AKADEMISCHES

Fundraising braucht mehr Lobby

Lobbyarbeit braucht klare Regeln. Hier: Maryland State House, USA
Lobbyarbeit braucht klare Regeln. Hier: Maryland State House, USA

Wenn das Fundraising in Deutschland besser wahrgenommen werden soll, muss es aktive Lobbyarbeit betreiben. Das ist kein Makel sondern eine Notwendigkeit.

von Martin Fischer

Wer seine legitimen Interessen gehört wissen will, muss sich aktiv, professionell und nachhaltig darum kümmern. Schnell fällt das Stichwort Lobbyarbeit.

In Deutschland hat Lobbyismus noch keinen guten Klang. Der Begriff weckt immer noch negative Assoziationen – wie manipulierte Machenschaften von Interessenvertretern, illegitime Einflussnahme im Hinterzimmer, wenn nicht gar Anklänge an Patronage und Korruption.


USA: Professionelles Verhältnis

Im Mutterland des Lobbyismus, in den USA, ist das Verhältnis von Bürgern, Medien und Politik zu so genannten Lobbyisten seit Langem professionell. Das Begriffsbild hat sich neutralisiert, negative Wertungen sind in den Hintergrund getreten, positive Konnotationen beginnen zu dominieren. Deshalb propagieren dort nicht nur wirtschaftliche Interessengruppen, sondern auch gesellschaftlich-politische Bürgerbewegungen, wie beispielsweise common cause, ganz unbefangen: „We lobby for democracy“ Politischen Einfluss nehmen, Druck machen, für die eigene Klientel etwas herausholen, das bedeutet „to lobby“ in den USA.


Wachsende Bedeutung der NGOs

Ist von Lobbyismus die Rede, wird häufig außer Acht gelassen, dass nicht nur Unternehmens- oder Verbandsinteressen durch Lobbyisten vertreten werden. Auch Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften oder Verbraucherschutzverbände vertreten ihre Interessen gegenüber der Politik. Dabei handelt es sich gleichfalls um Lobbyarbeit: Mittel, Adressaten und die Art und Weise der Umsetzung der politischen Ziele unterscheiden sich im Prinzip nicht.

Neben Lobbyisten aus Wirtschaft und Verbänden werden die Interessenvertreter der Nichtregierungsorganisationen immer zahlreicher und einflussreicher, konstatierte Gunnar Bender, Autor des Handbuches des deutschen Lobbyisten bereits vor mehr als zehn Jahren.


Aufgaben des Verbandslobbyisten

Als Aufgaben eines Lobbyisten können fünf Punkte genannt werden:

Informieren – frühes Informieren der Mitglieder über politische Vorhaben im jeweiligen Gebiet, über verbandsinterne Vorgänge sowie über Pläne gegnerischer Verbände oder Institutionen.

Beraten – Herstellen und Moderation von Kontakten zwischen Verbandsmitgliedern und Ansprechpartnern in der Politik.

Koordination – Herbeiführen einheitlicher Auffassungen oder Richtlinien im Verband.

Allianzen – Organisieren verbandsübergreifender Bündnisse zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele

Politisches Repräsentieren – Lobbying gegenüber der Politik, Behörden oder Medien.

Die Arbeitstechniken sind für Lobbyisten im Verband, in Unternehmen wie in NGOs vergleichbar. Der direkte Kontakt mit der Politik läuft nach den gleichen Mustern ab. Public Affairs ist ein spezialisiertes Handwerk. Ein guter Lobbyist lernt zunächst die Inhalte seiner Auftraggeber zu verstehen. Er ist damit Inhaltsträger und berät dann aus seiner Kenntnis der politischen Zusammenhänge heraus vor dem Hintergrund des angeeigneten Fachwissens.


Fünf Phasen Modell

Für die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie sind dann fünf Phasen charakteristisch:

  1. Analyse, Ziele und Strategie
  2. Monitoring
  3. Lobbying, Dialog, Verhandlungen
  4. Qualitätsmanagement und Compliance
  5. Steuerung und Evaluierung


Was kann Lobbyarbeit?

