AKADEMISCHES

Offen für ein Gespräch über Spenden

Die Landkarte der Spendentelefon-Verweigerer. Hessen und Bremer würden am ehesten sofort auflegen, wenn Sie wegen Spenden angerufen werden. Grafik: Fundraiser-Magazin
Die Landkarte der Spendentelefon-Verweigerer. Hessen und Bremer würden am ehesten sofort auflegen, wenn Sie wegen Spenden angerufen werden. Grafik: Fundraiser-Magazin

Telefon-Fundraising löst bei vielen Vorständen immer noch Bauchgrummeln aus. Schnell überträgt man seine eigen Aversion gegen „Werbeanrufe“ auf dieses Fundraising-Instrument. Eine aktuelle Studie von INSA-Consulere fand jetzt heraus, dass es aber eine Bereitschaft für ein Telefonat über Spenden gibt.

Von Dr. Ulrike Schenk

Grundlage der Studie ist eine Befragung vom März 2016. Über 2000 Personen gaben zu ihrem Spendenverhalten, ihrer Spendenmotiven und zum Telefon-Marketing Auskunft.

Spenderwerbung gehört mittlerweile zu unserem Alltag. Kein Tag vergeht, an dem wir nicht auf Hilfe angesprochen werden. Mal ist es ein Plakat, das unser Mitgefühl erregt, mal der mit Spenderbriefen überfüllte Briefkasten, der uns die Not bis ins eigene Haus bringt, mal ein Telefonat, das von der Dringlichkeit eines Projektes überzeugen soll. Organisationen werben heute um ihre Spender direkter und häufiger. Über Werbung steigt der Bekanntheitsgrad der Organisationen, doch Werbung soll auch Einfluss nehmen auf Gewohnheiten und Verhaltensweisen. Mit Werbung wird sozialer Druck hergestellt, der auf das Spendenverhalten Einfluss nimmt.

Sozialer Druck erhöht Spendenbereitschaft

Dass vor allem Frauen auf sozialem Druck stark reagieren, ist das Ergebnis einer Studie zweier amerikanischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2012. Am Beispiel von Haustürwerbungen wurden zwei unterschiedliche Situationen miteinander verglichen. In der ersten Situation wussten die Bewohner eines kleinen Ortes nicht, dass eine Haustürwerbung stattfindet. Die Bewohner wurden von dieser Aktion regelrecht überrascht. Vor allem Frauen zeigten sich gegenüber den Fundraisern sehr großzügig. In der zweiten Situation wurde die Haustürwerbung über einen Flyer vorher angekündigt. Das Spendenverhalten ging schlagartig zurück. Haustüren wurden nicht geöffnet, viele Anwohner waren zu dem angekündigten Termin nicht zu Hause. Die Wissenschaftler interpretierten diese unterschiedliche Spendenquote damit, dass sie im ersten Fall so hoch war, weil viele Anwohner unter sozialem Druck standen. Im zweiten Fall spendeten die Bewohner allein aus philanthropischen Gründen.

Zwischen Privatsphäre und Spenderbindung

Neben dem klassischen Mailing, der geschalteten Online-Anzeige oder der Plakatwerbung findet die Werbung auch an Haustüren, auf Straßen und Plätzen oder am Telefon statt. Die Entscheidung für Telefon-Fundraising ist von den subjektiven Einstellungen der jeweiligen Entscheidungsträger bestimmt. Die Meinungen weichen hier sehr stark voneinander ab. Während die einen Tele-Marketing zur mittelfristigen Spenderbindung als unerlässlich betrachten, befürchten andere, damit in die Privatsphäre der Spender einzudringen und auf die Spender einen zu starken sozialen Druck auszuüben. Sie befürchten, langjährige Spender damit zu verärgern und sie schließlich darüber zu verlieren.

Zwei Drittel würden Spenden-Telefonat führen

Die Befragung ergab, dass ein Drittel der Befragten das Telefonat nicht weiterführen wollen, wenn sie nach einer Spende gefragt werden. Dass zwei Drittel der Befragten das Gespräch auch dann fortsetzen, wenn für eine Spende geworben wird, lässt eine gewisse Bereitschaft für dieses Fundraising-Instrument erkennen.
Männer legen häufiger auf als Frauen, am stärksten lehnen junge Menschen zwischen 18 und 24 telefonische Anfragen ab. Ein Grund hierfür ist sicherlich, dass die Befragten dieser Altersgruppe im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen über das geringste Einkommen verfügen. Die meisten dieser Altersgruppe sind noch in der Ausbildung. Besonders Studenten reagieren hierauf sehr ablehnend. Jeder Zweite sagt, dass er auflegt, wenn er angerufen wird. Auszubildende sind hier etwas entgegenkommender, nur jeder Vierte bricht diese Telefonate ab. Das ablehnende Verhalten ist möglicherweise auch auf das Telefon als Kommunikationsmittel zurückzuführen. Jüngere spenden nach den Ergebnissen der Befragung stärker über soziale Medien als über das Telefon.

Regelmäßiges Spenden und politisches Interesse. Menschen, die sich stark für Politik interessieren gehören auch zu den regelmäßigsten Spendern. Grafik: Fundraiser-Magazin
Regelmäßiges Spenden und politisches Interesse. Menschen, die sich stark für Politik interessieren gehören auch zu den regelmäßigsten Spendern. Grafik: Fundraiser-Magazin

Nichtwähler sind Telefon-affin

Auffallend ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund am wenigsten auflegen. Nur jeder Fünfte der Befragten legt auf, wenn er oder sie spürt, dass es um Spenden geht. Dagegen verhalten sich Wähler der AfD oder der FDP gegenüber solchen Anrufen besonders ablehnend. Jeder Zweite beendet das Gespräch, wenn er spürt, dass es auf eine Spende hinauslaufen wird. Bei den anderen großen Volksparteien ist es nur jeder Dritte. Die Befragung ergab auch, dass Menschen mit höherem politischen Interesse regelmäßig Spenden. Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass ausgerechnet die Gruppe der Nichtwähler und der politisch wenig Interessierten Spendenanrufe deutlich eher zulassen würde als die politisch interessierte Gruppe. Einen leichten Unterschied gibt es auch zwischen Ost und West. 27,4 Prozent der Angerufenen in den neuen Bundesländern würden sofort auflegen, wenn es um einen Anruf einer Spendenorganisation geht. Im Westen sind es 34,4 Prozent.

Spender 45 plus telefonieren eher

Am wenigsten lehnen nach dieser Befragung Frauen und Männer zwischen 45 und 54 Jahren Telefon-Marketing ab. Das belegen auch eigene langjährige Erfahrungen als Coach im Telefonfundraising. Zwar sind die Spender recht kurz angebunden, doch haben sie Verständnis dafür, dass sie angerufen werden. Möglicherweise ist das damit zu erklären, dass das Telefon ihnen als geschäftliches Kommunikationsmittel vertraut ist und sie weniger Zeit haben, um sich mit den Projekten einer Organisation intensiver zu beschäftigen.

 

Dr. Ulrike Schenk ist Leiterin der INSA-Consulere Niederlassung in Berlin. Das Thema bürgerschaftliches Engagement beschäftigt die promovierte Sozialwissenschaftlerin seit über zwanzig Jahren. Heute berät, befragt und begleitet sie NGOs, die Politik und Unternehmen zu diesem Thema. Derzeit unterrichtet sie an der Hochschule für Wirtschaft und Recht im Fachbereich Public und Nonprofit-Management in Berlin.
http://insa-consulere.de


(Bild: INSA-CONSULERE GmbH)

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