AKADEMISCHES

Mit System zur Marke

Markenentwicklung gehört nicht eben zum Managementalltag gemeinnütziger Organisationen in Deutschland. Wir haben aus unserer Erfahrung mit über 100 Organisationen deshalb ein Modell entwickelt, das dem Management bei einem Markenentwicklungsprozess als Orientierungsrahmen dient.

Korrelation von Markenstärke und kurzfristiger Akquisitionsenergie
Korrelation von Markenstärke und kurzfristiger Akquisitionsenergie

Anlass für die Markenarbeit in Social-Profit-Organisationen (SPOs) sind meist deutliche Veränderungen im Umfeld der Organisation, verbunden mit dem drohenden Verlust von Geschäftsfeldern. Eine „starke Marke“ und ein „klares Profil“, so wird dann deutlich, „würde uns bei der Akquisition helfen“. Und tatsächlich belegen Kennzahlen aus dem Fundraising (zum Beispiel Warmmailings contra Kaltmailings) genau das: Je stärker eine Organisationsmarke bei ihrer Zielgruppe verankert ist, desto weniger unmittelbare Akquisitionsenergie ist nötig, um diese Zielgruppe für sich zu gewinnen.

Um in diesen Situationen nicht in Aktionismus zu verfallen und, wie so häufig, nur den visuellen Außenauftritt zu betrachten, ist es wichtig, die Funktionsweise einer Marke zu kennen und den Markenentwicklungsprozess als einen systematischen, nachhaltigen Vertrauensaufbau zu verstehen. Das von uns entwickelte Markenmodell ist damit eine Leitlinie für einen organisationsweiten Prozess. Es führt zu formulierten Zielen und Werten und involviert bereits von Anfang alle, die später die Marke lebendig werden lassen.

1. Strategie und Image

Markenmodell – vom Kern zum Image
Markenmodell – vom Kern zum Image

Bevor der Entwicklungsprozess angestoßen wird, sollte Klarheit darüber herrschen, in welchem Bereich sich die Organisation mit welchem Angebot positionieren möchte und wer sie wie wahrnehmen soll. Benchmarkanalysen anhand sorgfältig definierter Kriterien helfen bei einer ersten Selbsteinordnung.

Im zweiten Schritt ist eine Zielgruppensegmentierung hilfreich. Sie definiert, in welchen Lebenssituationen und Milieus sich die anzusprechenden Zielgruppen befinden. Raster wie die der Sinus-Millieus aber auch Kenntnisse aus den Projektabteilungen bieten eine hilfreiche Orientierung bei der Charakterisierung der Zielgruppe(n).

Sind die Positionierungsroute und die Zielgruppen geklärt, beginnt der eigentliche Entwicklungsprozess: Es ist zu definieren, mit welchen wahrnehmbaren Qualitäten sich die Organisation bei welchen Zielgruppen positionieren möchte. Wie will sie wahrgenommen, wie in den Köpfen und Herzen der Menschen gespeichert werden?

Dieses (angestrebte) Image stellt im Markenmodell die äußerste Hülle, das wahrnehmbare Bild der Organisationsmarke dar. Je konkreter das gewünschte Bild gezeichnet werden kann, desto zielgerichteter können die weiteren Schritte erfolgen.

2. Markenkern

Um glaubwürdig zu bleiben, müssen die Image-Ziele mit dem Markenkern in Einklang zu bringen sein. Für alle weiteren Schritte ist es daher wichtig diesen Markenkern, die DNA der Organisation, zu kennen und deutlich vor Augen zu haben. Der Markenkern wird von der Vision der Organisation gebildet.

Da eine gemeinnützige Organisation bedarfswirtschaftlich orientiert ist, kann dieser Markenkern nicht designed werden. Bei jungen Organisationen ist der Markenkern sehr deutlich erkennbar, bei älteren und stark gewachsenen Organisationen muss häufig intensiv nach dem Kern gesucht und dieser revitalisiert und ins Bewusstsein gebracht werden.

Die Markenkerne unterschiedlicher sozialer Organisationen ähneln sich häufig stark. Eine Differenzierung und Positionierung wird meist erst durch die Botschaften und Werte möglich.

3. Botschaften und Werte

Beispiel für die Profilpyramide einer Organisation
Beispiel für die Profilpyramide einer Organisation

Die Werte und Botschaften der Organisation fußen auf dem Markenkern, müssen ihn tragen und dürfen an keiner Stelle im Widerspruch zu ihm liegen. Im Gegensatz zum Kern müssen Botschaften und Werte bewusst entwickelt werden. Sie beantworten die Frage, was eine Organisation nach innen wie außen senden möchte, wer sie ist, was bei ihr im Fokus steht und was sie einzigartig macht.

Fokusgruppengespräche fördern erste Assoziationen der unterschiedlichen Berührungsgruppen zur Organisation zutage. Diese ersten Imagefacetten bilden die Grundlage für die weitere Herausarbeitung (gewünschter) Assoziationen und Wertewahrnehmungen.

In der Praxis hat sich die Priorisierung dieser Werte in Form einer Profilpyramide bewährt.

Das Zuspitzen und die Ausformulierung in wenigen Leitsätzen sollte mit einem möglichst breiten Kreis unterschiedlicher Abteilungen gemeinsam durchgeführt werden. Nur in einem breiten Prozess lässt sich gewährleisten, dass die gemeinsam entwickelten Werte und das (Wunsch-)Profil getragen sind und zur Basis jeder Aktivität werden.

4. Die Reize und Markierungen

Während die Botschaften und Werte den Handlungsrahmen aller Aktivitäten der Organisation definieren, geht es in der nächsten Ebene des Image-Modells um die differenzierte Umsetzung und die Frage: Wo und wie machen wir die Marke wahrnehmbar?

Die zuvor definierte Botschaft mitsamt der Profilpyramide dienen als Briefing für sämtliche umsetzenden Schritte. Jede einzelne Markierung muss sich an ihnen messen lassen.

Neben den physikalischen Kommunikationsträgern wie Druckprodukte, Websites, Fahrzeuge, Gebäude, Bekleidung etc. tragen vor allem die Mitarbeiter zur Markenbildung nach innen wie außen bei. Ihr Kommunikationsstil und Verhalten machen die Markenwahrnehmung lebendig. Bei Dienstleistungen sind sie sogar die zentralen Erfolgsfaktoren. Hier beginnt das Change-Management und die Organisationsentwicklung im Rahmen des Markenentwicklungsprozesses.

Das durch diesen Prozess entstandene Image ist dann wieder am Markenkern und den Botschaften und Werten zu reflektieren. Notwendige Modifikationen sind dann kein Zeichen von Schwäche sondern Zeichen einer lebendigen und gepflegten Marke.

 

Dr. Oliver ViestDr. Oliver Viest ist Geschäftsführer und Inhaber der Social Profit Agentur em-faktor mit Sitz in Stuttgart und Frankfurt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Markenentwicklung, Campaigning und Fundraising. Viest ist zudem Dozent für Markenentwicklung von Social-Profit-Organisationen an der FH Mainz und der HdM Stuttgart und Lehrbeauftragter für Nachhaltigkeit und CSR an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen.
Kontakt: ov@em-faktor.de

 

(Grafiken, Bilder: <em>faktor)

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