AKADEMISCHES

Spender brauchen Schubser

Auch Spender brauchen einen sanften Schubs
Auch Spender brauchen einen sanften Schubs

Dass Spenderinnen und Spender klare Bitten brauchen, sollten die Fundraiserinnen und Fundraiser an der Fundraising-Akademie gelernt haben. Doch es geht auch sanfter: mit Nudging.

Wirtschaftswissenschaftler gingen lange vom „homo oeconomicus“ aus, einem Menschen, der rational handelt. Viele Experimente zeigen aber, dass wir Emotionen, Moralvorstellungen und auch die Meinung anderer in unsere Entscheidungen mit einbeziehen. Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein veröffentlichten schon vor zehn Jahren dazu ein Buch mit dem Titel „Nudge“. Darin stellen sie die These auf, dass Menschen, eben weil sie sogar irrational handeln, oftmals einen kleinen Schubs, einen Nudge brauchen, wenn eine Verhaltensänderung herbeigeführt werden soll.

Auf das Fundraising bezogen ist das zum Beispiel die Shopping-List mit Spendenbeispielen, in öffentlichen Toiletten dagegen die aufgemalte Fliege auf dem Grund des Herrenpissoirs, die zu unglaublichen 80 Prozent höherer Treffergenauigkeit führen soll. In einem Experiment am Kieler Hauptbahnhof wiesen Forscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel nun nach: Menschen spenden bereitwilliger, wenn ihnen bewusst vor Augen geführt wird, dass die Spendenbereitschaft in Deutschland höher ist, als von ihnen angenommen.


Verhaltensexperiment am Bahnhof

Ausgang der Studie war die Theorie, dass Menschen ihr Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Normverhalten einer sozialen Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, anpassen. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verhaltensanpassung steigt, wenn Menschen bislang von falschen Annahmen über das Normverhalten ausgingen und diese korrigieren müssen.

In dem Experiment des Instituts erhielten Personen am Kieler Hauptbahnhof, die auf den öffentlichen Nahverkehr warteten, ein Rubbel-Los geschenkt. Sie wurden auf den möglichen Hauptgewinn von 60.000 Euro hingewiesen und gefragt, ob sie ihr Los an eine örtliche Kinderhilfsorganisation spenden würden.

Die erste Personengruppe erhielt keine weiteren Informationen. Der zweiten Gruppe wurde mitgeteilt, dass laut einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums jährlich etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung spenden – was eine Falschaussage ist – und die Personen der dritten Gruppe mussten zunächst eine Vermutung darüber abgeben, wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung jährlich spenden, bevor sie die Informationen darüber genannt bekamen.


Studie belegt Effekt

Im Ergebnis waren in der ersten Gruppe von acht Personen knapp vier bereit, ihr Rubbel-Los zu spenden (48 %), in der zweiten Gruppe waren es knapp fünf von acht Personen (61 %) und in der dritten Gruppe waren über sechs von acht Personen bereit, ihr Rubel-Los zu spenden (77 %). „Das durchschnittliche Spendenverhalten der deutschen Bevölkerung nicht nur zu nennen, sondern zunächst schätzen zu lassen, hatte einen enormen Effekt auf das Ergebnis“, sagte Felix Gelhaar, Verhaltensökonom am IfW und Mitautor der Studie. „Personen, welche die durchschnittliche Spendenbereitschaft unterschätzten, werteten dies offenbar als Hinweis darauf, dass ihr eigenes Spendenverhalten unter der sozialen Norm liegt und waren daraufhin deutlich spendabler als Personen, die keine Informationen über die soziale Norm hatten oder nicht vor Augen geführt bekamen, dass ihre Annahmen darüber zu niedrig sind.“

Diese Technik wird heute bereits in vielen Bereichen angewandt, zum Beispiel auf der Energierechnung, wo Normwerte für den Energieverbauch im Einzugsbereich aufgedruckt werden und man so gegenüber dem Nachbarn ein schlechtes Gewissen bekommt und vielleicht seinen Energieverbrauch senkt.

Die Autoren empfehlen, soziale Normen künftig nicht mehr nur zu nennen, sondern zunächst schätzen zu lassen. „Um eine Schätzung zu bitten ist leicht in der Umsetzung, kostengünstig und äußerst wirkungsvoll“, so Gelhaar. „Auch die Bemühungen um Energie- und Wassereinsparungen, eine bessere Altersvorsorge oder eine höhere Wahlbeteiligung könnten damit vorangetrieben werden.“

Die Studie „Social comparison nudges—Guessing the norm increases charitable giving” erschien im Journal Economics Letters. Empfehlenswert ist dazu auch der Bericht „Sanfte Schubser“ des Instituts.

(Bilder: pxhere.com)

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Kommentar von Andreas Kensik |

Wow! n=8 pro Gruppe