AKADEMISCHES

Vom Top-Down-Management zur Community-Entscheidung

Führung als Community-Entscheidung – Modell auch für NGOs?
Führung als Community-Entscheidung – Modell auch für NGOs?

Die digitale Revolution ist in vollem Gange. Schon in naher Zukunft werden weltweit mehr als 150 Milliarden Geräte und Sensoren miteinander verbunden sein. Nicht nur die globalen Märkte verändern sich dadurch massiv, sondern auch die Art der Kommunikation. Auf welche Herausforderungen sich Entscheider in Unternehmen und auch in Organisationen einstellen müssen und wie sich Maßnahmen entwickeln lassen, erklären die Organisations-Expertinnen Dr. Katrin Glatzel und Dr. Tania Lieckweg, Partnerinnen der Organisationsberatung osb international.

Digitale Kommunikationsveränderung heißt, dass Unternehmen sich immer mehr auf Kundenprozesse und die Digitalisierung ihrer Produkte und Services fokussieren. Die Kommunikation wird dadurch nicht nur verfügbarer, transparenter und allgegenwärtig – sie wird sukzessive enthierarchisiert. Unternehmen müssen sich der mit der Digitalisierung einhergehenden Komplexität stellen und viel stärker als zuvor Orientierung vermitteln und Sinn stiften, sowohl intern als auch nach außen. Dass angesichts dessen viele Entscheider nach erfolgsversprechenden neuen Richtungen suchen, bestätigt auch eine aktuelle Expertenumfrage von osb international unter Führungskräften.

Spürbarer Druck beeinflusst das Tagesgeschäft

Mehr denn je müssen sich Unternehmen heute den sich stetig ändernden Marktbedingungen stellen, ihre Geschäftsmodelle innovieren und teilweise sogar neu orientieren: sei es durch die Ausrichtung der Prozesse auf Kundenwünsche und -bedürfnisse, die Gestaltung einer flexiblen IT-Architektur oder die Erweiterung ihrer Kommunikationskanäle. Welche zentrale Rolle der Führung zukommt und dass die bisher gelebten Modelle neu gedacht werden müssen, hat das Top-Management bereits erkannt. Doch empfindet ein Großteil der deutschen Führungskräfte einen kontinuierlichen Druck, Innovationen oder strategische Neuausrichtungen zu entwickeln, um marktfähig zu bleiben. Dabei ist zum Beispiel das ohnehin schon eng getaktete Tagesgeschäft heute so stark von Veränderung und Bewegung gekennzeichnet, dass kaum mehr Zeit bleibt, Routinen zu etablieren.

Kontinuierliche Gesprächsflüsse auf Augenhöhe

Durch die zunehmende Vernetzung findet Kommunikation immer mehr in den sozialen Netzwerken statt. Sie ist nicht mehr von einer Position aus steuerbar und wird zur zentralen Ressource von Führung. Schon daraus wird deutlich, dass Strategien und Entscheidungen künftig nicht mehr im Top-Down-Prinzip weitergegeben werden, sondern in der Zusammenarbeit über die Ebenen hinweg entstehen. Führung kann unter den Bedingungen des digitalen Zeitalters nur als Collaborative Leadership wirksam werden: Führungskräfte sprechen mit den Mitarbeitern und nicht mehr zu ihnen. Die Beschäftigten werden aktiv in die Gesamtkommunikation eingebunden und motiviert, ihre Ideen und Vorschläge in die Entscheidungsprozesse einzubringen. Unternehmen können sich hier von Startups einiges abschauen, die diese echte Ressource bereits für sich entdeckt haben: Tägliche Standup-Meetings, kurze Treffen in Form von Daily Scrums – ein 15 minütiger Informationsaustausch am Beginn des Tages –, Austausch über Instant Messaging, Gesprächsinseln auf dem Flur, in Sitzecken oder beim Frühstück sind Musterbeispiele organisationaler Kommunikation. Die Aufgabe der Führung ist es somit, einen Gesprächsfluss zu gestalten, der echte Kommunikation stattfinden lässt. Dazu gehört auch, dass Führungskräfte sich selbst immer wieder als Person zur Verfügung stellen.

