AKADEMISCHES

Nachlass-Fundraising - Ein übersehenes Potenzial

Rollt die Erbschaftswelle schon, auf die auch Gemeinnützige so gern hoffen? Glaubt man dem Bundesamt für Statistik ist es höchste Zeit, ein funktionierendes Nachlass-Fundraising aufzubauen. Nur auf Erbschaften zu hoffen, ist aber zu wenig.

Von Matthias Daberstiel

Wenn über Nachlass-Fundraising gesprochen wird, dann wird meist über die Zahl von 2,6 Billionen Euro spekuliert, die in diesem Jahrzehnt vererbt werden soll. Die Deutschen erben, wie aus der Studie „Erben in Deutschland. Volumen, Verteilung und Verwendung“ des Deutschen Instituts für Altersvorsorge vorgeht, bis 2020 durchschnittlich 305.000 Euro pro Erbfall oder 153.000 Euro pro Erbe. Bis Ende des Jahrzehnts werden danach 20 Prozent mehr Vermögen vererbt als in den zehn Jahren davor. Diese Zahlen sind allerdings nur eine Prognose, und deshalb lohnt sich ein Blick auf die realen Vermögenswerte, die jedes Jahr in Deutschland vererbt werden.

Fünf-Jahrestrend geschenktes und vererbtes Vermögen, Quelle: Bundesamt für Statistik 2015
Fünf-Jahrestrend geschenktes und vererbtes Vermögen, Quelle: Bundesamt für Statistik 2015

Zahlen noch nicht so rosig

Schon 2015 ergab eine Analyse des Bundesamts für Statistik nämlich, dass wir von den vom Institut für Altersvorsorge prognostizierten 250 Milliarden Euro pro Jahr noch weit entfernt sind. Das geerbte und geschenkte Vermögen stieg von 2013 auf 2014 allerdings rasant um 54,6 Prozent auf 108,8 Milliarden Euro an. Die Statistiker ermittelten, dass sich die von den Finanzverwaltungen im Jahr 2014 veranlagten Vermögensübertragungen aus Erbschaften und Vermächtnissen auf 38,3 Milliarden Euro (+ 25,7 %) und aus Schenkungen auf 70,5 Milliarden Euro (+ 76,8 %) summierten.

Diese Zahlen werden umso brisanter, wenn man sich den Fünf-Jahrestrend anschaut. Danach wurden in den letzten drei Jahren viel mehr Vermögen vorher verschenkt als später vererbt. Dafür gibt es steuerliche Gründe. Zu lange zu warten, kann also bedeuten, es ist weniger da. Recht viel übertragenes Vermögen ist aber Betriebsvermögen, was eigentlich gar nicht an gemeinnützige Einrichtungen fließt. Die Übergänge von Unternehmensvermögen beliefen sich insgesamt auf 48,5 Milliarden Euro brutto (+ 110,1 %) und bei Schenkungen auf 44,2 Milliarden Euro brutto (+ 120,6 %). Geerbt wurde im Jahr 2014 vorwiegend übriges Vermögen (58,1 %), wie Anteile an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere und Bankguthaben.

Was geht an Gemeinnützige?

Sollten wir also auf das Erbe als Fundraiser warten? Richard Radcliffe, bekannter Erbschaftsmarketing-Experte aus Großbritannien, vertrat dazu beim ersten Fundraising Symposium Nachlass-Fundraising in Frankfurt im vergangenen Februar eine klare Haltung. „Sie müssen fragen!“, sagte er und brachte auch sogenannte Letter of Intents, also Absichtserklärungen, ins Spiel, die bereits zu Lebzeiten viel einfacher zu erhalten seien. Dass die meisten Organisationen erst von einem Erbe erfahren, wenn es anfällt, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis. 90 Prozent der Erblasser sind einfach nicht bekannt. Womit wir wieder bei den Zahlen sind. Denn wie viel Geld wirklich an Gemeinnützige geht, ist völlig unklar. Immerhin ermittelte die deutsche Erbschaftsinitiative 2013, dass 11 Prozent der Deutschen bereit wären, etwas für den guten Zweck zu vererben. Bei Kinderlosen wären es sogar über 34 Prozent. Ein Drittel! Was uns zur relevanten Frage dieses Beitrags bringt, nämlich nicht wie viel vererbt wird, sondern vom wem.

Akademikerinnen ohne Kinder
Akademikerinnen ohne Kinder, Quelle: Bundesamt für Statistik 2012

Diese Frage stellen sich viele Organisationen, und auch hier könnte ein Blick auf die jedem zugängliche Statistik des Bundesamtes nützen. Hohes Einkommen ist in Deutschland sehr stark mit guter Ausbildung verknüpft, und da Frauen etwa fünf bis sechs Jahre länger leben als Männer, liegt es auf der Hand, dass Akademikerinnen ohne Kinder eine hohe Anziehungskraft auf Nachlass-Fundraiserinnen und -Fundraiser ausüben müssten. Das Bundesamt schätzt dazu, dass in den nächsten Jahren der Anteil dieser Gruppe in der Bevölkerung der alten Bundesländer rasant und in der der neuen Länder moderat steigen wird. Im Jahr 2012 betrug der Anteil der westdeutschen Akademikerinnen ohne Kinder über 70 Jahren noch 25 Prozent. Im Jahr 2032 wird der Anteil bei 30 Prozent liegen, denn das ist der Anteil der 50-jährigen kinderlosen Akademikerinnen heute.

Doch ist es so einfach? Potenzialabschätzung und los? Wohl kaum. Organisationen sollten genau prüfen, ob sie die Kapazitäten für Nachlass-Fundraising haben. Wie viele Vereine und Stiftungen sind bei der berühmten Erbschaftsbroschüre stehen geblieben und haben sich danach nicht gewagt, das so einmal abgefragte Interesse wirklich in gute Gespräche oder weitere Angebote zu münzen. Das deutsche Nachlass-Fundraising hat großes Potenzial. Aber man muss mit potenziellen Erbinnen und Erben auch persönlich sprechen. Dafür braucht es gut ausgebildete Nachlass-Fundraiserinnen und -Fundraiser und den kollegialen Austausch. Die Fundraising-Akademie bietet dafür in Hamburg die Fortbildung „Erbschaftsmarketing (FA)“ an. Ein gute Gelegenheit, sein Potenzial zu vergrößern.

(Bilder: Bundesamt für Statistik)

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