AKADEMISCHES

Kritische Analyse – Zahlen zum Spendenmarkt

Zahlen zum Spendenmarkt

Wenn aktuelle Zahlen über den deutschen Spendenmarkt veröffentlicht werden, schaut die Fundraising-Szene gebannt. Doch sind die Zahlen wirklich ein Spiegelbild der Realität oder nur ein Ausschnitt des deutschen Spendenverhaltens?

Seit über einem Jahrzehnt bemühen sich TNS Emnid mit dem Spendenmonitor und die GFK mit den Charity Scope um Aufklärung in Sachen Spendenbereitschaft in Deutschland. Immer noch weichen die dort ermittelten Daten weit voneinander ab. Während TNS Emnid 2011 mit 2,9 Milliarden Euro rechnet, veröffentlicht die GfK in der aktuellen „Bilanz des Helfens“ gemeinsam mit dem Spendenrat eine Summe von 4,16 Milliarden Euro – eine deutliche Abweichung. Schlussendlich ist der Spendenmarkt nicht zufriedenstellend erforscht. Theoretisch könnte das Finanzamt helfen, werden doch da die Spendenquittungen zur steuerlichen Geltendmachung eingereicht. Aber auch hier: Fehlanzeige! Nicht nur, dass die Daten mit vier Jahren Verspätung veröffentlicht werden, sind sie doch auch kaum aussagekräftig. Denn Menschen, die keine Steuern zahlen, brauchen auch keine Spendenbescheinigung und fallen so aus der Statistik. Dazu kommen noch neue Formen der Unterstützung, die außerhalb jeder Zuwendungsbestätigung laufen, wie Crowdfunding, Betterplace und die vielen Sammlungen auf lokaler Ebene. Auch Großspenden finden kaum Eingang in die Studien oder werden herausgerechnet. Es bleibt eine Menge Spekulation im Markt.

Wenn schon keine aussagefähigen Daten zum Gesamtvolumen, so können zumindest Trends zum Spendenverhalten und zur Spenderansprache aus den vorhandenen Studien abgelesen werden. Die gerade veröffentlichte „Bilanz des Helfens“ überrascht zum Beispiel mit einem Anstieg der Neuspender. Getrübt wird die Bilanz von der seit Jahren stetig sinkenden Spendenbereitschaft. Lag der Anteil der Spender 2006 noch bei 42,6 Prozent, so sind es heute gerade noch ein Drittel der Befragten, die angeben gespendet zu haben. Spannend ist in dem Zusammenhang, dass sich bei vielen Menschen der Zeitpunkt der Spende noch mehr ins vierte Quartal verlagert, als es noch 2012 der Fall war. 5,2 Mio. Spender im Jahr 2012 haben nur im 4. Quartal gespendet. Dies sind deutlich mehr als im Vorjahr. Davon waren 2,1 Mio. „Neuspender“, hatten also 2011 nichts gespendet. Doch weist das auf darauf hin, dass die Organisationen zu Weihnachten mehr mobilisiert haben, wie es die GFK vermutet, oder dass die Spender ihren Geldbeutel solange es ging zugehalten haben, um ausgehend von der persönlichen Jahresbilanz ihr Engagement zu zeigen? Wir wissen es nicht.

Fakt ist, dass Spender auch nach ihrer persönlichen Haushaltslage spenden. Der Auflagenrückgang der Spendenmailings um 13 Prozent lässt zumindest keine steigenden Werbeausgaben hinter der Neuspenderwerbung vermuten. „Wir freuen uns, dass mehr Neuspender speziell durch das Internet, die persönliche Ansprache und Freunde sowie durch die Präsenz der Organisationen in den klassischen Medien aktiviert werden konnten“, freut sich Daniela Felser, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats e.V. Eine Trendwende hin zu einer stärkeren „Kultur des Gebens“ und ein Generationswechsel in Deutschland seien jedoch so noch nicht absehbar, meint sie.

Auch ein internationaler Vergleich macht nicht unbedingt schlauer. Nach den Zahlen des Worls-Giving-Index der Charities Aid Foundation, der neben Spenden auch das ehrenamtliche Engagement und die Hilfe für Fremde erfragt, befindet sich Deutschland auf dem absteigenden Ast. Nur noch Platz 34 nimmt es in der Weltrangliste der Spendennationen ein – gleich nach Nationen wie: Honduras, Jamaica, Angola, und Sierra Leone. Weltmeister des bürgerschaftlichen Engagements sind die Australier vor Irland und Canada. Schaut man sich nur die durchschnittliche Spendenbereitschaft an, liegt Irland auf Platz eins vor Australien und Holland. Deutschland schafft es nicht mal in die Top Ten. Geht man nach absoluten Zahlen, also der Anzahl der Menschen, die wirklich gespendet haben, liegt Deutschland zumindest auf Platz neun. 31 Millionen spendeten danach im Erhebungsmonat der Studie 2011. Sieger in diesem Ranking ist aber nicht die USA, sondern Indien mit 164 Millionen Menschen vor den Amerika, Indonesien und China.

Tun wir also zu wenig für das Gemeinwohl, wenn uns schon Entwicklungsländer überflügeln oder ist der Ansatz, Geldspenden, freiwilliges Engagement und Hilfe für Fremde in einem Topf zu werfen, ungeeignet für einen weltweiten Vergleich? Sicher ist, dass sich Deutschland nicht zu verstecken braucht, aber auch keine generöse Pose einnehmen kann. Mit gerade mal 22 Prozent ehrenamtliche Engagement wurde ein sehr geringer Wert gemessen. Immerhin gab die Hälfte der Deutschen an, im Erhebungsmonat einem Fremden geholfen zu haben. Von 76 Prozent Spendenbereitschaft wie in Holland sind wir aber meilenweit entfernt.

Die Verschlechterung der Zahlen weist zumindest auch auf einen Trend hin, den deutsche Studien bestätigen: Weniger Spender spenden mehr. Doch liegt das an der fehlenden Weiterentwicklung im Fundraising? Auch hier ist Vorsicht bei der Analyse geboten. Die klassische Spenderzielgruppe 50plus entwickelt sich auch weiter. Sie kommuniziert mittlerweile anders, fühlt sich deutlich jünger als sie ist und schaut in ihren Lebensplanungen immer noch nach vorn, anstatt zurück. Das ergaben zumindest verschiedenen Studien zu den sogenannten BestAgern. Die spendenrelevante Zielgruppe hält ihr Geld noch zusammen. Das erklärt auch den Anstieg der regelmäßigen Spenden in der „Bilanz des Helfens“. Solche Spenden sind planbar.

Schlussendlich muss jede Organisation für sich selbst herausfinden, welche Spender sie hat und wie sie diese am effektivsten und erfolgreichsten an sich binden kann. „Ask your Donors“ schallt es daher nun auf Fundraisingkongressen und Tagungen den Teilnehmern entgegen. Marktforschung im eigenen Haus wird sicher zunehmen, um den Spender wirklich zu verstehen und Strategien für die Neuspenderwerbung zu entwickeln. Die Zahlen zum deutschen Spendenmarkt sind dafür maximal eine Orientierung.

(Foto: kivoart_iStock_000022200278X)

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