Community und Fehlerkultur

Kreativität und Innovation sind heute unverzichtbar für jedes Unternehmen. Ansätze wie Crowdstorming, wie sie zum Beispiel die Innovationsplattform jovoto anbietet, haben sich insbesondere bei Global Playern schon etabliert. Nun müssen Entscheider intern eine Kultur der Auseinandersetzung schaffen und diese nutzen, damit Neues entstehen kann. Teaming gewinnt hier einen elementaren Charakter. Gemeint ist damit, ein System zu schaffen, das fehlertolerant und effizient ist. Eine Harvard-Studie von Amy Edmondson aus dem Jahr 2013 ergab bei einer Untersuchung der Leistungsfähigkeit von Krankenhäusern, dass Kliniken mit guten Ergebnissen mehr Fehler machten als solche, die schlechter abschnitten. Was zunächst paradox klang, hat eine einfache Erklärung: Die Krankenhäuser mit den schlechteren Ergebnissen machten vermutlich ähnlich viele Fehler, sie wurden nur nicht bekannt, da niemand darüber sprach. Besteht jedoch ein guter Umgang mit Fehlern, kann man daraus lernen.

Teaming ermöglicht also den Umgang mit Komplexität, der für einzelne Mitarbeiter nicht zu erreichen wäre. Zentrale Punkte sind die Förderung von Zusammenarbeit, die Gestaltung von Entscheidungen, die Nutzung des Wissens der Crowd und das Erkennen von Chancen und Möglichkeiten. Es geht eben nicht mehr um Bewahren, Sicherheit, Hierarchie und Ansagen, sondern um Veränderung, Risiko, Kooperation und Aushandeln. Eine Möglichkeit, um minimale Trittsicherheit zu erreichen, ist der Rückgriff auf das Wissen der Vielen: Wichtig ist hier das Einbeziehen der Kenntnisse, Erfahrungen und Perspektiven der Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung. Im Zusammenspiel erbringen mehrere Mitarbeiter nachweislich ganz andere und zum Teil bessere Leistungen als in Einzelarbeit und sind bereit, über ihre direkte Arbeitstätigkeit hinaus für ihr Unternehmen tätig zu sein.

Neue Führungskultur ist nötig

Wer in Zeiten der digitalen Transformation erfolgreich führen will, muss begreifen, dass es nicht mehr ausreicht, Aufgaben zu verteilen und Entscheidungen zu fällen. Infolge der starken Vernetzung und der Schaffung eines neuen Austauschverhältnisses zwischen Organisation und Beschäftigten hat sich die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden gegenüber der Führung verändert. Die Kundenperspektive ist fester Bestandteil von Strategie, Produktion und Entwicklung geworden. Die Aufgabe von Führung wird zunehmend sein, eine Kultur zu schaffen, die Entdeckungen belohnt, Widerspruch wertschätzt und Fehler zulässt. Führung muss dafür sorgen, dass der Beitrag jedes Einzelnen tatsächlich zum Ganzen beiträgt und nicht nur Selbstzweck ist.

Dr. Tania Lieckweg (rechts im Bild) hat in einem Projekt an der Staatsuniversität St. Petersburg das erste Mal Organisationen beraten. Das war vor mehr als 20 Jahren. Seitdem hat sich die Welt verändert, aber Organisationen sind weiterhin faszinierend für die studierte Soziologin.
Dr. Katrin Glatzel war nach verschiedenen Ausflügen in das Brand Management der Konsumgüterindustrie und die Markenführung klar: Ihr professionelles Betätigungsfeld wird nicht die externe Kommunikation werden – sondern vielmehr die Gestaltung wirksamer unternehmensinterner Kommunikation. Heute beraten beide Startups, große Unternehmen, familiäre Mittelständler und NGOs in Führungsfragen.
Mehr Infos unter: www.osb-i.com

(Bilder: osb international Consulting AG)

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