Primär empfiehlt sich direktes Lobbying durch persönlichen Kontakt mit den relevanten Entscheidungsträgern, Mitarbeitern oder Beratern. Über indirektes Lobbying können über Dritte auch Meinungsbildungsprozesse und Entscheidungen beeinflusst werden:

  • Cross Lobbying: Mobilisierung von Verbänden, Kammern oder Parteien und Nutzung von Built-In-Lobbyisten
  • Grassroots: Mobilisierung von Stakeholdern über bestehende Organisationen
  • Interessenskoalitionen: gemeinsame Vorgehensweise
  • Corporate Social Responsibility-Programme
  • Beeinflussung via Medien: Mediale Kommunikation, strategische Medienarbeit, politische Inserate – in einer späten Phase der Prozesse und dem Tipp, dieses Instrument sehr vorsichtig und überlegt einzusetzen.


Lobby für Fundraising im Superwahljahr

Generell besteht bei Politik, Medien und Bürgern eine geringe Kenntnis über die Leistungen von Non-Profit-Organisationen und über das Thema Fundraising im Besonderen! Günstigere Rahmenbedingungen und eine gute Reputation für eine ganze Branche können nur als konzertierte Aktion erreicht werden. Die Arbeit, Erfolge und Herausforderungen gemeinnütziger (Spenden-)Organisationen sollte aber gerade in einem Superwahljahr, in dem wir uns befinden, professionell kommuniziert werden.

Auch angesichts des großen Wettbewerbs im Lobbying verlieren klassische Instrumente wie Parlamentarische Abende oder der Versand von Pressemitteilungen nach dem Gießkannenprinzip etc. an Bedeutung. Intensivere Analysen, ausgereiftere Strategien und ganz individuell zugeschnittene Ansprachestrategien müssen entwickelt werden, damit relevante und überzeugende Botschaften bei den richtigen Empfängern landen. Der Aufwand lässt sich durchaus mit der Recherche und Ansprache von Großspendern vergleichen, ist aber unbedingt erforderlich, um überhaupt gehört zu werden.


Exkurs: Von der Theorie zur Praxis?

Allen Verbänden beziehungsweise Lobbyisten sollte eine Arbeitstechnik gemein sein, die sich nicht ausschließlich auf gute Kontakte stützt, sondern auf die Inhalte konzentriert und transparent alle Beteiligten in die Kommunikation einbindet. Es geht heute vor allem darum, Adressaten für wichtige Lobbythemen zu sensibilisieren und mit sachlichen Informationen zu versorgen. Die Adressaten sollen nicht allein durch den guten Kontakt zum Lobbyziel überzeugt werden, sondern durch klare und präzise vorgetragene Argumente.

Was tun? Professionelle Lobbyarbeit kann auch für den Deutschen Fundraising Verband nur funktionieren, wenn auf Basis einer Analyse und der Entwicklung einer geeigneten Strategie eine Verzahnung der Maßnahmen angestrebt wird.

Denn gerade im politischen System in Deutschland ist die direkte Einbindung von Verbänden in die politische Entscheidungsfindung charakteristisch. In der Verbändeliste des Deutschen Bundestages sind derzeit 2.250 bundesweit agierende Verbände als Interessensgruppen registriert. 10.000 Menschen arbeiten in diesem Bereich. Die Bedeutung der Verbände auf der politischen Ebene gründet auf der Tradition, politische Entscheidungen im größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens zu treffen.

Angesichts der stetig wachsenden Komplexität politischer und wirtschaftlicher Vorgänge kommt dem Lobbyisten in besonderer Weise heute auch eine beratende Funktion gegenüber der Politik zu. Er organisiert den regelmäßigen Ideenaustausch und trägt dafür Sorge, dass die politischen Akteure umfassend über wichtige Sachverhalte aus der Praxis informiert sind.

