AKADEMISCHES

Renaissance des wirtschaftlichen Vereins?

Der Dorfladen in Weyarn ist schon Geschichte. Kommen bald weitere hinzu?
Der Dorfladen in Weyarn ist schon Geschichte. Kommen bald weitere hinzu?

Wirtschaftliche Betätigung ist für gemeinnützige Organisationen immer eine Gratwanderung. Eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung bringt jetzt Bewegung in ein Auslaufmodell – den wirtschaftlichen Verein.

Von Matthias Daberstiel


Bei der großen Koalition in Berlin heißt es Endspurt. So stand im Koalitionsvertrag auch das gemeinsame Ziel, unternehmerischen Initiativen aus dem bürgerschaftlichen Engagement, wie Dorfläden, Kitas und altersgerechtem Wohnen, eine geeignete Gesellschaftsform im Genossenschafts- oder Vereinsrecht zur Verfügung zu stellen. Diese Form sollte unangemessenen Aufwand und Bürokratie vermeiden. Dazu hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur „Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ vorgelegt, der in der Öffentlichkeit bisher kaum diskutiert wird, aber überraschende Perspektiven eröffnet.

Status quo: Grauzone

Sogenannte Dorfläden engagieren sich für eine wohnortnahe Versorgung von Gemeinden auf dem Land und haben sich in vielen Regionen als Initiativen ohne Gewinnerzielungsabsicht aber mit klarer wirtschaftlicher Ausrichtung gegründet. Über 40 Dorfläden „von Bürgern für Bürger“, Initiativen und kommunale Nahversorger aus acht Bundesländern hat das Dorfladen-Netzwerk gelistet. Insgesamt wird die Zahl der Bürger-Dorfläden bundesweit auf über 200 geschätzt. Doch eine Genossenschaft ist für dieses Modell meist zu teuer, und ein wirtschaftlicher Verein wird schon seit Jahren kaum noch von der Verwaltung zugelassen. So wurstelt man als Verein oder GbR in einer rechtliche Grauzone und kann entweder nicht richtig wirtschaftlich oder nicht demokratisch handeln. Doch die Bundesregierung plant nun genau diese Form für solche wirtschaftlichen Initiativen ohne Gewinnerzielungsabsicht zu öffnen und sie als wirtschaftliche Vereine zuzulassen. Ebenfalls betreffen könnte das freie Kitas und Initiativen für altersgerechtes Wohnen oder gemeinsame soziale Wohnbau- oder Energieprojekte.

Das Problem der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorschrift, dass einem wirtschaftlichen Verein nur dann Rechtsfähigkeit verliehen werden darf, wenn er seinen Zweck nicht in zumutbarer Weise auch in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft verfolgen kann. Diese Zumutbarkeit ist aber ein sehr dehnbarer Begriff und so blieb der wirtschaftliche Verein in den letzten Jahren nur auf dem Papier bestehen. Auch weil jedes Bundesland das anders handhabte.

Wohlfahrtspflege will keine Veränderungen

Die Träger der Freien Wohlfahrtspflege befürchten allerdings offensichtlich, dass die steuerrechtlichen Privilegien für den gemeinnützigen Verein mit dem neuen Gesetz eingeschränkt werden könnten und wünschen sich eigentlich keine Stärkung des wirtschaftlichen Vereins, sondern beharren auf dem Status quo.

Für Professor Lars Leuschner vom Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Osnabrück ist das unverständlich. Er argumentiert, dass die Reform an der falschen Stelle ansetzt. Seiner Meinung nach sollte der Staat lieber das sogenannte Nebenerwerbsprivileg in den Blick nehmen. „Tatsächlich betätigen sich sehr viele Vereine, insbesondere aus dem sozialen Sektor, wie beispielsweise Kitas, nahezu ausschließlich wirtschaftlich. Und generell muss man sagen, dass kaum eine Non-Profit-Organisation ohne wirtschaftliche Betätigung auskommt“, schätzt er ein. Auch hier herrscht aber eine ausgeprägte Grauzone.

Vereine von Schließung bedroht

Vielen gemeinnützigen Vereinen droht, würde man das Gesetz wirklich anwenden, die Löschung aus dem Vereinsregister. Bisher wird das von den Registergerichten aber kaum konsequent durchgesetzt, aber das dürfte sich zukünftig ändern, wenn der BGH die sogenannte Kita-Rechtsprechung des Kammergerichts (NZG 2016, 989; DStR 2016, 1173) umsetzt – womit Leuschner rechnet. Dann stehen tausende Vereine in Deutschland vor einer Umfirmierung oder Auslagerung wirtschaftlicher Aktivitäten, oder schlichtweg der Schließung. Denn das Nebenzweckprivileg half den beiden beklagten Kita-Vereinen nicht. Das Gericht stellt zwar die Idee einer Kita als gemeinnützig fest, aber konnte nicht über den wirtschaftlichen Betrieb der Kita hinwegsehen. Deshalb sollen beide Vereine aus dem Vereinsregister gelöscht werden und müssen sich als gGmbH oder in anderer wirtschaftlicher Form gründen. Das diese Vereine nicht gewinnorientiert arbeiten, wurde dabei als unerheblich angesehen.

Wirtschaften sollte erlaubt sein

Leuschner empfiehlt gerade deshalb nicht, den §22 BGB zu ändern, wie von der Bunderegierung vorgeschlagen, sondern den §21 des BGB, der das Verbot der (übermäßigen) wirtschaftlichen Betätigung, also das entgeltliche Anbieten von Leistungen am Markt enthält. Dieser Paragraf zielt allerdings nicht auf ein Verbot von Wettbewerb mit der Wirtschaft, sondern auf eine Insolvenzprophylaxe und soll somit dem Gläubigerschutz dienen. Diesem Argument folgend und im Einklang mit der Unschädlichkeit einer Gewinnerzielungsabsicht aus dem Kita-Urteil empfiehlt der Rechtsexperte den Vereinen eher, eine wirtschaftliche Betätigung zu erlauben. „Mein Vorschlag ist darauf gerichtet, das Vereinsrecht an die Realität anzupassen und die Abgrenzung statt mit einem Verbot der wirtschaftlichen Betätigung mit einem Gewinnausschüttungsverbot durchzuführen. Das erscheint unproblematisch, weil auch ein Gewinnausschüttungsverbot den erforderlichen Gläubigerschutz sicherstellt.“ Leuschner erläutert weiter, dass so auch die Gewinne aus wirtschaftlicher Betätigung in den ideellen Bereich des Vereins fließen könnten, nur nicht an Mitglieder ausgezahlt werden dürften.

Ob allerdings die Bundesregierung diesem weitreichenden und doch so einfachen Vorschlag von Professor Leuschner folgt, ist mehr als ungewiss. Momentan befindet sich der Entwurf des Gesetzes im Rechtsausschuss und wird dort von den Parlamentariern beraten. Es bleibt spannend.

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