eine Schreibwerkstatt für Spendenbriefe an. Meldet sich auch nur ein Vorstandsmitglied, weiß er, mit seiner Empfehlung richtig zu liegen. Wenn nicht, gilt es eine andere Idee zu entwickeln. Die Entscheidung greift er dann für sein finales Gutachten auf.

Für jedes Segment des Geschäftsmodells und jede Reifestufe des Wertversprechens gibt es aussagekräftige und schnelle Testläufe. Sie helfen, die eigenen Ressourcen umsichtig einzusetzen und die Angebote zu formulieren, die auf dem jeweiligen Spendermarkt ankommen.

Viel Erfolg beim Umsetzen!

 

Alexandra Ripken sucht passioniert nach Möglichkeiten, den Erfolg von Fundraising-Unternehmen zu beflügeln. Bei Denkmodellen der Gründerkultur und des Key Account Managements ist sie fündig geworden. Diese nutzt sie in ihrer Fundraisingberatung Ziel & Plan und lehrt sie als Dozentin für Fundraising an der Hochschule Nordhausen.



(Bilder: Alexandra Ripken, Ziel & Plan)

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