Lobbying ist für moderne Demokratien somit legitimer Bestandteil der politischen Willensbildung, vorausgesetzt, dass gewisse Spielregeln (Accountability, Openness, Transparency, Fairness) beachtet werden. Denn so unterschiedlich auch die politischen Systeme der einzelnen Länder sind, in vielen der untersuchten Länder spielt auch das Lobbying von NGOs wie selbstverständlich eine wichtige Rolle. Fast zeitgleich zur Professionalisierung des Fundraisings hat sich im vergangenen Jahrzehnt auch in der Lobby-Branche eine dynamische Entwicklung gezeigt, die noch nicht abgeschlossen ist. NGOs werden von vielen Bürgern wie auch von Medienvertretern als Repräsentanten der „guten Seite“ und per se als gute Lobbyisten angesehen. Zweifelsohne ein Vorteil.


Vom Lobbying zum Public Affairs Management

Der Begriff Lobbying greift jedoch generell zu kurz. Im Unterschied zum traditionellen Lobbying, setzt Public-Affairs-Management nach Peter Köppls Buch „Das Praxishandbuch der Public Affairs“ systematisch und umfassender an: zum einen bei der analytischen Vorbereitungsarbeit (Umfeld-Analyse u.a.) und zum anderen bei der Ausformung von subtilen und effizienten Techniken der Beeinflussung, die das alte Lobbying ersetzen.

Als Corporate Public Affairs wird die „Außenpolitik einer Organisation“ bezeichnet. Unter Advocacy versteht man das Parteiergreifen für ein Anliegen oder die politischen Interessen Anderer. Lobbying ist das Instrument, um organisationsrelevante politische, rechtliche und gesellschaftspolitische Entscheidungen gezielt und geplant zu beeinflussen. Alle drei Funktionen haben in Deutschland, der EU und weltweit stark an praktischer Bedeutung zugenommen.

Public Affairs umfassen aktive, geplante und zielgerichtete Dialoge mit der politischen Entscheideröffentlichkeit und gesellschaftlichen Gruppierungen mit dem zentralen Aspekt, Social Issues in Einklang mit eigenen Zielen zu bringen.

Public Affairs versteht sich als professionelle Weiterentwicklung des Lobbying zu einem effizienten Managementsystem, um legitime Interessen von Unternehmen oder Verbänden konsequent durchzusetzen, mit klaren Aufgaben: Durch Beeinflussung von Regierungen, Parlamentariern Meinungsbildnern etc. soll das Umfeld verbessert werden, zum Beispiel durch Begrenzung der potenziell negativen Auswirkungen der Aktivitäten der Politik.


Fundraising braucht Lobby

Fundraising braucht eine professionelle Lobby – Politik, Gesellschaft und Betroffene können von professionellem Fundraising und einem offenen Dialog darüber nur profitieren.

Im Rahmen der Novellierung des Stiftungsrechts ist das Bundesministerium der Justiz offen für einen Dialog mit klassischen Stiftungsvertretern aber eben auch für Vorschläge des Deutschen Fundraisingverbandes, wie eine aktuelle Anfrage gezeigt hat.

Und auch jeder Vertreter einer Kommune, die über Schulden und Investitionsstau klagt, sollte überlegen, ob nicht auch durch Fundraising beispielsweise ein kommunales Klinikum, Schwimmbad oder Theater aus den roten Zahlen wieder in die Gewinnzone gebracht werden kann.

 

Martin Fischer, Politologe, M.A., Fundraising-Manager (FA), Stiftungs-Manager (DSA), Fundraising-Berater bei der van Acken Fundraising GmbH, ehrenamtliche Mitarbeit im Fundraisingverband in den Fachgruppen Fundraising für Stiftungen und Gesundheit. Er absolvierte an der Quadriga Hochschule Berlin das Seminar „Lobbying, Public Affairs and Advocacy“.



(Bild: Daniel Huizinga/flickr, privat)

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